Als ich heute Altpapierkartons zerkleinerte, Überreste der jüngsten Paketzustellungen online bestellter Weihnachtsgeschenke, fiel aus einem der Kartons ein kleines Kärtchen zu Boden. »Folge mir auf Instagram«, stand darauf. Nicht gewöhnt, von solchen Zetteln geduzt zu werden, ergänzte mein Hirn ein »…, Baby!« am Ende und ich fand, das klingt ein bisschen wie ein Anmachspruch, den jemand meiner Generation »jungen Leuten« zuschreiben würde. Ich fragte mich, ob es inzwischen wohl schon Schlager gibt, deren typische, liebesseichte Texte auch das heute selbstverständliche, permanente Online-Sein, Social Media und andere digitale Errungenschaften aufgreifen. In meinem Kopf begann eine Melodie im Stil eines Songs von Andreas Dorau zu spielen, andere Hirnzellen steuerten stilistisch passende Textfragmente bei und voilà – so in der Art könnte ich mir dergleichen vorstellen:
Ich hab Dich zuerst auf TikTok gesehn,
(oh Baby Baby)
Du performtest mega und warst wunderschön.
Ich ging auf Insta, um mich abzulenken,
doch dauernd musste ich an Dich denken.
Ich traute mich nicht, Dir ein Like zu geben,
(oh Baby Baby)
dies Gefühl hatte ich noch nie im Leben.
App auf, App zu, was ist nur gescheh’n?
Wie konntest Du mir nur so den Kopf verdreh’n?
Folge mir auf Facebook, Baby!
Teile meine Story, Sugar!
Gib mir einen Comment, Honey!
Klick mich an, das ist kein Scherz,
setz’ ein Bookmark für mein Herz.
Ich bin sonst nicht schüchtern, doch Du haust mich um,
(oh Baby Baby)
seh’ ich Dein Profilbild, macht mein Herz Boom-Boom.
Vorhin hab ich endlich auf »Follow« geklickt,
Du hast akzeptiert, das macht mich verrückt!
Ich hab Dir geschrieben: Willst Du ein Date?
(oh Baby Baby)
Ich schau’ voll nervös auf mein Endgerät.
Wo bleibt Deine Antwort, willst Du mich nicht seh’n?
Der Traum meines Lebens wär, mit Dir zu gehn.
Schreib mir eine Message, Baby!
Fave meine Postings, Sugar!
Verlinke mich auf Twitter, Honey!
Klick mich an, das ist kein Scherz,
setz’ ein Bookmark für mein Herz.
Die Tage vergehen, ohne dass Du mir schreibst,
(oh Baby Baby)
Du postest auch nichts, ich frag’ mich, wo Du nur bleibst.
Heut steht auf Deiner Page: Du warst gar nicht echt,
bist nur ein Deep-Fake-Girl – und mein Herz zerbricht.
Ich verlasse Facebook, Baby,
lösche mich auf Insta, Sugar,
gehe nie mehr online, Honey.
Mein Traum war nur ein Cyber-Scherz,
ich lösch’ mein Bookmark für Dein Herz.
♪♫ Du willst mich faven / aber das geht mir zu schnell ♪♫