Während eines der Frühstücke in den letzten Tagen erwähnte ich bei Tisch, dass ich mich noch an eine Bornholm-Wanderung erinnern könne, bei der man von einem bewaldeten Höhenzug über eine hölzerne Stiege hinab auf einen Pfad durch ein Sumpfgebiet stieg, und die mir damals so gut gefallen hatte, dass ich sie gern einmal wiederholen würde. Das ließ sich der Mann nicht zweimal sagen und so bekam diese Tour heute eine Wiederauflage.
Ich muss ohnehin anmerken, dass die kompletten Credits für die Tourenplanung beim Mann liegen. Es macht ihm Spaß, Anfahrt, Wegführung und Endpunkt für die Einkehr auszuknobeln und ich bin ein bereitwilliger und unkritischer Nutznießer und genieße es, einfach nur mitzulaufen oder höchstens hier und da im Voraus eine Anregung (»am liebsten was mit Wald« oder »gerne mal wieder eine Radtour«) einzubringen.
Für heute hatte ich mir vorgenommen, am Wegesrand, im Wald und auf den Wiesen einmal nach Wildkräutern Ausschau zu halten. Der Speiseplan für den Abend sollte sich zwar erst nach der Wanderung je nach Angebot im Supermarkt klären, aber ein gesunder Beilagensalat passt ja so ziemlich zu allem und so nahm ich einen Leinenbeutel zum Sammeln mit.
Die Wanderung zeigte sich genauso kurzweilig und naturnah, wie ich sie in Erinnerung hatte, das Wetter war perfekt (ohne Bewegung im T-Shirt eine Idee zu kühl, aber sowie man »in Wallung kam«, genau richtig) und erneut begegneten wir auf der gesamten Strecke von gut 9,3 km (Komoot-Link) nur einer Handvoll Menschen. Es ist immer wieder angenehm, wie weitläufig sich die anwesenden Wanderer und Touristen auf dieser Insel abseits der »Hot-Spots« verteilen. Natur braucht Stille.
Unterwegs gab es wieder viel zu sehen: einen Findling, der von einer bestimmten Seite aussah wie ein Kleinwagen aus den 1960ern, eine Ruine aus dem 12. Jahrhundert, mehrere Brücken, Flüsse/Bäche und kleine Seen, eine Gänsefamilie (leider kein Foto, da sie bei unserer Annäherung sofort flüchtete), idyllische Baumkronentunnel im Wald, steile Felswände und hölzerne Stege über die sumpfigen Wiesen. Und tatsächlich konnte ich meinen Kräutersammelplan bequem »en passant« in die Tat umsetzen. Die Ernte umfasste Bärlauch, Sauerampfer, Sauerklee, Brennnesseln, Löwenzahnblüten und -blätter, Veilchenblüten, Gänseblümchen, Giersch, Wiesenschaumkrautblüten, Knoblauchsrauke und Spitzwegerich. Gut 300 g hatte ich letztendlich im Beutel, das sollte reichen für eine gesunde Menübegleitung.
Vor der »Bierbelohnung« stand noch der Einkauf fürs Abendessen. Wir einigten uns auf eine vorgewürzte TK-Brathähnchenpfanne mit Erbsen- und Möhrengemüse, ich entdeckte im Supermarktregal für lokale Delikatessen noch ein Glas Bärlauch-Bier-Senf zum Export nach Deutschland und anschließend kehrten wir nochmals im »Ølstauan«-Pub ein, wo der Wirt uns inzwischen nicht nur wiedererkannte, sondern aufgrund unserer jüngsten Smørrebrød-Reservierung sogar mit Namen ansprach. So sindse, die Bornholmer.
Das Essen daheim war dann schnell zubereitet. Den Salat (alles roh, nur die Brennnesseln wurden kurz blanchiert) wendete ich in einer Vinaigrette aus Olivenöl, Balsamico, Sanddornsenf, Salz, Pfeffer, einer Prise Zucker und etwas Mayonnaise als Emulgator. Er schmeckte durchaus herb (Löwenzahn, Wegerich), aber auch würzig (Bärlauch, Knoblauchsrauke) und säuerlich (Ampfer und Klee). Das mache ich jetzt während der Wildkräutersaison bestimmt öfter mal.
Für die parallele Unterhaltung zum Abendessen wurde ein weiterer Science-Fiction-Klassiker aus den 1950er Jahren auserkoren: »Der Tag, an dem die Erde stillstand« (1951). Ein ausgesprochen gut gealtertes Werk, wie ich finde. Die Effekte sind bemerkenswert gelungen, so flüchten in der Landeszene des UFOs zu Beginn des Films, gefilmt als Luftaufnahme, viele echte Statisten in alle Richtungen – die Bildmontage vollzog sich somit nicht, wie sonst häufig, in einem Standbild, sondern in einer bewegten Szene, und der Schattenwurf der fliegenden Untertasse passt exakt zum Einfallswinkel des Sonnenlichts auf die realen Gebäude und Objekte. Der Außerirdische, Klaatu, bedient und steuert sein Raumschiff mit berührungslosen Wischgesten, die Ablehnung und Skepsis der Erdbewohner gegenüber dem Neuen und Unbekannten sowie der Wissenschaft und ihre Unbelehrbarkeit bezüglich Aggression und Kriegsführung wirken ungebrochen aktuell. Eins der Zitate der Filmfigur Professor Barnhardt könnte man sogar heute noch 1:1 auf die Corona-Pandemie oder die Klimakrise beziehen:
»Wären Sie bereit, mit Wissenschaftlern der ganzen Erde zu verhandeln? Diesem Gremium könnten Sie Ihre Vorschläge unterbreiten. Und von den Gelehrten würde es den einzelnen Völkern dann übermittelt. [fährt nachdenklich fort] Nur Wissenschaftler dürften wohl kaum genügen. Man hat uns leider zu oft ignoriert oder missverstanden.«
(Transkript aus der deutschen Version des Films)
»Would you be willing to meet with a group of scientists I’m calling together? Perhaps you could explain your mission to that and they in turn could present it to their various peoples. [fährt nachdenklich fort] It’s not enough to have men of science. We scientists are too often ignored or misunderstood.«
(Transkript aus der englischen Originalversion des Films)
Über all den Unternehmungen war es spät geworden, erst kurz nach ein Uhr war heute Zubettgehzeit. In der Nacht: ein Traum von einem Besuch auf der re:publica, deren Traumversion der Veranstaltungs-App eine ausgesprochen wirre und fehlerhafte Benutzerführung aufwies, so dass ich mich auf dem Gelände und in den Räumlichkeiten verirrte und die gesuchten Hallen und Panels nicht finden konnte. Nach meiner Besuchserfahrung aus dem letzten Jahr ziemlich unrealistisch – und somit beunruhigte mich der Traum nicht sonderlich.