Autor: ProstetnikVogonJeltz

»Die Quintessenz des Staubes«

Was für ein schöner Titel für eine Ausstellung! Man könnte meinen, Max Goldt ersänne nun im Auftrag von Museen auch Namen für Expositionen. Beim Klang dieser Worte sehe ich eine ernst dreinblickende, grazile Kuratorin mit elfenbeinfarbenem Teint, die einen schlammfarbenen Hosenanzug und eine teure eckige Hornbrille trägt, sich beflissen Haarsträhnen hinters Ohr streichend durch gedimmte Hallen eilen und ehrenamtlichen Helfern Anweisungen zuwispern, wie gläserne Schaukästen mit sorgsam präparierten Wollmäusen auszuleuchten seien.

Tatsächlich jedoch handelt es sich um eine dokumentierende Retrospektive der 75jährigen Tätigkeit des Stadtarchivs Halle (Saale).

Etwas Interesse mag bleiben, doch der anfängliche Zauber verfliegt.

Staub
Photo detail: © akeg @ flickr.com (CC license granted)

Die Entdeckung der Langsamkeit

Personalmangel und Überlastung – so wird vermeldet (Update: Link aktualisiert) – führen immer häufiger zur verspäteten Zustellung von Briefen. Mit dem Relaunch ihres traditionsreichen Logos reagiert die Deutsche Post nun auf die Kritik von Kunden und Medien und will ihr Leistungsversprechen entsprechend neu positionieren.

Postlogo
(Gesehen an einem Briefkasten in Hamburg-Winterhude)

Bühnen-Bilder

Beim Schmökern in aktuellen Kulturprogrammen stolperte ich heute über eine Anzeige des Theaters Lübeck, die mir im Einerlei vieler sonstiger Veranstaltungshinweise angenehm auffiel. Die Idee, für jedes Stück der Spielzeit ein aufs Wesentliche reduziertes Piktogramm zu entwickeln, ist möglicherweise nicht neu, aber, wie ich finde, hier sehr schön umgesetzt. Mit ein bisschen Feinarbeit könnte die teilweise etwas uneinheitliche Detailtreue der Symbole zwar noch harmonisiert werden, aber es macht allein schon Spaß, zu raten, welches Stück sich hinter welchem Zeichen verbergen könnte.

Zum Mitraten hier in falscher Reihenfolge die Werke zu den abgebildeten Beispielpiktogrammen: Wiener Blut, Rigoletto, Der Steppenwolf, Evita, Die Zauberflöte, Penthesilea, Der Zauberberg, Salome, Die verkaufte Braut, Madame Butterfly, Tod eines Handlungsreisenden und Das Rheingold.

Für die Auflösung verweise ich auf die Website des Hauses, dort finden sich noch mehr Piktogramme, die bei jedem Seitenreload in ihrem Raster neu durchgemixt werden. Eingeführt wurde der plakative grafische Auftritt des Theaters bereits zu Beginn der Spielzeit 2007/2008 im Oktober vergangenen Jahres, vermutlich im Vorfeld des aktuellen Jubiläums der Spielstätte, die diesen Monat vor genau 100 Jahren – am 1. Oktober 1908 – eröffnet wurde.

Theater Lübeck
Piktogramme: © Theater Lübeck

Insolvent und Spaß dabei

Auf den bislang besten Beitrag zur aktuellen Finanzkrise stieß ich dieser Tage in einem 26 Jahre alten, längst vergriffenen Taschenbuch des argentinischen Cartoonisten Quino. Und damit mir ob dieses visuellen Zitats kein böswilliges copyright infringement unterstellt wird, füge ich als aufrichtiger Bewunderer der Kunst seiner spitzen Feder hinzu: Besucht seine Website und kauft seine Bücher – denn seine anderen Zeichnungen sind mindestens ebenso genial wie das hier.

Quino
Cartoon: © Quino

Zwischen Gold und Schwarz

Der Herbst ist da. Der Griff zu Heizungsthermostat, Warmwasserhahn und Lichtschalter wird wieder zur Routine, man erinnert sich der im Schrank hinten unten liegenden Wolldecke, sinnt vermehrt über Koch- und Backrezepte nach, verspürt Appetit auf Deftiges und schwer gedeckten Obstkuchen und erhöht den Anteil der Heißgetränke am täglichen Flüssigkeitskonsum. Und: Herbstzeit ist Lyrikzeit.

Klar, da denkt jeder an Rilke und seinen stürmisch-einsamen, goldbraunen Herbst (»Herr: es ist Zeit …«), aber es geht noch eine satte Nuance dunkler, grauer und trostloser. Hier ein Herbstgedicht des inzwischen fast vergessenen Schriftstellers Oskar Kanehl (1888–1929), dessen spröde Sprachgewalt mich ebenso fasziniert wie Rilkes Werk und das zum Zwecke erhöhter Beachtung heute der Beitrag zum gewählten Thema sei:

Herbstnächtlicher Gang
Naßkalte Nacht.
Wie weißschaumiger Aussatz
deckt Nebel das sündige Land.
An meiner Hand
wandert mein letzter Begleiter: der Schatten.
Hastig vorbei
gleiten, wie tanzender Leichenzug,
schwarzgerippige Bäume.
Frierende Tiere
hallender Hungerschrei.
Eine Mühle wie Galgenspuk.
Drohende Telegraphenlatten.
Mit dunkelblutigen Armen
winkt gierig das Wasser.
Und durch ein Leichentuch blinkt
rot umrandet, gequält,
wie ein entzündetes Auge
der Mond.

Und jetzt schnell ein Stück Rum-Trauben-Nuss-Schokolade und ein Kaffee mit Amaretto als Antidot gegen eventuell aufkommende Herbstmelancholie.