Auf der Bahnfahrt im IC von Hamburg Richtung Amsterdam. Der Zug auf dem ersten Streckenabschnitt bis Osnabrück ist ziemlich durchreserviert, deshalb nehme ich an einem leeren Tisch im nur leicht besetzten Bordbistro Platz. Kurze Zeit später kommt ein männlicher Schwarzer Mensch an den Tisch und nach seiner fragenden Geste und meinem Zunicken nimmt er Platz und beginnt, eine Mahlzeit einzunehmen.
Dann betritt der Kontrolleur den Bereich und prüft die Tickets der anwesenden Passagiere. Als er den Mann mir gegenüber nach der Fahrkarte fragt, deutet dieser in Richtung des Wagens hinter sich und sagt in leicht gebrochenem Deutsch »Meine Frau hat die Karten«. Daraufhin der Kontrolleur: »Sieht die auch so aus wie Sie? Ich meine, ist die auch so verbrannt im Gesicht? ’Tschuldigung, ist nicht so gemeint …« und lacht jovial. Ich bekomme vor Verblüffung nur »Na, das war ja jetzt richtig lustig.« heraus und verdrehe die Augen in Richtung meines Tischgenossen, der mich nur resigniert lächelnd ansieht und eine abwinkende Handbewegung macht.
Als der Bahnbedienstete den Wagen verlassen hat, komme ich mit meinem Gegenüber auf Englisch für eine runde halbe Stunde ins Plaudern und erfahre, dass er der Vorsitzende der Handelskammer Surinames ist und an den Tagen zuvor in Hamburg in offizieller Mission mit lokalen Politikern zusammentraf und unter anderem das Airbus-Werk besichtigte. Darüber hinaus ist er Inhaber einer Goldmine in Suriname und war nun auf dem Wege in die Niederlande, um dort Verwandte zu besuchen.
Ich hoffe, dort wird er respektvoller behandelt. Ich schäme mich.
(Der Vorfall wird von mir an zuständige Stellen berichtet werden.)
Update: Weder mein Befremden und meine Scham noch meine Initiative zur Weiterleitung dieses Vorkommnisses stehen in Bezug zu Status, Beruf oder Funktion dieses Fahrgastes, ich hätte ohne Kenntnis dieser Details genauso reagiert. Den Gesprächsinhalt habe ich lediglich wiedergegeben, um den Fortgang meiner Begegnung mit ihm zu schildern.