»(…) Das Böseste ist aber, daß das moderne Leben voll von neuen Geschwindigkeiten ist, für die wir keine Ausdrücke haben. Geschwindigkeiten sind merkwürdigerweise das Konservativste, was es gibt. Trotz Eisenbahn, Flugzeug, Automobil, Tourenzahlen, Zeitlupe sind ihre äußersten Grenzen heute noch die gleichen wie in der Steinzeit; schneller als der Gedanke oder der Blitz und langsamer als eine Schnecke ist in der Sprache nichts geworden. (…) Die großen neuen Intensitäten haben vollends für das Gefühl etwas Unfaßbares, wie Strahlen, für die noch kein Auge da ist. Es wird aber noch sehr lange dauern, ehe die Menschen statt Eilzug wirklich Ruhezug sagen und das Wort Hals über Kopf nur noch gebrauchen, wenn sie etwa den Abendfrieden beschreiben und ausdrücken wollen, daß sich weit und breit nichts rührt und die ungewohnte Ruhe von allen Seiten über sie hinstürzt wie ein Meer.«
(aus: Robert Musil, »Geschwindigkeit ist eine Hexerei«)
Weiterlesen gerne hier (PDF des Protokolls einer Radiosendung zum Thema »Tempo« auf WDR 3 im November 2004) oder in den gesammelten Werken des Autors.