Der anhaltende und sogar noch etwas auffrischende Wind war es, der die Wanderroute für den heutigen Tag quasi alternativlos machte: in der Nähe des kleinen Fischerdörfchens Vang ist die Westküste der Insel steil und schroff und eine Felsformation namens »Jons Kapel« markiert dort einen besonderen Anziehungspunkt für Wanderer und Touristen. Die Klippen sind nach einem Missionar, Prediger und Einsiedler benannt, der die Höhlen dort bewohnt haben soll. Jo(h)n war ein Mönch aus Irland, der im frühen Mittelalter nach Bornholm kam und sich der Legende nach in den Höhlen an den Klippen niederließ, die später seinen Namen tragen sollten:
Heute führt eine 171 Stufen lange Treppe die Klippen der Bornholmer Westküste hinab zur Predigerkanzel genannten Felsformation. Von dort aus soll der Prediger zu den Bornholmer Fischern (damals noch Heiden) gepredigt und Ihnen den Segen mit auf See und zu ihren Fischfahrten gegeben haben. Weiter in Richtung Süden findet man drei Höhlen, in denen er gelebt haben soll. Eine Höhle nennt sich der Kirchenraum oder die Kapelle. Die anderen Höhlen tragen Namen wie Speisekammer, Sakristei, Esszimmer und sogar Schlafzimmer – eine ganze Wohnung also für den Mönch.
Quelle: bornholm-ferien.de
Vor Beginn der Wanderung machten wir zwecks Einkauf für die Abendverpflegung noch einen Abstecher zum etwas abgelegenen Hofladen »Hallegaard«, der nicht nur ein außergewöhnlich schönes Logo, sondern auch hervorragende Fleisch- und Wursterzeugnisse von Tieren aus eigener Haltung anbietet. Zwei schöne T-Bone-Steaks sollten es sein, dazu besorgten wir noch Karotten für ein feines Ofengemüse. Das alles wurde in einer Kühltasche deponiert und zurück ging’s zum Ausgangspunkt der Wanderung.
Schon auf dem Weg zu Jons Kapel kamen wir an felsigen, steilen Abhängen vorbei, über denen zahllose Möwen und andere Vögel im Wind segelten. Ich habe oft an solch stürmischen Tagen das Gefühl, dass manche Vögel, obwohl sie ja vom Flüggewerden an nichts anderes kennen, ihre Fähigkeit zu fliegen noch einmal ganz besonders genießen und ihnen dabei zusehen zu dürfen, macht mich fast schon ein bisschen neidisch.
In dieser Jahreszeit ist die Insel überall üppigst am Blühen. Die Schlehenbüsche, noch ganz ohne Blattgrün, besten vor kleinen weißen Blüten, man sieht Veilchen, die purpurnen Schöpfe des Knabenkrauts, Sumpfdotterblumen, Raps, Löwenzahn, Buschwindröschen, blühende Kirsch- und Apfelbäume, Taubnesseln und Vergissmeinnicht. Im Frühling und Frühsommer ist Bornholm ein Paradies.
An Jons Kapel angekommen, verwunderte uns, dass keine anderen Besucher den Weg an diesen besonderen Punkt gefunden hatten. Der Himmel war strahlend blau, die Böen peitschten das Meer gegen die steil aufragenden Felsen und auch hier segelten die Möwen im Wind. Gute zehn Minuten standen wir allein unten am Fuß der hölzernen Stiegen und auf den zugänglichen Felsvorsprüngen, ehe sich ein einzelnes weiteres Wandererpaar näherte. Aber da hatten wir schon genug gesehen und fotografiert und machten uns an den (ächz!) etwas anstrendenden Aufstieg vom Ende der sehenswürdigen »Sackgasse« zurück auf die Wanderroute.
Die Rückkehr zum Parkplatz am Ende der Strecke war nur noch einige hundert Meter weit und von dort aus (ratet!) fuhren wir schnurstracks zurück in den Unterkunftsort, um unserer »Stammkneipe« den obligatorischen Belohnungsbesuch nach dieser heute 7,1 km langen Tour (Komoot-Link) abzustatten. Mittlerweile erkannte man uns schon wieder und das Personal freute sich sichtlich über die angehenden Stammgäste.
Wieder daheim, machten wir uns an die Zubereitung des Essens, die aufgrund der naturbelassenen Zubereitung schnell erledigt war. Noch etwas Kräuterbutter wurde angerührt, dazu ein Bärlauch-Dip für die Ofenkarotten und nach knapp 40 Minuten konnte serviert werden. Im Heimkino lief heute »The Favourite«, den ich vor gut zwei Jahren schon einmal auf Englisch gesehen hatte, aber gerne auch noch einmal in der deutschen Fassung sehen konnte.
Danach, noch gefühlt mit dem Wind in den Haaren, ins Bett.