Ein experimenteller Text zur Beschreibung des vermeintlich Banalen.
In der Werbung wird immer tagsüber Wäsche gewaschen. Mutti ist zu Hause, die Kinder in der Schule, lustig wirbelt die Trommel der Waschmaschine im lichtdurchfluteten Badezimmer bei 30, 60 oder 90 Grad. Anschließend geht es mit der feuchten Fracht hinaus in den Garten, der Wäschekorb strahlt mit dem bunten Textilberg um die Wette. Über saftiggrünem Rasen hängend wehen Shirts und Trikotagen munter im Sonnenlicht, ehe sie vor Einbruch der klammen Dämmerung trocken, frisch und duftend von der Leine genommen werden.
Von Wochenenden abgesehen, und auch davon, dass ich keinen Garten mein Eigen nenne, wasche ich meine Wäsche hingegen meist abends. Typisch auch, nach dem Verstummen der Maschine, dass ich sie für einige Stunden vergesse und erst spät, oft nach Mitternacht, kurz vor der Bettruhe, der säumigen Pflicht zum Aufhängen folge.
Nichts ist dann mehr lichtdurchflutet. Wohnung und Haus durchdringt Stille. Die Wäsche und mein Atem sind das einzig Hörbare, als ich die Maschine in den Wäschekorb entleere, die Fasern reiben aneinander, harsch bei groben Geweben, leise flüsternd bei feinen und weichen. Auch der Weg zum Trockenraum ist dunkel und still. Meist ist irgendwo eine Lampe kaputt, das korrodierte Knirschen der Waschküchentür, tagsüber kaum hörbar, dringt jetzt fühlbar, sandig, durch Scharniere und Mauern. Vom Licht geblendet, huschen kleine Kerbtiere in schattige Fugen, unbeeindruckt erwartet eine Spinne in einem staubigen Netz ihre Mahlzeit. Holzdielen knarren, ein paar lose baumelnde Kunststoffwäscheklammern klappern, als das erste Wäschestück die abgewetzte Leine beschwert. Das leise Rauschen des Blutes in meinen Ohren mischt sich mit imaginären Fetzen einer Melodie, die sich irgendwann tagsüber in den Synapsen verhakte. Herunterbeugen, aufrichten, Arme strecken, eine sachliche Gymnastik, sie hat etwas Meditatives, Surreales. Ich lasse den Gedanken Raum, spüre den feuchten Stoff an den Fingerkuppen, zupfe eine Naht gerade, verschließe einen Knopf, die Zeit dehnt sich wie ein elastisches Gewebe, geknüpft aus dunklen Sekunden, es gibt keine Uhren. Es riecht nach Waschpulver und Weichspüler, irgendwo draußen, falls es so etwas gibt, fährt ein Auto vorbei. Das Licht flackert. Ich spüre Verdunstungskühle auf meiner Haut und um die aufgehängten Kleidungsstücke herum.
Die gemächliche nächtliche Tätigkeit umhüllt mich wie ein seltsam isolierender Kokon. Irgendwann bin ich mit dem leeren Korb zurück in der Wohnung. Bald wird die Nacht zur Neige gehen, es wird Morgen, ein neuer, heller Tag und irgendwo draußen in der Sonne flattert bunt etwas Wäsche im Wind.
P.S.: Den perfekten Soundtrack zum nächtlichen Wäscheaufhängen liefert übrigens die verträumt-versunkene Stimme der schwedischen Musikerin Stina Nordenstam. Hier eine Hörprobe bei YouTube.
Foto: © formschub
Ja, schöner Text, hab ihn schon in der Nacht gelesen 🙂
Konnte so manche Parallelen entdecken, wenngleich aufgrund der örtlichen Begebenheiten manche Dinge leicht angepasst werden müssten.
Schön geschrieben. Bei mir hat die Wäsche auch oft noch die Zeit sich nach dem Schleudern zu beruhigen.