#09 Lokale Mikrobrauereien und die »Systembolaget«-Geschäfte
Wer mir bei Facebook, Swarm oder Untappd folgt, wird bemerken, dass ich seit rund 10 Jahren an nahezu jedem Aufenthaltsort oft und gern die Gelegenheit nutze, lokale Craft-Beer-Pubs aufzusuchen und die dort gezapften Biere zu verkosten. Ebenso gerne suche ich in örtlichen Supermärkten oder Spirituosengeschäften nach interessanten Biersorten, die ich zu Hause erst dem Kühlschrank und anschließend mir selbst einverleiben kann. So auch dieses Jahr in Schweden.
Es ist übrigens ein sich hartnäckig haltender, aber inzwischen überholter Mythos, dass Alkohol in Schweden unfassbar teuer, ja sogar unerschwinglich sein soll. Korrekt ist, dass man alkoholhaltige Getränke mit mehr als 3,5% Vol. innerhalb Schwedens ausschließlich in den staatlich lizenzierten Geschäften namens Systembolaget erwerben kann. Alternativ ist es Schweden inzwischen auch gestattet, Alkoholika in anderen EU-Staaten per Mailorder zu bestellen, allerdings fällt für den Käufer darauf die (höhere) schwedische Alkoholsteuer an.
Durch inzwischen geänderte EU- und Zollbestimmungen sowie die teilweise Liberalisierung des Marktes haben sich jedoch die Preise für Bier, Wein, Sekt und Schnaps (öl, vin, bubbel och snaps) in den letzten zwei Jahrzehnten recht weit dem Niveau in Deutschland angenähert. Eine gute Flasche Rotwein ist im Systembolaget für umgerechnet etwa 8 EUR erhältlich, einen feinen Whisky bekommt man für 40–60 EUR und eine Flasche Craft Beer liegt um die 3 EUR – alles Preise, die auch in deutschen Läden fällig werden.
Hochwertige Produkte unterscheiden sich (…) nicht besonders vom deutschen Preisniveau. Champagner kostet in Schweden ungefähr so viel wie in Deutschland. Gute Weine und hochwertige Craftbiere sind sogar günstiger als in Deutschland. Das liegt an der Marktmacht und an den Mengen, die der schwedische Monopolhandel Systembolaget erzielt.
Quelle: www.schweden-tipp.de
Mein Eindruck ist sogar, dass der exklusive Verkauf der meisten alkoholhaltigen Getränke in den staatlichen Geschäften einen Vorteil hat: die Betreiber stellen ihr Sortiment offensichtlich auch nach Qualität zusammen, sie »kuratieren« sozusagen die Auswahl der Produkte, die sie in ihren Filialen anbieten. Das führt dazu, dass man in den Systembolaget-Läden überdurchschnittlich viele gute Weine, Biere und andere hochwertige oder besondere Alkoholika vorfindet. Es gibt zwar auch »gewöhnlichere« Marken, aber übergreifend scheint dort der Gedanke, Alkohol im wahrsten Sinne des Wortes als »Genussmittel« statt zum »Komasaufen« zu verkaufen, zu dominieren. Ich habe schon manchmal in den schwedischen Geschäften internationale Weine oder Spirituosen entdeckt, die ich später in Deutschland nach der Rückkehr aus dem Urlaub online »nachgekauft« habe, weil sie mir so gut geschmeckt haben.
Ein anderes »Highlight« der Systembolaget-Filialen ist, dass sie auch oft die Produkte von Produzenten aus ihrer Region in das Sortiment aufnehmen, die man schon einige Kilometer weiter nicht mehr in den Regalen vorfindet. So wird man z.B. auf Biere oder Brände aufmerksam, die man ohne intensive Netzrecherche nach lokalen Anbietern von Bier oder anderen Spirituosen gar nicht entdeckt hätte.
So geschehen z.B. im Systembolaget des südschwedischen Städtchens Emmaboda mit gerade mal 4.800 Einwohnern: im Bierregal des Ladens fand sich ein gutes Dutzend Craft-Bier-Sorten der örtlichen »Emmaboda Bryggeri«, die sofort zur Verkostung im Warenkorb landeten – und uns nicht enttäuschten. Vom Vor-Ort-Besuch bei der Karlskrona Mikrobryggeri hatte ich ja bereits in Beitrag #07 dieser Serie berichtet. Wir hätten auf unserer Urlaubsroute vom Ankunfts-Fährhafen zur Unterkunft (Göteborg – Karlskrona) noch etliche Brauhäuser und Biere, z.B. von Bryggeri Skeppsgossen, Sad Robot, Spike, Vega, Naked Rabbit oder Nättraby Kvartersbryggeri testen können. Aber so ein Urlaub ist ja leider erfahrungsgemäß immer zu kurz.
Foto: © T. Bregenzer