Solidaritätstirade

Frau Gröner bloggt über Ruhestörung in der Oper und spricht mir damit voll aus der Seele. Das Thema ist nahtlos übertragbar auf Kino, Ballett oder Theater und ein Grund, warum ich mir Filme prinzipiell nur noch auf DVD anschaue. Das längere Warten auf den Erscheinungstermin ist ein mehr als angemessener Preis für den ungetrübten Aufführungsgenuss ohne tumb-lärmende, mit ADS und Ignoranz geschlagene Trolle im Publikum. Leider gibt’s die meisten Bühnenaufführungen nicht nach vier Monaten zum Ausleihen in der Videothek.

Die Palette der Nervperformances im Publikum übertrifft übrigens oft den Einfallsreichtum der inszenierenden Regisseure: Kinder auf dem Nebensitz, die während der Vorstellung pfundweise Fruchtgummi mampfen, um dann ihren artifiziell aromatisierten Mageninhalt neben meinen Schuhen zu erbrechen. Oder launige Kinocliquen, die es offenbar für originell halten, einen Picknickkorb zwischen sich zu platzieren (so klang es jedenfalls im Dunkeln) und daraus in knatternde Alufolie gewickelte Schnittchen und dutzendweise ploppende Flensflaschen zu entnehmen, Schlemmergrunzen und Prostgegröhle inklusive. Da fällt das unaufhörliche Kommentargemurmel eines Begleiters an seine Sitznachbarin (Simultanübersetzer für ausländische Operngäste: eine Geschäftsidee mit Zukunft?) schon fast in die harmlosere Kategorie. Schön auch die Anekdote meiner Schwester über eine nölende Gang pubertierender Deppen, die nach etwa 30 Minuten in diesem Film mit Jodie Foster lautstarkes Unverständnis darüber abzusondern begannen, warum der für Scheiße befundene Streifen eigentlich »Fightplan« hieße, wo doch weder Krieg noch Kickboxen zum Plot gehörten. Naja. Ein L wie Lesen kann man schon mal übersehen.

Oft dachte ich schon, wie nett es doch wäre, wenn man die aus dem Flugzeug bekannte Technik der individuellen Tonversorgung am Platz auf Theater und Lichtspielhäuser übertrüge. Einfach den schalldichten In-Ear-Kopfhörer in die Armlehne stöpseln und willkommen, Kunstgenuss. Doch genau genommen wäre das auch nichts anderes als elektronische Kapitulation. Doch was bleibt, außer Tadeln, Wüten, Fliehen? Weitergehendes verbieten Gesetz und Erziehung. Oscar Wilde hatte schon recht, als er sagte: »Having had a good upbringing nowadays is a great disadvantage as it excludes you from so many things.«

Ich fühle mit Ihnen, Frau Gröner.