Serviervorschlag. – Foto: Acabashi via Wikimedia Commons | Lizenziert unter CC BY-SA 4.0
Wohl jeder, der gerne essen geht oder selber kocht – auch für Gäste –, kennt sicherlich mindestens eines der beiden unschönen Szenarien, mit denen man nicht nur Freunde oder Bekannte zutiefst enttäuschen kann, sondern auch selbst vor (Fremd)scham am liebsten im Boden versinken würde:
- ein vollmundig angekündigtes, selbstgekochtes Mahl für Besucher misslingt so grandios, dass man es als ungenießbar bezeichnen muss, oder
- eine in hohen Tönen vom Gastgeber gelobte Spezialität oder ein empfohlenes Restaurant entpuppt sich, ausgerechnet zum verabredeten Zeitpunkt, als absolute Katastrophe mit verdorbenem oder schlecht zubereitetem Essen, miesem Service oder anderen Unglücksfällen.
Ich erinnere mich gut an einige dieser Ereignisse und obwohl die meisten schon lange zurück liegen, haben sie sich tief in meine Genießerseele eingebrannt. Von einem möchte ich heute berichten.
Es war noch zu Zeiten meines Studiums, als ich begann, als noch unerfahrener, aber ambitionierter »Junghobbykoch« eine aufwendig bebilderte Kochbuchreihe zu sammeln: großformatige Bände, durchgehend farbig bebildert, mit aufwändigen Fotos und herrlich angerichteten Speisen. Jeder Band widmete sich unter der Überschrift »Eine kulinarische Reise« einer bestimmten Länderküche, man bekam schon beim Ansehen Lust, auf fremden Märkten einzukaufen und die abgebildeten Köstlichkeiten genauso verführerisch nachzukochen.
Aus dem Band »Amerika« wählte ich »Chili con Carne«, in einer angeblich authentisch texanischen Variante. Mehrere Gäste wollte ich mir dazu einladen – einige Mitstudenten und Freunde – und den Termin für das originalgetreue Essen bewusst auf einen Abend am Wochenende legen, damit auch zwei Freundinnen aus Hamburg und Marburg anreisen konnten.
Der große Abend war gekommen, alle Zutaten eingekauft und ich machte mich ans Kochen. Noch während ich in der Küche werkelte, trafen die Gäste ein. Ich schnibbelte, rührte und briet, möglichst alles genau nach Rezept. »60 Gramm Chilipulver« stand da – und ich wunderte mich zwar, dass das mehr als meine ganze Dose sein würde, aber ein bisschen Feuer sollte es ja haben, das Chili, und so kippte ich das rote Pulver beherzt in die appetitlich auf dem Herd blubbernde Masse – zwar etwas weniger als im Rezept angegeben, aber eine minder pikante Würzung, so dachte ich, käme ja deutschen Gaumen entgegen.
Bald wurde der Tisch gedeckt und die Gäste bekamen Wein und das vermeintlich authentische Opus serviert. Schon nach wenigen Löffeln wurde es stiller am Tisch. »Boah, ist das scharf!« war die erste Meldung. Was da ausgesprochen wurde, hatte ich auch gerade gedacht. »Ey, wieviel Chili ist denn da dran?« – »50 Gramm.« – »Ich glaub, das ist zu viel.«. Man verlangte nach Wasser, ich holte einen großen Krug. Mein Mund brannte. Bei Tisch wurden erste Diskussionen darüber geführt, dass Milch Schärfe schneller von der Zunge abführen könne als Wasser. Die Bestecke ruhten auf den fast vollen Tellern.
»Tut mir leid, aber das kann man nicht essen.« sprach der erste bei Tisch die bittere scharfe Wahrheit aus. Alle nickten, tranken Wasser, rangen nach Luft, mampften trockenes Weißbrot. Mein Kopf war inzwischen von der Schärfe so rot, dass meine hinzukommende Schamesröte nicht weiter auffiel. Wir räumten den Tisch ab. Ich erinnere mich nicht mehr, ob wir stattdessen noch Pizza bestellt hatten, damit wenigstens alle satt wurden, wohl aber, dass die Gäste von außerhalb, die bei mir übernachten mussten, am nächsten Morgen bestätigen konnten: »es brennt immer zweimal«.
So lernte ich meine Lektion, wie wichtig beim Kochen gewissenhaftes Abschmecken ist – insbesondere das letzte Mal kurz vor dem Servieren. Keine der damaligen Freundschaften zerbrach an dem Missgeschick, aber die Anekdote vom »Chili aus der Hölle« musste ich mir in den Jahren danach noch etliche Male anhören.
Nun gebe ich das Stöckchen an meine Leser weiter – was waren Eure größten Koch-Reinfälle, Restaurant-Debakel, Bewirtungs-Schlappen? Schreibt in die Kommentare, bloggt, postet bei Facebook oder Kurzes bei twitter und verlinkt es gerne hier – Hashtagvorschlag: #tellerpannen
Ich freue mich auf spannende Beiträge!
Meine Tellerpanne ist wohl zwanzig Jahre her, aber ich erinnere mich immer noch gut daran. An einem Sonntag im August fuhren wir über Land und entdeckten im Holsteinischen einen kleinen Gasthof mit überschaubarer Speisekarte. Es gab geschmorten Ochsenschwanz, also kehrten wir ein. Das Lokal war gemütlich, die Bedienung freundlich, und dann stellte der Kellner vier überdimensionale Terrinen auf den Tisch. Üblicherweise bereitet man die Ochsenschwanzscheiben zu und löst dann die Fleischteile aus. Üblicherweise nimmt man außer für die Suppe auch keine Endstücke, bei denen man mit dem spitzen Messer einzelne Fleischfasern rauspopeln muss. Diese Schüsseln waren bis obenhin mit einem Knochenberg angefüllt, und wir haben beim Essen vermutlich mehr Kalorien verloren als zu uns genommen. Der Ausflug endete jedenfalls an einer Imbissbude mit Fischbrötchen und Currywurst.
Igitt. Da muss ich an eine Touristenfalle in Budapest denken, wohl auch schon zehn Jahre her. Dort durfte ich das knorpeligste »Gulasch« probieren, das mir jemals serviert wurde. Und als Sahnehäubchen wurden noch die Kreditkartendaten abgefischt.
Ha, topaktuell, eine Panne, die sich just gestern erst ereignete: Wenn es schnell gehen muss oder auch sonst sehr gern, sind Spaghetti aglio, olio e peroncino ein Dauerbrenner, die entgegen des Originalrezepts hier mit ordentlich Petersilie in die Pfanne kommen. Schon beim Hacken der drei Kräuterbunde fiel mir ein eigenartiger Geruch auf. Ich schaute mir die Packungen nochmals an und, upps, da hatte sich doch einmal der äußerlich ähnliche Koriander eingeschlichen! Der Gatte plädierte für Entsorgen, ich für Ausprobieren. Ich setzte mich durch, hackte sicherheitshalber noch zwei Knoblauchzehen extra hinein und tatsächlich: Es tat dem Geschmack des Gerichts keinen Abbruch, sondern setzte eine ähm, leicht exotische Note! Und dann natürlich ordentlich Parmesan!
Aus der Geschichte gelernt: Auch unter Zeitdruck ist Lesen am Kräuterregal des Supermarkts von Vorteil.
Koriander gehört ja zu den Kontroverskräutern – die einen könnten sich drin wälzen (ich), die anderen sagen, es schmecke nach Seife und meiden ihn wie die Pest …
Ich finde, das Schönste, was passiert, wenn man regelmäßig kocht, ist die Ausbildung eines Gefühls dafür, ob ein Rezept oder eine Improvisation mit spontanen Zutaten geschmacklich funktionieren könnte und sich dann traut, es auszuprobieren. Wobei ich auch immer noch regelmäßig überrascht werde, wie vor einem Jahr in einem edlen Hamburger Sushirestaurant, wo man rohen Lachs als Sashimi mit einer Kaffee-Marinade servierte. Und es war göttlich!
Wie der Bruder meines Vater aus Madrid mit seiner Frau vor ein paar Jahren zu Besuch bei uns in München war, ich die tíos mit was ganz Typischem bekochen wollte, ohnehin stolz wie sonstwas war, dass sie zu uns nach Hause kamen, und wie meine Wahl auf köstliches Szegediner Gulasch fiel.
Erst als die armen Menschen bereits mit dem zweiten Löffel offensichtlich kämpften, aber aus Höflichkeit schlecht einfach mit Essen aufhören konnte, wurde mir klar, dass ein Fleischgericht mit Sauerkraut drin sehr wahrscheinlich die meisten Geschmackssinne der Welt, ganz bestimmt aber die mediterranen völlig überfordert. Ich habe verdrängt, ob und wie ich da wieder rausgekommen bin.
Das erinnert mich sofort an diesen Loriot-Cartoon …
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