»Je dois peut-être aux fleurs d’avoir été peintre.«
(Claude Monet)
»Vielleicht verdanke ich es den Blumen, dass ich Maler geworden bin.«
Auf meinem Balkon wächst dieses Jahr eine der Zucchini verwandte Pflanze, ein sogenannter »Melonenkürbis«. Ich hatte 2021 eine dieser in Osteuropa beliebten Früchte, geerntet im Garten seiner Eltern, von einem Freund geschenkt bekommen und die Samen entnommen und getrocknet. Sie wird wohl keine Früchte ausbilden, denn die beiden anderen Pflanzen daneben, die ich zwecks Bestäubung mit ausgesät hatte, sind eher kümmerlich geraten und entwickeln sich nicht mehr nennenswert weiter. Diese eine aber wächst und gedeiht und hat sogar einige schöne Blüten ausgebildet. Die Knospen sind wunderschön gezwirbelt (siehe Bild 1) und entfalten sich jeweils nur für einen einzigen Tag zu einem leuchtend orangegelben Stern, ehe sie wieder in sich zusammenfallen.
Die Natur gibt sich ja generell optisch ziemlich viel Mühe mit allem, was sie so hervorbringt – gerade und insbesondere bei blühenden Pflanzen. Dabei ist es ihr auch egal, wie lange die Schönheit andauert. Man könnte fast meinen, sie ist eine Perfektionistin. Schon vor dem Erblühen gibt es zahllose kreative Knospenformen, in denen Blütenblätter auf ihre Entfaltung warten: geschraubt (Bild 2), korbförmig (Bild 3 und 7), umeinandergewickelt (Bild 4), übereinandergeschichtet (Bild 5) oder tütenförmig gefaltet (Bild 6). Man könnte meinen, der Natur nachzueifern würde bedeuten, sich immerzu und jedesmal etwas tolles Neues einfallen lassen zu müssen. Alles muss wohlgeformt sein, makellos, harmonisch strukturiert. Wenn man aber genau hinschaut, gibt es auch Knospen, deren Innenleben ziemlich dahingeschludert wirkt, zum Beispiel bei der Mohnblume (Bild 9). Wie eine zerknüllte Brötchentüte wirken die roten Blütenblätter, ohne Form und Struktur in die haarige Hülle gestopft, als ob die Natur keinen Bock mehr hatte und dachte »Meh, Vielfalt hin, Perfektionismus her, ich lass’ das jetzt so.« Und trotzdem sind auch diese Knospen wunderschön. Vielleicht ist es das, was man von der Natur lernen kann: Perfekte Dinge müssen nicht makellos und fehlerfrei sein. Es reicht völlig, wenn man in ihnen etwas Schönes erkennen kann.