Gerade noch rechtzeitig, bevor schon wieder die zweite Woche dieses jungen Jahres beginnt, möchte ich dann doch auch noch meine Bilanz für 2011 ziehen. Es war für mich ein Jahr wie ein Dominostein, mit drei seltsam voneinander getrennten, völlig unterschiedlichen Schichten: der privaten (in keinster Weise zu beanstanden), der beruflichen (im wahrsten Sinne wechselhaft) und der des Tagesgeschehens, mit Ereignissen wie dem apokalyptischen Erdbeben in Japan, der Fukushima-Katastrophe, der Guttenberg-Affäre, dem Utoya-Massaker in Norwegen, der allgegenwärtigen Eurokrise oder dem Tode Loriots (alles schlimm und sämtlich verzichtbar). Hoffen wir, dass 2012 wieder netter zu uns ist.
Ich wünsche allen regelmäßigen und zufälligen Besuchern dieses Blogs, was ich in der Neujahrsnacht bereits via Twitter meiner Timeline auf den Weg gab.
Zugenommen oder abgenommen?
Zugenommen, ein bisschen. Aber ich hatte 2011 einfach keine Lust, kürzer zu treten.
Haare länger oder kürzer?
Gleichbleibend kurz. Ich genieße den Vorteil, dass mein bevorzugter Haarschnitt mir nicht nur steht und ich mich damit wohlfühle, sondern er auch den unsteten Trends der modernen Haarmode trotzt. Sehr praktisch. So kann ich mich um andere Sachen kümmern, die wichtiger sind.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Weiterhin ohne Brillenbedarf und dankbar dafür.
Mehr Kohle oder weniger?
Unverändert und damit genug, um sich keine Sorgen ums tägliche Auskommen machen zu müssen.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Ich glaube, ich war ein kleines bisschen sparsamer, da ich bald ahnte, dass ich beruflich auf eine Weichenstellung zusteuere, die eine gewisse Finanzreserve erfordert.
Mehr bewegt oder weniger?
Nach fast 17 Jahren als angestellter Art Director und später Kreativdirektor in ein und derselben Agentur Bilanz gezogen und mich selbst (fort)bewegt. Für mich heißt das: viel bewegt.
Der hirnrissigste Plan?
Dazu fällt mir diesmal nichts ein. Vielleicht war ich zu vorsichtig.
Die gefährlichste Unternehmung?
Siehe »Der hirnrissigste Plan«.
Der beste Sex?
Ich tu mich ein bisschen schwer mit dem Prädikat »beste«. Sex ist schließlich kein Wettstreit. Mal behutsam und sinnlich, dann wieder spontan und wild. Dennoch beides gut. Das ist wie mit leckerem Essen.
Die teuerste Anschaffung?
Ein neues Möbelstück (Highboard) fürs Schlafzimmer. Eine leider notwendige größere Autoreparatur.
Das leckerste Essen?
Ein grandioses, überraschendes, sinnliches Dinner for Two im Restaurant Reinstoff (Berlin), die obligatiorischen Pfingstschlemmereien in Regensburg während der Tage Alter Musik, die karibische Küche im Restaurant Mango Room während eines Kurzurlaubs in London, das Essen bei einer Weihnachtsfeier im kleinen Kreis bei Henssler & Henssler am Hamburger Elbufer. Und noch so dies und das. Ich kann nicht klagen.
Das beeindruckendste Buch?
Das war »Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge« (Der treffendere englische Originaltitel lautet »At Home. A Short History of private Life«) von Bill Bryson. Ein famoser Streifzug durch die Kulturgeschichte der Zivilisation anhand des Rundgangs durch das viktorianische Wohnhaus des Autors – ein ehemaliges Pfarrhaus. Es ist faszinierend und lehrreich, wieviel(e) Geschichte(n) in der Konstruktion, der Nutzung und Aufteilung eines für uns heutzutage ganz normalen Wohngebäudes steckt bzw. stecken. Warum und seit wann gibt es einen Flur? Wo schliefen eigentlich früher die Dienstboten? Was spielte sich früher alles in der Küche ab? Warum war das Schlafzimmer historisch gesehen ein oft eher unerfreulicher Ort? Ich wusste gar nicht, wie viel ich noch nicht wusste, bevor ich dieses Buch las. Sehr empfehlenswert, wenn es neben Belletristik auch mal ein Sachbuch sein darf.
Aber auch für 2011 jedoch muss ich feststellen: zu viel online und in der gedruckten Presse gelesen, anstatt mir mal meine ungelesenen Regalmeter Bücher vorzunehmen. Schande, das. Ich arbeite dran.
Der ergreifendste Film?
Auch im Filmjahr 2011 bediente ich mich wieder nicht nur bei den aktuellen Neuerscheinungen, sondern querbeet bei allem, was im Kino, im TV und auf DVD bisher ungesehen war. Am »ergreifendsten« wirkten auf mich »The King’s Speech« (tolle Geschichte und geniale Schauspieler), »Thumbsucker« (nicht zuletzt wieder wegen Tilda Swinton), »Chiko« (ein brachiales Drama mit einem an Shakespeare erinnernden tragischen Ende) und »Ein Kapitel für sich« (epische Verfilmung der Romane von Walter Kempowski). Visuell atemberaubend fand ich »Tron: Legacy«. Und im Laufe des Jahres wurde ich endgültig zum Fan der tiefschwarzhumorigen Serie »Breaking Bad« und ihres janusköpfigen Protagonisten Walter White, dessen Balanceakt zwischen treusorgendem Familienvater und eiskaltem Drogenschurken im Fortgang der Handlung immer aberwitziger wird. Großes Kino findet eben nicht nur im Kino statt.
Die beste CD?
Pop: »El Radio« von Chris Garneau, »It All Starts With One« von Ane Brun, »Lady & Bird« von Lady & Bird, »I’m a Singer/Songwriter« von Egil Olsen. Klassik: »Sonates pour Violon & Basse Continue« mit David Plantier (Violine) von Johann Paul von Westhoff. Und wie immer viele Einzeltitel, dank Shazam, Web-/Twitter-/Facebook- und iTunes-Empfehlungen.
Das schönste Konzert?
Da gab es 2011 eigentlich nicht das Highlight. Gleich im Januar erfreute in der Berliner Philharmonie Alexander Zemlinskys »Lyrische Sinfonie« (Op. 18) auf Gedichte von Rabindranath Tagore und Leos Janáceks »Sinfonietta für großes Orchester« die Ohren. (Kommentar meines Mannes zum Text: »Man möchte jedes Wort küssen.«)
Darüber hinaus erinnere ich mich eher an viele kleinere Konzerte, etwa auf der Arp-Schnitger-Orgel in Hamburg-Neuenfelde oder ein mittelalterliches Vokalkonzert mit dem Ensemble Vox Nostra in der Zionskirche Berlin. Es muss ja nicht immer was Großes sein.
Für 2012 dräut hingegen Hochkultur satt: Kurz vor Weihnachten lag eine Kartenzusage für die Bayreuther Festspiele im Briefkasten (»Tristan und Isolde«, »Parsifal«). Dazu kamen unterm Weihnachtsbaum Karten für zwei Vorstellungen in der Dresdner Semperoper (»Lulu«, »Cardillac«), eine in der Hamburgischen Staatsoper (»Lear«) und zwei Konzerte in der Berliner Philharmonie (Edward Elgar: »The Dream of Gerontius« und Dmitri Schostakowitsch: »Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1«/»Symphonie Nr. 8«). Also jede Menge Stoff für den Jahresrückblick 2012.
Die meiste Zeit verbracht mit …?
… dem Mann und guten Freunden (wie letztes Jahr).
… Gedanken daran, wie mir mein Job wieder mehr Spaß machen kann.
Die schönste Zeit verbracht mit …?
… dem Mann und guten Freunden (wie letztes Jahr).
Vorherrschendes Gefühl 2011?
Wenn sich was bewegen soll, muss ich mich bewegen.
2011 zum ersten Mal getan?
Ernsthaft darüber nachgedacht, mich selbstständig zu machen.
2011 nach langer Zeit wieder getan?
Gekündigt.
Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Die Erdbeben-/Tsunami-/Fukushima-Bilder aus Japan. Guttenberg und ähnlich gesinnte Zeitgenossen. Meinen Hang zum Grübeln.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Mich selbst und andere davon, dass ich meine beruflichen Weichen neu stellen muss.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Wie letztes Jahr: Zuhören. Aufmuntern. Da sein.
Ein sehr persönliches, selbst gestaltetes Erinnerungsbuch.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Wie letztes Jahr: Zuhören. Aufmuntern. Da sein. Zuspruch und Unterstützung bei meinen Plänen. Und wieder schöne Urlaube an tollen Orten und in fantastischen Unterkünften in Deutschland und Europa (Bornholm, Yorkshire, Wales).
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
»Durch dick und dünn.« (Ich weiß, das ist kein vollständiger Satz, aber das spielt im Kontext seiner Äußerung keine Rolle).
Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
»Ich möchte künftig ,mein Mann‘ zu Dir sagen.«
(Nein, ich habe nicht geheiratet. Ich finde nur ,mein Freund‘ unzureichend.)
2011 war mit einem Wort …?
Aufbruch.
Ich bin neugierig, wie es bei dir weiter geht. Nach 17 Jahren in der gleichen Agentur eine solche Veränderung einzuleiten, ist mutig, aber notwendig, um wirklich was zu bewegen. Vielleicht schreibst du (mir), warum du das Gefühl hattest, etwas ändern zu müssen.
Lieber Thomas,
ich möchte Dir ganz viel Kraft, Geduld und Glück (all das wirst du brauchen) für Deinen persönlichen „Aufbruch” wünschen, bin mir gleichzeitig aber sicher, dass es eine konsequente und richtige Entscheidung ist.
Danke Euch! Ich muss gestehen, ich selbst drück mir auch die Daumen …
Glückwunsch zum Parsifal! Denn diese Produktion muss man einfach gesehen haben!!!
Das ist ein sehr interessanter Jahresrückblick, vor allem, da einiges auch weichenstellend für 2012 war, gell. Ich drücke Dir jedenfalls die Daumen, dass das neue Jahr Dich in sichere Fahrwasser geleitet, Du jeden Tag etwas zum Lachen, Lieben und für’s Herz findest, Deine Schwächen Deine Stärken werden!!!
Einen schönen Sonntag
♥lichst moni
Ja, schade. Müssen wir das wohl mal in der Hamburger Oper machen.
Na, das sollte doch machbar sein. Entweder beim „Lear”, oder wir sagen einander bescheid, wenn weiteres ansteht.
Yay, Glückwunsch zu Bayreuth. Wann wirst du da sein? (Ich so: 11. bis 13.8. Parsifal und Holländer.)
@Anke: Danke! Leider nicht gleichzeitig. Je nach Anreisetag vom 24./25. bis 29. August, also ganz am Ende. Schade, hätte gern mal ein Sektchen mit Dir in der Pause genippt …
Das ist schön zusammengefasst, für dich persönlich.
Noch was: Du hast aus einigen 2010 noch nicht 2011 gemacht.
@Flomarkt: Oh, danke – auch für den Hinweis. Hab ich gleich behoben.