Kategorie: Außer Haus

Unterwegs in Stadt und Land, im Urlaub und auf Reisen

Steinpilz-Carpaccio

Dieser prachtvolle, makellose Steinpilz (ca. 20 cm groß), der keine 50 m von unserem schwedischen Ferienhaus entfernt unter einer Eiche wuchs, verdiente es, möglichst unverfälscht verzehrt zu werden. Das Rezept kann man durch die beliebige Kombination der dazu nötigen Zutaten ganz einfach variieren. Die Zutaten der für gestern abend gewählten Zubereitungsart habe ich im nachfolgenden Rezept unterstrichen.

Zutaten
Für 2 Personen

ca. 100 g frische, möglichst große, Steinpilze
2 EL Öl (gutes Olivenöl, Haselnussöl, Walnussöl oder Macadamianussöl)
1 EL aromatische Säure (Zitronensaft, Limettensaft oder Balsamicoessig)
2 EL einer Sorte frisches, gehacktes Kräutergrün (Petersilie, Basilikum oder Kresse)
2–3 EL dünn gehobelter Hartkäse (Parmesan, Pecorino oder schwedischer Västerbotten)
Salz
schwarzer Pfeffer

Die Pilze putzen, in ca. 2 mm dünne Scheiben schneiden und nebeneinander ausgelegt auf Portionstellern verteilen. Säure und Öl zu einer grobperligen Emulsion verrühren und über die Pilzscheiben träufeln. Mit Salz und Pfeffer würzen, Hartkäsespäne und Kräuter darüberstreuen und servieren.

Steinpilz
Foto: © formschub

Rückweh

Es waren zwei wunderbare Tage in Freiburg. Ich hatte nur leichtes Gepäck mitgenommen. Zum einen aufgrund der Kürze der Reise, zum anderen war erstmals dieses Jahr stabiles Sommerwetter vorhergesagt, so dass Jacke und Schirm daheim bleiben konnten.

Die Vorhersage bewahrheitete sich, von einem heftigen Schauer abgesehen, der jedoch im Nachhinein wie ein frecher Streich erschien, ähnlich einer vorwitzigen Windböe, die hitzeträgen Sommergästen unvermittelt die Hüte vom Kopf reißt.
Wann immer möglich, verbringen ich und meine Begleitung Kurzurlaube nicht in Hotels, sondern in Ferienhäusern oder Ferienwohnungen. Das ist nicht nur preiswerter, sondern bietet auch den Luxus ungetakteter Tagesabläufe. Kein Frühstücksbuffet, das bereits zur Lieblingsaufwachzeit wieder abgeräumt wird, keine Geräuschkontamination aus nachbarlichen Zimmern, mehr Privatsphäre, mehr Freiheit.

Je schöner jedoch der Zielort und die bezogene Unterkunft, desto schmerzlicher ist – auch oder gerade bei Kurzreisen – die Pein der unvermeidlichen Wiederabreise. Doch diesmal hatten wir dem etwas Besonderes entgegenzusetzen. Nach dem Frühstück packten wir wie gewohnt unsere Koffer, nur ein paar persönliche Dinge für unterwegs, wie etwas zu Lesen, blieben unverstaut. Der Vermieter hatte uns die notwendigen Handgriffe zum Einschalten der Vorrichtung gezeigt, als wir eingezogen waren und den Heimatort bereits programmiert. Um zehn sollten wir aufbrechen, so war es vereinbart. Die Wohnung lag im obersten Stockwerk, die Sicht von der großen Dachterrasse auf das gegenüberliegende Schwarzwaldpanorama war atemberaubend. Schwalben zogen ihre Kreise über dem Haus, kreischend wie Teeniegirls in der Achterbahn. Die Luft war noch kühl.

Ich ging zum Sicherungskasten im Flur neben der Tür. Der große rote Hebel unterhalb der üblichen Schalterreihen sah aus wie die Notbremse in einem Zug, daneben auf dem schwach beleuchteten Display stand in kantigen Buchstaben „HAMBURG“. Ich zog den Hebel nach unten und wartete. Nach zwei Sekunden spürte ich einen leichten Ruck, als ob in der Wohnung unter mir jemand mit Wucht, aber geräuschlos, eine Tür zugeknallt hätte. Mehr nicht. Der Flur war fensterlos. Ich blickte ins angrenzende Wohnzimmer in Richtung Terrasse. Langsam, ganz langsam begann der Berg jenseits des Geländers nach links zu driften. Ich hörte, wie das Geschirr in der Küche leise im Schrank klirrte, als sich das Haus in Bewegung setzte. Es funktionierte.

Als ich auf die Terrasse trat, spürte ich den leichten Fahrtwind. Ich sah hinunter auf den Bürgersteig vor dem Haus, der wie ein träger grauer Fluss an der Fassade entlangzufließen schien. Auf der anderen Straßenseite standen Spaziergänger, die ihr Flanieren unterbrochen hatten und zu uns nach oben sahen. Sie lachten und winkten. Ein Kind zeigte herauf, ein Hund bellte, ich winkte zurück.

Nach einer Weile nahm ich an dem Gartentisch Platz, der im Schatten des Terrassendachs stand und nahm mein Buch zur Hand. An das leise Vibrieren unter den Füßen und den stetigen leichten Wind hatte ich mich schnell gewöhnt. Etwa zehn Stunden sollte die Rückreise dauern, sicher würde ich später noch einmal ans Geländer treten und herunterschauen zu den Orten und Menschen, an denen wir vorbeizogen.

Zum ersten Mal bei einer Abreise nahm ich die Ferne mit nach Hause.

Reisendes Haus
Foto und Montage: © formschub

Genussreise nach Regensburg

Bei fast durchgehend herrlichstem Frühsommerwetter (siehe Foto beim gestrigen Eintrag) verbrachte ich ich in angenehmster Begleitung – nicht zum ersten Mal – die Pfingsttage in Regensburg.

Und dort ließen wir es uns richtig gut gehen: Im gemütlichen, von Kastanien-, Ahorn- und Lindenbäumen beschatteten Innenhof des Biergartens Goldene Ente (Update: inzwischen »D’Oma in da Antn«) schäumte köstliches Weltenburger Bier aus Deutschlands ältester Klosterbrauerei (seit 1050) im Halbliterkrug, beim rustikalen, seit 1135 bestehenden Historischen Wurstkuchl war ein »Kipferl« mit frisch gegrillten Würstln im Brötchen ein Muss und bei der hervorragenden Gelateria Venezia (Glockengasse 1) warteten 30 famose Eissorten darauf, verkostet zu werden.

Am Abend gaben wir Bewährtem (siehe hier und hier) den Vorzug: die Restaurants Gänsbauer (etwas edler) und Roter Hahn (unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis) – letzteres gleich an drei Abenden – verwöhnten uns auf gewohnt hohem Niveau mit ihren raffinierten Küchenkreationen. Ich denke, unser Dinnerprotokoll der vier Abende spricht da für sich:

Roter Hahn

  • Spargelcremesuppe
  • Schwertfischfilet in Aromaten gebraten mit Mango-Korianderkompott auf grünem Spargel und Zitronen-Kartoffelpüree
  • Selleriecremesuppe mit Tempuragemüsespieß (siehe Foto)
  • Schweinefilet im Parmamantel auf Kartoffel- Rosenkohlgröstl und Pinienkernen (siehe Foto)
  • Carpacchio von Pulpo und Garnelen mit Chillimayonaise und Ruccolasalat
  • Filet vom Zackenbarsch gratiniert mit Spinat auf Muschel- Tomatenpasta
  • Cappuccino von braunen Champignons mit Tandorispieß
  • Hirschrücken mit Wacholderjus auf gebratenen Pilzen dazu Haselnussknödel
  • Rinderfilet unter der Bergkäsekruste auf zweierlei Bohnengemüse und Kartoffelgratin

Gänsbauer

  • Variation von Spinat und Rote Beete mit Jakobsmuschelragout
  • Gebratene Poulardenbrust auf Waldpilzrahm an Püreeduett von Erbsen und Karotten
  • Karree vom Lamm mit Rosmarinsoße und karamellisiertem Chicoree, dazu Kartoffelstroh

So, und jetzt muss ich erstmal dringend ein paar Kilometer mit dem Fahrrad umherfahren, bevor ich wieder irgendwas esse.

Selleriesuppe

Schweinefilet
Fotos: © formschub

Zeichen und wundern

Kaum ein Jahr nach dem letzten Besuch stand Prag einmal mehr auf meiner Kurzreiseagenda. Und obwohl das Wetter auch dort nicht wirklich zu genussvollen Spaziergängen einlud, stromerte ich mit der Kamera einen Nachmittag lang durch die Straßen. Anders als bei den letzten Städtereisen stachen mir allerdings diesmal nicht typo-, sondern piktographische Fundstücke ins Auge. Lokale, seltene, kuriose und/oder selbstgemachte Bildzeichen, die mehr oder weniger klar zum Tun oder Lassen von irgendwas auffordern. Von was genau, ist bei so viel Kreativität eigentlich Nebensache.

Prag Piktogramme
Fotos: © formschub

Punktlandung

Bei meinen gelegentlichen Streifzügen durch skandinavische Supermärkte nach gelungenem oder ungewöhnlichem Verpackungsdesign bin ich auch in meinem diesjährigen Jahresendurlaub wieder fündig geworden. In der Getränkeabteilung einer Filiale der dänischen Supermarktkette »Kvickly« zog eine ganz besondere Bierflasche meine Aufmerksamkeit auf sich.

Zunächst dachte ich, es handele sich um einen Fehldruck, denn das Frontetikett erscheint nahezu unbedruckt: die knappe Inhaltsbezeichnung »Øl« (Bier) im Fußbereich des goldenen Zierrahmens ist der einzig lesbare Aufdruck. Jedenfalls für Sehende. Denn das Etikett ist sehr wohl beschriftet – im erhaben geprägten Punktraster der Blindenschrift Braille.

Die dänische Brauerei Midtfyns brachte am 31. August 2009 anlässlich des 200. Geburtstages von Louis Braille, dem Erfinder des Blindenalphabets, dieses eigens gebraute Bier in limitierter Auflage auf den Markt. 2 Kronen (ca. 25 Cent) pro verkaufter Flasche gehen an den Dänischen Blindenverein »Dansk Blindesamfund«, darüber hinaus sind via SMS an eine eigens eingerichtete Nummer Spenden über 10 Kronen je gesendete Nachricht an dieselbe Organisation möglich. Zwar liefert ein kleines Klebeetikett auf der Rückseite auch die nötigen obligatorischen Inhalts- und Mengenangaben für Sehende, doch die Braille-Informationen auf dem Frontetikett wurden bewusst nicht »übersetzt« – um Kunden und Konsumenten zu einer Beschäftigung mit der Blindenschrift und der besonderen Lebenssituation der Betroffenen anzuregen.

Nicht nur als Liebhaber guter und außergewöhnlicher Biere und als Grafik-Designer bin ich von dieser Idee und ihrer Umsetzung begeistert. Sie beweist, wie es mit einfachsten Mitteln abseits üblicher Betroffenheitskampagnen möglich ist, sogar beim Einkauf im Supermarkt auf sozial relevante Themen hinzuweisen, dabei Gutes zu tun und (Genießern) eine interessante Produktneuheit anzubieten. Mehr davon – und bitte nicht nur in Dänemark!

Blindenbier