Bei meinen gelegentlichen Streifzügen durch skandinavische Supermärkte nach gelungenem oder ungewöhnlichem Verpackungsdesign bin ich auch in meinem diesjährigen Jahresendurlaub wieder fündig geworden. In der Getränkeabteilung einer Filiale der dänischen Supermarktkette »Kvickly« zog eine ganz besondere Bierflasche meine Aufmerksamkeit auf sich.
Zunächst dachte ich, es handele sich um einen Fehldruck, denn das Frontetikett erscheint nahezu unbedruckt: die knappe Inhaltsbezeichnung »Øl« (Bier) im Fußbereich des goldenen Zierrahmens ist der einzig lesbare Aufdruck. Jedenfalls für Sehende. Denn das Etikett ist sehr wohl beschriftet – im erhaben geprägten Punktraster der Blindenschrift Braille.
Die dänische Brauerei Midtfyns brachte am 31. August 2009 anlässlich des 200. Geburtstages von Louis Braille, dem Erfinder des Blindenalphabets, dieses eigens gebraute Bier in limitierter Auflage auf den Markt. 2 Kronen (ca. 25 Cent) pro verkaufter Flasche gehen an den Dänischen Blindenverein »Dansk Blindesamfund«, darüber hinaus sind via SMS an eine eigens eingerichtete Nummer Spenden über 10 Kronen je gesendete Nachricht an dieselbe Organisation möglich. Zwar liefert ein kleines Klebeetikett auf der Rückseite auch die nötigen obligatorischen Inhalts- und Mengenangaben für Sehende, doch die Braille-Informationen auf dem Frontetikett wurden bewusst nicht »übersetzt« – um Kunden und Konsumenten zu einer Beschäftigung mit der Blindenschrift und der besonderen Lebenssituation der Betroffenen anzuregen.
Nicht nur als Liebhaber guter und außergewöhnlicher Biere und als Grafik-Designer bin ich von dieser Idee und ihrer Umsetzung begeistert. Sie beweist, wie es mit einfachsten Mitteln abseits üblicher Betroffenheitskampagnen möglich ist, sogar beim Einkauf im Supermarkt auf sozial relevante Themen hinzuweisen, dabei Gutes zu tun und (Genießern) eine interessante Produktneuheit anzubieten. Mehr davon – und bitte nicht nur in Dänemark!