Ein paar Lenze ist es auf jeden Fall her, als ich diesen Cartoon zeichnete, den ich eben in einem Kuvert auf dem Dachboden fand. So etwa 1985 muss es gewesen sein. Gesucht (und gefunden) habe ich eigentlich eine selbstverfassten Text, ebenfalls aus jener Zeit – aber das wird eine andere Geschichte.
Der in Toronto lebende Philip Villeneuve hat für seine Tanzleidenschaft quasi den »Solo-Flashmob« erfunden (wenn man von den kurzen Gastauftritten seiner Freunde absieht). Scheinbar öde öffentliche Orte, wie die U-Bahn oder ein Supermarkt, macht er auf herrlich sympathische Art zu seiner Showbühne. Ich finde, das macht einfach sofort gute Laune.
Zum Handkusse beugt sich der Herr ruhig über die ihm dargereichte Hand, nimmt sie ohne Druck zart an den Fingergelenken, hebt sie ein wenig, ohne sie abzubiegen, und berührt sie an den Fingerwurzeln oder dem Handrücken mit geschlossenen Lippen leicht und lautlos. Die Hand langsam freigebend, richtet er sich leicht wieder auf und schaut die Dame verbindlich an. (…) Die Dame hat das Recht, den Handkuß eines Herrn abzulehnen, darf ihn dann aber auch keinem andern anwesenden Herrn gewähren. Die Ablehnung muß jedoch in liebenswürdiger Form durch leichten Gegendruck der Hand der Dame gegen das Bestreben des Herrn, ihre Hand an die Lippen zu führen, geschehen. Also muß dieser sanfte Widerstand einsetzen, bevor die Hand richtig erhoben wurde, denn eine Verhinderung des Handkusses im letzten Augenblick wäre ungezogen. (…)
Man vermeide es, aus dem Handkuß eine theatralische Geste zu machen.
Quelle: »Der gute Ton in allen Lebenslagen«, Dr. Walther von Kamptz-Borken (1951)
Für ein paar Tage durfte ich es mal wieder tun – einen privaten Kurztrip (in geschätzter Begleitung) in die britische Hauptstadt unternehmen. Das Wetter dort war trüb und kalt, aber trocken, so dass meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Erkunden der Stadt per pedes und Tube, nichts im Wege stand. Eigentlich war ich willens, ein wenig zu shoppen, doch zur Form- und Farbgebung der aktuellen Herrenoberbekleidung und Schuhmode im Angebot der aufgesuchten Geschäfte fand ich diesmal keinen rechten Zugang (teils auch nicht zur Preisgestaltung, aber das kennt man ja von London). Zudem bot das graue Wetter wenig fotogenes Licht für schöne Schnappschüsse, weshalb auch das Fotografieren nahezu unterblieb.
Fündig wurden meine Konsumsensoren in der Haushaltswarenabteilung des legendären Warenhauses Harrods, wo ich für meine ganz in grün ausgestattete Küche einen farblich passenden Zwiebelhacker der Firma Zeal und einen patenten Wechselsparschäler von Joseph Joseph erstand. Kochwerkzeug, und noch dazu so schönes, kann ich eigentlich immer gebrauchen.
A propos Küche: Essen und Trinken mussten wir natürlich auch auf unserer Reise. Von vergangenen Aufenthalten in London gab es zwar noch genug »Stammlokale« (z.B. Browns), die wir auch diesmal wieder hochzufrieden besuchten, aber auch ein paar neue Adressen beeindruckten uns nachhaltig:
Die mit drei Niederlassungen in der Stadt vertretene Pub-Kette The Draft House, die sich der Vielfalt globaler Bierkultur verschrieben hat und in einem sehr geschmackvollen Ambiente je Filiale etwa 20 Fassbiere und 30 Flaschenbiere aus aller Welt ausschenkt (wir besuchten diejenige am südlichen Ende der Tower Bridge). Für Bierfreunde auf jeden Fall ein lohnenswerter Ort!
Die zweite Entdeckung war das karibische Restaurant Mango Room, nicht ganz so zentral, aber dafür nur wenige Meter entfernt von der Tube-Station Camden Town gelegen und somit bequem mit der schwarzen Northern Line erreichbar. Und wieder einmal wurde das Vorurteil widerlegt, es gäbe in London keine hervorragenden und trotzdem preiswerten Restaurants. In dem nicht zu großen, gemütlich eingerichteten Lokal hat man durch die verglaste Fassade einen schönen Ausblick auf die belebte Kentish Town Road. Der Service war freundlich und hoch aufmerksam und das Essen war delikat – denn wenn ein Fan gebratener Entenbrust nach dem Genuss der Roast Honey and Ginger Duck Breast with Sweet Potato Crisps and Juniper Berries Jus diese zur besten jemals genossenen kürt, dann will das schon was heißen. Ich entschied mich für die Platter of Sea Bass, Grilled Tiger Prawns and Scallops with Papaya Sambale and Fried Cassava und wurde ebenfalls nicht enttäuscht. Besonders angetan war ich von den frittierten dicken Stäbchen Cassava (Maniok), so ganz anders als Pommes Frites: leichter, fluffiger, trotzdem knusprig und ausgesprochen lecker. Wurde sofort auf der To-Nachkoch-Liste vermerkt.
Damit London schließlich nicht gleich wieder kulinarisch verblasst, kamen ins Heimgepäck zum Schluss noch zwei kleine, typisch britische Melton Mowbray Pork Pies zum Aufbacken aus der unvergleichlichen Harrods Food Hall. Soeben, vor dem Verfassen dieses Blogbeitrags habe ich sie genossen – und damit sofort meinen Wunsch wiederbelebt, eine dieser köstlichen Pasteten einmal selbst zuzubereiten. Schon beim letzten London-Besuch hatte ich mir zu diesem Zweck ein opulentes Kochbuch gekauft, aus dem ersichtlich wurde, dass man sich für die Zubereitung entweder einen Tag Urlaub nehmen oder ein halbes Wochenende aufbringen muss – auch wenn das unten eingebundene, sehr anschauliche Video den Herstellungsprozess in nur 10 Minuten zu zeigen vermag. Das ist wahres Slow Food. Ach, London, Du schmeckst mir jedes Mal wieder.
Egal, ob sympathisch oder nicht, egal, welche Partei involviert ist, egal, was die Umfragen sagen, egal, ob das Thema inzwischen allen schon zum Hals raushängt, egal, ob einige Medien parteiisch sind, egal, ob nun alle Fakten auf dem Tisch liegen, egal, ob Umfragen »repräsentativ« sind, egal, ob es tatsächlich einen Ghostwriter gibt, egal, ob noch mehr unbelegte Zitatfetzen gefunden werden …
Aber dass so viele insgesamt dazu sagen »ist doch egal« – sollte das auch egal sein?
Mir ist es das nicht.
21 Das blödeste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast
Da muss ich nicht lange nachdenken: Siegfried Lenz, »Das Feuerschiff«. Ich habe mich selten durch einen Text so durchgequält – durchquälen müssen – wie durch diesen. Die Essenz der Lektüre war für mich pure Langeweile.
Doch ich habe auch schon beim Lesen anderer Werke ähnliche Probleme mit bestimmten Erzählcharakteristika gehabt: die nicht enden wollende Darlegung seelischer Befindlichkeiten (Anne Rice, »Engel der Verdammten«) oder das akribische verbale Abpausen der Beschaffenheit von Orten, Personen, Ereignisabfolgen und Gegenständen (ein Grund, warum ich vermutlich nie die Kraft hätte, Joyce’ »Ulysses« oder Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« durchzustehen). Ich bevorzuge »lückenhafte« Beschreibungen, die in wenigen, aber um so treffenderen Worten alles plastisch, eindringlich und nachvollziehbar umreißen und dabei Platz lassen für Phantasie und Kopfkino, keine endlosen, minutiösen Hergangs-, Personen-, Situations- und Gedankenprotokolle, wie Herr Lenz sie für meinen Geschmack in seinem Werk abliefert. Als Engländer würde ich sagen »(For me) it is about as exciting as watching paint dry.« Und ich bin da wohl nicht der Einzige. Sorry, Siegfried.
26 Ein Buch, aus dem du deinen Kindern vorlesen würdest
In den Bibliotheken der wechselnden Schulen, die ich im In- und Ausland besuchte, war ich nahezu täglich zu Gast. Jugendromane, Sachbücher, Science Fiction, Krimis, Fachliteratur und Quatschbände stapelten sich zu Hause neben meinem Bett. Nicht selten verlor ich den Überblick bei den Ausleihzeiträumen und bekam beim nächsten Besuch eine Mahnung verpasst. Einige Bücher jedoch hatte ich keineswegs aus Versehen, sondern mit voller Absicht in Dauerausleihe und verlängerte sie eins ums andere Mal, so lange die Büchereiregeln dies in Folge erlaubten.
Auch in der siebten Klasse gab es ein Buch, das ich nicht mehr hergeben wollte. Eins, das respektlos, übermütig und unglaublich fantasievoll mit Wörtern, Silben, Reimen und Sprache jonglierte – eine Neigung, die mich bis heute nicht loslässt. »Das Tingeltangeltrampeltier – Gesammelter Nonsens und gezeichneter Unsinn für Kenner und solche, die es werden wollen«, erschienen im Ueberreuter Verlag, zusammengestellt von Hildegard Krahé und illustriert vom famosen Kinderbuchbebilderer Rolf Rettich.
Hier eine Kostprobe aus dem überbordenden Werk, das unter anderem Beiträge von James Krüss, Josef Guggenmos, Friedrich Rückert, Christian Morgenstern, Bertolt Brecht, Joachim Ringelnatz und Heinz Erhardt versammelt. Also durchaus auch gehobenen Blödsinn:
Der verdrehte Schmetterling (Mira Lobe)
Ein Metterschling
mit flauen Bügeln
log durch die Fluft.
Er wurde einem Computer entnommen,
dem war was durcheinandergekommen:
irgendein Rädchen,
irgendein Drähtchen,
und als man es merkte,
da war’s schon zu spätchen.
Da war der Metterschling schon feit wort …
wanz geit …
Mit lut er teid.
Nun habe ich zwar selbst keine Kinder, die ich mit solchem Quatsch behelligen könnte, aber dafür einen äußerst aufgeweckten Neffen. Und für den habe ich genau dieses (vergriffene) Buch vor geraumer Zeit in einem Online-Antiquariat aufgestöbert. Ein bisschen werde ich noch warten. Aber sobald seine Lese- und Sprachkenntnis hinreichend herangereift ist, um sie mit Sprachspielen und -verwirrungen wieder zu unterwandern, wird der liebe Onkel das Tingeltangeltrampeltier ins Mitbringselgepäck überführen. Und bestimmt auch einiges draus vorlesen.
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