Beer outside the Box

Bei Getränken bin ich recht genügsam. Wasser gegen den Durst. Kaffee am Morgen, die eine oder andere Tasse tagsüber, manchmal eine zum Abendausklang. Gelegentlich Tee. »Softdrinks« nur ohne Zucker, lieber Grapefruit- oder zur Not Apfelschorle. Wein – lieber roten als weißen. Und Bier.

»Genügsam« heißt allerdings nicht »anspruchslos«. Es sind gerade diese einfachen Getränke, hinter denen sich eine schier unüberschaubare Vielfalt an Provenienzen, Sorten, Mischungen und Rezepturen verbirgt. Kalkiges Wasser, säuerliches, seifiges, metallisches. Kaffeesorten, Röstungen, Mahlgrade, Brühverfahren. Teesorten, Fermentationen, Pflückungen, Blends. Rebsorten, Böden, Jahrgänge, Cuvées. Biersorten, Hopfenpflanzen, Malzanteile, Getreide. Mir macht es großen Spaß, das alles zu schmecken, zu ergründen und zu bewerten.

Die Bierregale in Deutschland allerdings sind für mich größtenteils ein Grauen. Es gibt wenige Supermärkte, in denen über die anderthalb Dutzend geschmacklich rundgelutschter Standardbiere hinaus interessante Sorten oder Marken zu finden sind; meist muss man dafür schon (ausgewählte) Getränkemärkte aufsuchen. Und selbst, wenn man in speziellen »Bierparadiesen« endlich was Besonderes findet, sind bestenfalls die einheimischen Biere noch halbwegs bezahlbar. Bei Importbieren kostet die Flasche locker mal eben drei bis fünf Euro. Ich prangere das an.

Dass es auch anders geht, habe ich in Dänemark erfahren. Die Dänen scheinen nicht nur einen ausgesprochen guten Geschmack für exzellente Biere zu haben, sie brauen auch selbst hervorragende Sorten und bieten in jedem größeren Supermarkt ein Sortiment an nationalen und internationalen Bieren zu bezahlbaren Preisen an (1,50 bis 2,00 Euro pro Flasche) – aus Deutschland, der Tschechischen Republik, Belgien oder Großbritannien. Warum das in einem so vergleichsweise dünn besiedelten Land mit seiner viel ländlicheren Infrastruktur geht und bei uns nicht, ist mir ein Rätsel.

Beim Einkauf in einem dieser Supermärkte während des jüngsten Jahreswechselurlaubs stieß ich nun auf eine junge schottische (!) Biermarke, deren Produkte mich absolut überzeugten. Die frech benannten und gelabelten Biere – sie heißen »Trashy Blonde«, »Hello My Name is Ingrid«, »Sink the Bismarck« oder »There Is No Santa« – werden von der Brauerei BrewDog in Fraserburgh, 65 km nördlich von Aberdeen an der Ostküste Schottlands, ausschließlich aus feinsten natürlichen Zutaten und ohne künstliche Zusätze gebraut. Als die beiden Gründer, James Watt und Martin Dickie, 2006 ihr Bier-Startup aus der Taufe hoben, waren sie beide gerade 24 und hatten die Nase voll von dem Trend zu immer weichgespülteren, langweiligen, minderwertigen oder mit Süßstoff, Zucker und Aromastoffen versetzten Industriebieren. Im April 2007 verließen die ersten selbstbefüllten Flaschen die Fabrik der beiden Braupioniere. Und was sie da fabrizieren, schmeckt absolut fantastisch. Ich habe aus Dänemark einen kompletten Kasten, fast ausschließlich mit meinem derzeitigen Lieblingsbier »Punk IPA«, importiert.

Auf den Etiketten verkündet BrewDog den eigenen Anspruch und die damit verbundene Mission – provokant und selbstbewusst:

You probably don’t know about beer.
You don’t understand beer. You don’t know what good beer is or how truly pathetic mass-market beers are. This is condemningly ironic considering how much beer we drink in the UK.
Would you apply the same lack of care, knowledge and passion in other areas of your life?
What does this say about you?
Maybe you want to define yourself with bland, tasteless lowest common denominator beer.
We won’t have any part of it.
It’s not all your fault. Constrained by lack of choice. Seduced by the monolithic brewers huge advertising budgets. Brain-washed by vindictive lies perpetrated with the veracity of pseudo-propaganda. You can’t help being sucked down the rabbit hole.
At BrewDog we are on a mission to open as many people’s eyes as possible.
The UK beer scene is sick.
And we are the doctor.

(Etikettentext »Trashy Blonde«)

This is not a lowest common denominator beer.
This is an aggressive beer.
We don’t care if you don’t like it.
We do not merely aspire to the proclaimed heady heights of conformity through neutrality and blandness.
It is quite doubtful that you have the taste or sophistication to appreciate the depth, character and quality of this premium craft brewed beer.
You probably don’t even care that this rebellious little beer contains no preservatives or additives and uses only the finest fresh natural ingredients.
Just go back to drinking your mass marketed, bland, cheaply made watered down lager and close the door behind you.

(Etikettentext »Punk IPA«)

Ich unterschreibe das.

(Bezugsquellenangaben für die Großräume Hamburg und Berlin in den Kommentaren sind mehr als willkommen. Mein Vorrat wird nicht lange reichen …)

BrewDog_Box
Foto: © formschub

7 Kommentare

  1. OK, 15 bzw. 11 DKK *sind* günstig. Für die dänischen Gourmet-Spezialitäten (BeerHere, Mikkeller, Hornbeer etc) haben wir nämlich gerne auch mal 70 DKK bezahlt…
    Brewbaker IPA gab’s übrigens auch schon mal im Bierland… 😉

  2. Daß das Bier nun ausgerechnet in Dänemark bezahlbar sein soll, überrascht mich schon ein bißchen; meine Erfahrung ist da eine andere! (Meine Theorie ist, daß dieser traditionell hohe Bierpreis sogar einen Grund dafür liefert, daß sich eine so aufregende Brau-Szene entwickeln konnte; der Aufpreis von Industrieplörre zu Handwerkskunst war gefühlt sehr viel geringer, als er das hier in Deutschland sein müßte bzw. ist)
    Zu BrewDog: die haben vor einem knappen Jahr mit einigem Aufwand (und nicht vollkommen erfolglos) versucht, im Bierfachhandel (dazu später mehr) und in der Szene-Gastronomie einen Fuß in die Tür zu kriegen – und dann ist ihnen leider der Geschäftspartner in Deutschland abhanden gekommen, der, wenn ich mich recht erinnere, schlicht pleite gegangen ist. Seitdem sitzen wir BrewDog-mäßig weitgehend auf dem Trockenen. Gerüchten zufolge soll es aber jemanden geben, der den Import in etwas größerem Stil, als es die Spezialversandhändler leisten könnten, wieder aufnehmen will. Wir warten’s mal ab…
    (In Großbritannien ist BrewDog bei den gaaanz coolen Kids übrigens schon wieder weitestgehend unten durch, weil sich die Jungs ein paar Marketing-Stunts zu viel geleistet und auch sonst im Umgang ein bißchen arg juvenil agiert haben. Aber das nur am Rande.)
    In Hamburg gibt’s für Bierfachhandel eigentlich nur eine Antwort: Bierland Hamburg [1], Seumestraße 10 (U-/S-Bahn Wandsbeker Chaussee. Am besten die U1 nehmen und am Südende aussteigen). (Full disclosure: Ich arbeite da gelegentlich, war aber jahrelang Kunde und Fan, bevor ich sozusagen die Seiten gewechselt habe.) Dort gab’s, solange es denn lieferbar war, eben auch BrewDog. Was es immer noch gibt, und was Dir, gerade, wenn Du Punk IPA magst, schmecken könnte, sind z.B. die Biere von FritzAle [2] und Hopfenstopfer [3]. Schneider Weisse Tap 5 wär‘ auch noch ’ne Idee. Oder die Sachen von Freigeist aus Köln. Oder einer der Klassiker aus Belgien oder Großbritannien. Etcetera. Und damit soll’s mit Werbepause auch genug sein! 🙂
    Nur Mut, es tut sich was in der Bierszene in Deutschland. Klar könnte es schneller gehen, aber so ein Supertanker braucht eben seine Zeit, bis die Wende geschafft ist. Und gelegentlich darf man sich gerne vergewissern, daß die traditionellen Biere (Augustiner, Schlenkerla, Schneider Weiße, St. Georgenbräu, Rothaus, Alpirsbacher, Mühlenkölsch, Boltens Alt und und und) auch noch da sind und großartig schmecken.
    [1] http://www.bierland-hamburg.de/
    [2] http://fritzale.wordpress.com/
    [3] http://www.haeffner-braeu.de/Hopfenstopfer/

    1. Whoa, was für ein ausführlicher Kommentar, danke! Da spricht ein wahrer Bierfreund.
      Natürlich ist das (normale) Bier in Dänemark ein bisschen teurer als bei uns, eine Flasche für umgerechnet unter einem Euro wird man dort schwerlich bekommen. Aber dafür sind die besonderen oder importierten Biere eben auch wieder etwas preiswerter als hierzulande. Für die Flasche Punk IPA lag der reguläre Preis bei 14,95 DKK (2,01 EUR), zum Zeitpunkt meines Hamsterkaufes war es sogar gerade im Sonderangebot für 10,95 DKK (1,47 EUR). Für ein so gutes Importbier ist das geradezu geschenkt, finde ich.
      Vielen Dank für die Hintergrundinfos zu BrewDog, ich hatte mal via Facebook kurz Kontakt zu einem Importeur, der allerdings auf meine Anfrage hin angab, das Bier sei aufgrund von „Produktionsengpässen” derzeit in Deutschland nicht lieferbar. Das erschien mir damals schon als Begründung etwas dubios. Da der letzte Eintrag auf dieser Facebook-Seite aus dem Juni 2011 stammt, nehme ich an, sie ist dem genannten pleite gegangenen Importeur zuzuordnen. Schade, aber ich hoffe, die Gerüchte über einen Nachfolger werden sich bewahrheiten. (Und bei den coolen Kids mag an- oder abgesagt sein, was will, Hauptsache mir schmeckt’s …)
      An Deinen Biertipps werde ich mich gerne mal versuchen. Natürlich habe ich in meinem Blogartikel auch ein bisschen polemisiert, unter den deutschen Bieren sind durchaus sehr gute zu finden. Die erwähnten Augustiner und Schneider zum Beispiel, im Brauhausausschank (leider nicht in Flaschen erhältlich) trinke ich auch das schön malzige „Dunkle” von Paulaner sehr gern.
      Ich bin gespannt auf weitere Entwicklungen auf dem Biermarkt. Hauptsache, es kommen nicht noch mehr dieser unsäglichen Biermixes auf den Markt, die einer ganzen Generation nachwachsender prospektiver Bierkunden von Anfang an die Geschmacksknospen und damit den Sinn für wirklich gutes Bier verkleben … 😉

  3. Tolle Biere. War vor ungefähr einem Jahr mal auf einer Verkostung, da hat einer der Brauereigründer das Bier hier vorgestellt. Eine gute Sache. Im Laden habe ich das allerdings auch nie gesehen; sollte eher im gehobenen Handel und Gastronomie vertreten sein. Bin sicher, die antworten Dir direkt.
    Auch toll, bei Interesse an etwas anderen Bieren: Braufactum.
    Prost!

    1. @bosch: Von Braufactum hab ich gerade zu Weihnachten mal ein 8-Flaschen-„Piccolo”-Probierset bestellt. Mal sehen, was die Verkostung erbringt. Wobei diese Marke ja schon eher versucht, in Preis und Habitus dem Wein Konkurrenz zu machen, sowas kann man sich nicht alle Tage leisten …
      Bei meiner Webrecherche habe ich noch eine interessant anmutende junge Brauerei in Berlin ausfindig gemacht, die auch ein IPA produziert: Brewbaker. Deren Philosophie und Sortiment liest sich sehr interessant, beim nächsten Berlinbesuch werde ich unbedingt mal versuchen, ein paar Flaschen davon aufzutreiben.

  4. Ich bin ja auch weder Bierkenner noch ein großer Biertrinker, aber wenn schon, dann sollte es schmecken. Deshalb gebe ich Dir völlig recht, was das Bierangebot in deutschen Landen angeht.
    Sobald eine Bezugsadresse gefunden ist, würde ich mir – schon allein zum Ausprobieren – auch mal so ein Genussfläschchen bestellen. 🙂
    Lieben Gruß
    moni

  5. Das klingt toll! Ich trinke zwar selten Bier, stelle aber immer wieder fest, dass das nicht am Bier im Allgemeinen liegt, sondern an den Marken, die ich trinke…. Daher kann ich dir leider nicht weiterhelfen, warte aber mit dir gespannt auf die Bezugs-Tipps deiner Leser! 😀

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