Kategorie: Ins Netz gegangen

Linktipps und Seltsamkeiten aus dem Internet

Caranoia

Ja, ich stelle Daten, Texte und Bilder von mir ins Netz. Nein, ich würde bei Google StretView mein Haus nicht verpixeln lassen. Ich zahle umsichtig mit Kreditkarte, betreibe Social Networking (mit wohldosierten Privacy-Einstellungen), blogge, shoppe online und bin mir bewusst, dass durch all das ein gewisses Profil meiner Person zu erstellen wäre, obwohl ich dies durch Informationsdosierung und Authentizitätssteuerung versuche, bewusst etwas unscharf zu halten. Dennoch hatte ich neulich ein seltsames Gefühl.

Da mir im TV und auf der Straße das ungewöhnliche Design des Alfa Romeo MiTo aufgefallen war, surfte ich eines Tages die Website des Herstellers an und schaute mich dort ohne ernsthafte Kaufabsicht um. Das PDF des entsprechenden Prospekts lud ich ohne Registrierung oder Dateneingabe mit einem normalen »Rechtsklick« herunter.

Eine runde Woche später hatte ich eine E-Mail von einem mir unbekannten Absender aus der Fahrzeugbranche – nicht vom Hersteller! – im Eingang: »Machen Sie eine Probefahrt mit dem Alfa Romeo MiTo!« Unweigerlich hatte ich das Bedürfnis, am Rechner sitzend, hinter mich zu blicken. Zufall? Surfspionage 2.0? Illuminaten? Ich weiß es nicht. Ich habe nicht auf das Angebot reagiert.

Alfa_Mito
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Bücherfragebogen [♂] – 18

18 Das Buch mit dem schönsten Cover, das du besitzt
Da fällt es mir wieder schwer, mich zu entscheiden. Die Literatur in meinen Bücherregalen kommt meist vergleichsweise schmucklos daher, aber diese beiden Schmökerbände lassen sich optisch nicht lumpen. In kirschrotes Leinen gebunden, mit einem aufkaschierten Fotodruck versehen und in tiefgeprägten silbernen Lettern beschriftet, präsentiert sich »Das Alice B. Toklas Kochbuch«.

Dabei stapelt der Titel ein wenig tief, denn es ist viel mehr als ein Kochbuch. Bei Alice B. Toklas und ihrer Lebensgefährtin, der Schriftstellerin Gertrude Stein, gaben sich von 1909 bis 1946 in Paris die bekanntesten Künstler und Literaten jener Zeit die Klinke in die Hand: Picasso, Matisse, Hemingway – und es wurde nach Herzenslust gekocht und getafelt. Kalorien waren kaum mehr als ein weit entferntes Fremdwort, es gab Austern, Hummer, Trüffeln, man schmolz pfundweise Butter, rührte Zucker in Sahne, buk feine Quiches und reichhaltige Tartes, doch nie plump und schwer, sondern stets mit aller Raffinesse, die die französische Küche zu bieten vermag. Den illustren Gästen der beiden Damen entsprechend enthält das Buch nicht nur Rezepte, sondern auch Aufnahmen aus dem privaten Fotoalbum, Geschichten, Anekdoten und Reiseberichte.

Das Buch wurde seit 1954 in verschiedenen Ausgaben verlegt, in der amerikanischen Originalausgabe fehlte allerdings ein Rezept, das erst in einer späteren britischen Version – und auch in dieser deutschen – abgedruckt wurde: ein auf zermörserten Trockenfrüchten, Gewürzen und Nusskernen basierendes Haschischkonfekt (»Kann jeder an einem Regentag schnell zusammenhauen«), das die Autorin als »unterhaltsame Erfrischung für die Damen vom Bridgeclub« empfiehlt. Mon dieu!

Der zweite Prunkband enthält größtenteils Fotos. Sehr, sehr, sehr bunte Fotos. Es ist die zuckersüß-kitschige, bisweilen ziemlich frivole Werkschau »Pierre et Gilles, Sämtliche Werke 1976 – 1996« aus dem für aufwendige Kunstpublikationen bekannten Taschen-Verlag. Die plastikglatte Perfektion und Liebe zum Detail in den Bildwelten Pierre et Gilles’ ist unerschöpflich. Zahllose Musiker, Schauspieler, Künstler, Fotomodelle und Freunde nahmen vor der Kamera des schwulen Duos Platz und ließen sich in den fantastischsten Kulissen und Posen fotografieren. Ein üppiger Bildband, der bei jedem Anschauen neue visuelle Delikatessen offenbart. Entprechend glamourös ist das Opus gestaltet: in den perlmuttgelben Schutzumschlag ist ein waffelartiges Rapportmuster geprägt und den Titel ziert als goldglänzendes Matrosentattoo ein Selbstportrait des Künstlerpaares. Zusätzlich sind die Buchseiten außen im Goldschnitt verziert. Mehr Glitter geht kaum. Und das ist auch gut so.

Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Foto: © formschub

Es lebe der Lebkuchen!

Im Supermarkt liegen die Adventssüßigkeiten ja bekanntlich schon seit Ende August rum. Und spätestens seit heute greift wohl wieder fast jeder bei Kaffee, Tee oder einfach zwischendurch zu Dominosteinen, Printen, Spekulatius oder Lebkuchentalern. Einerseits schön, die vertrauten Geschmäcker der Advents- und Weihnachtszeit alle Jahre wieder auf der Zunge zu spüren, andererseits – wäre es nicht mal Zeit, die altbekannten Rezepte für Weihnachtsgebäck mit zeitgemäßen Innovationen zu »pimpen«?

Genau das dachten sich zwei Köche und ein Konditor aus Nordbayern und riefen das Projekt Tres Aromas ins Leben: Arnd Erbel, Freibäcker aus Dachsbach und Andree Köthe und Yves Ollech vom Sternerestaurant Essigbrätlein in Nürnberg. Sie widmeten sich dem klassischen Elisen-Lebkuchen und kreierten mit Gewürzen und Zutaten, die man auf Anhieb eher nicht darin vermutet, drei famose Aromavariationen, die den traditionellen Geschmack des Gebäcks in ganz neue Sphären befördern. Ich habe die »Tres Aromas« dieses Jahr zum zweiten Mal auf dem Bunten Teller und möchte sie dort nicht mehr missen:

  • Tres Aromas »Olive Noir« mit herben Taggiasco-Oliven
  • Tres Aromas »Oriental« mit Safran, Curry, Ingwer und Chili
  • Tres Aromas »Verde« mit Kaffirlimettenschale, Lorbeer und Thymian

Mein persönlicher Favorit ist die Kreation »Verde« mit ihrem intensiven, aber nicht aufdringlichen Aroma der Kaffirlimette, das der südostasiatischen Küche entstammt. Ein rundum gelungenes Geschmacksexperiment!

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Screenshot: © tresaromas.de

Sattvent, Sattvent …

Alle Jahre wieder, so auch dieses Jahr, möchte ich meinen foodaffinen Bloglesern die schon fast traditionelle Vorweihnachtsaktion »Ganz(s) weihnachtlich« der Gastroinitiative »Hamburg kulinarisch« ans Herz an den Gaumen legen. 48 Restaurants sind es diesmal, die aus diesem Anlass spezielle weihnachtlich inspirierte Menüs komponiert haben und ihren Gästen seit 11. November und noch bis zum 23. Dezember servieren. Ich hatte bereits das Vergnügen, im von mir gern besuchten Mövenpick Restaurant am Hamburger Sternschanzenpark eins davon zu genießen:

  • Mousse von Büffelmozzarella, Serranobrösel, kandierte Tomate, gebeiztes Heilbutt-Tatar, Saiblingskaviar, Rote Beete, Garnelensalat, Melone, getrocknete Aprikose, Mandelschaum
  • Gänsebrust und das Keulenfleisch im Brickteig gebacken, Miniknödel, Kerbelknollenpüree, Backapfel, Feigenrotkraut, Kaffeejus
  • Fourme d’Ambert Birne, Zwetschgen-Marzipan-Tarte, Mascarpone-Maronenmousse mit Fruchtbrotcroûtons

(Preis: 65,00 EUR für zwei Personen inklusive einer Flasche Wein)

Besonders verzückten mich die Büffelmozzarellamusse auf dem Vorpeisenteller und die Kombination aus Gänsekeulenfleisch im Brickteig, Feigenrotkraut, Kaffejus und Kerbelknollenpüree beim Hauptgang (bis dato wusste ich nicht mal, dass Kerbel Knollen hat). Die Köche im alten Wasserturm bewiesen erneut nicht nur ihr exzellentes Gespür für spannende Aromakompositionen, sondern beherrschten auch wieder das Spiel mit den Konsistenzen der Zutaten perfekt. Auch der Service war, wie ich ihn mag: ebenso aufmerksam wie unaufdringlich. Für den genannten Preis kann man kaum mehr erwarten. Ich jedenfalls bin spätestens jetzt in Weihnachtsstimmung.

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Photo: © Jo Naylor | Some rights reserved

Bücherfragebogen [♂] – 09

09 Das erste Buch, das du je gelesen hast
Eine nicht ganz einfache Frage, da ich nach der Erinnerung meiner Mutter bereits mit 4 Jahren selbst lesen konnte und von da an unaufhaltsam zum Bücherwurm wurde. Und das ist nun schon sehr lange her. Doch nehme ich die Frage gerne zum Anlass, die schmale Treppe auf den Gehirndachboden meiner Kindheit hochzusteigen und im flackernden Licht der Erinnerung nach dort lagernden Bücherschätzen zu suchen. Es ist dunkel hier oben, aber es ist eine heimelige Dunkelheit, warm und gemütlich, es riecht nach Staub und altem, vergilbtem Papier. Langsam gewöhnen sich meine Gedankenaugen daran. Was ich in den schattigen Winkeln als erstes erkenne, sind Bilder: Illustrationen, Zeichnungen, Figuren, Charaktere. Ich war schon immer sehr visuell veranlagt und konnte mich an optische Eindrücke (und an Gerüche) immer deutlicher erinnern als an Namen und Begriffe.

Hasen. Ich sehe Hasen, die Kleidung tragen und aufrecht gehen – wie Menschen. Ein Bilderbuch, das bis zum Jahr 2000 aufgelegt wurde und im Bücherregal meines Kinderzimmers stand, war »Ich bin der kleine Hase« mit Illustrationen von Richard Scarry. An die Geschichte erinnere ich mich nicht mehr, es ging um Jahreszeiten und der kleine Hase fiel, glaube ich, irgendwann in einen tiefen Winterschlaf (machen Hasen das eigentlich? Egal.) Wie es sich anfühlt, eine ganze Jahreszeit zu verschlafen, würde ich auch noch heute gerne noch wissen.

Das zweite Hasenbuch, das ich besaß, war das aus heutiger Sicht pädagogisch eher bedenkliche Werk »Die Häschenschule«. Die Hasenlehrer waren streng und zogen unartigen Hasenschülern zur Strafe die Ohren noch länger. Sogar einen der Verse aus dem Kontext der Züchtigungen weiß ich noch auswendig: »In den Karzer muss er nun. Ei, da kann er Buße tun!«. Der Untertitel »Ein lustiges Bilderbuch« wirkt in diesem Kontext schon fast bizarr. Meine Kerze flackert. Mich fröstelt kurz.

Hier! In der Truhe! Eine ganze Bücherserie, deren fantasievolle Geschichten komplett in Schulschreibschrift abgedruckt waren – tatsächlich aber ein Werbeprodukt: die Abenteuer von Lurchi und seinen Freunden, herausgegeben von der Schuhmarke Salamander. Wer neben der gelbschwarzen Amphibie die Freunde waren, das habe ich inzwischen vergessen. Eine Kröte, ein Igel, ein Frosch? Doch ich weiß: einmal gewann einer der Helden einen sportlichen Wettlauf, weil ihn ein Schwarm Wespen verfolgte. Zufälligerweise las ich beim Graben nach Weblinks, dass Lurchi wieder zum Leben erweckt werden soll. Vermutlich gezeichnet in zeitgemäßem Stil und ausgestattet mit Handy und iPod. Ich werde nicht nachschauen, will es nicht wissen.

Der Lichtschein meiner Kerze erfasst etwas Rotes. Es ist der Umschlag eines ebenfalls erzieherisch motivierten Buches meiner Kinderbibliothek – aus der Reihe »Carlsen Wunderbuch«: »Der Junge, der nicht essen wollte«, verfasst und bebildert von der Illustratorin Elisabeth Brozowska. Die im typischen Stil der späten Sechziger Jahre geschaffenen Bilder in diesem Buch sind mir bis heute klar im Gedächtnis geblieben und ich halte sie auch heute noch für genial. Der kleine Junge, der sich dem Essen verweigert, nimmt keineswegs ab, sondern schrumpft zum Winzling zusammen. Von der Putzfrau versehentlich aufgefegt und in die Mülltonne befördert, beginnt für ihn eine abenteuerliche Reise – natürlich eine mit Happy End. Das Buch ist damals offenbar in vielen Sprachen erschienen und der kanadische Illustrator Denis Goulet hat bei flickr ein Bilderset mit Scans der famosen Motive aus der französischsprachigen Ausgabe gepostet.

Jetzt höre ich Stimmen von unten, außerhalb des Speichers, den ich gerade erkunde. Es ist die Gegenwart, die mich zurückruft. Ich gehe die Stiege hinunter, lösche mein Licht und schließe die kleine, quietschende Tür sorgsam hinter mir ab. Den Schlüssel und die Kerze stecke ich gut verwahrt in die Tasche, denn ich werde sicher bald nachschauen, was dort oben noch alles liegt.

Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Image: © Elisabeth Brozowska | Scan courtesy of Denis Goulet

Verpixelt

»Verpixelt« war wohl heute, zum Start des virtuellen Straßenansichtsdienstes Google StreetView, das meistvorkommende Wort in allen Medien, von der Holzpresse über Radio und Fernsehen bis zu Webportalen, Blogs und Twitter. In keinem anderen Land erhielt Google derart massiven Gegenwind und nirgends musste der Datenkonzern mehr Zugeständnisse an den vermeintlichen Schutz der Privatsphäre leisten, als in Deutschland. Sicher dauert es nicht lange und das Wort wandert vom »Neuen Wörterbuch der Szenesprachen« der Duden-Redaktion, wo es zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Blogartikels noch ein Nischendasein fristete, hinüber in den gelben Referenzband des deutschen Sprachschatzes.

Woher das Wort »Pixel« stammt, bzw. dass es durch die Verschmelzung des Zwei-Wort-Begriffes »picture element« zustande kam (Edit: so was nennt man »Kofferwort«, danke an @foxeen), ist wohl jedem gegenwärtigen Menschen geläufig. Doch seit wann gibt es dieses Wort – und vor allem: seit wann gibt es Pixel als Mittel zur Darstellung von Bildern? Ich begann zu recherchieren.

Die ergiebigste Quelle zur Geschichte des Wortes findet sich in der PDF-Abhandlung »A Brief History of ‘Pixel’« von Richard F. Lyon*, einem amerikanischen Ingenieur, der übrigens als Erfinder der Computermaus gilt. Die belegte erste Nennung des Wortes »pixel« findet sich demzufolge 1965 in einem Papier des US-amerikanischen Ingenieurs Fred C. Billingsley, der sich im Jet Propulsion Laboratory des California Institute of Technology (Caltech) mit Bildbearbeitung und Videocodierung für Weltraummissionen befasste. Der ab 1967 konkurrierende Begriff »pel«, eine noch weiter verkürzte Kombination derselben Ausgangswörter, kreiert von William F. Schreiber am Massachussetts Institute of Technology (MIT), konnte sich offenbar nicht im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen.

Der nicht abgekürzte Begriff »picture element« für einzelne Zellen oder Punkte eines in Farb- und Helligkeitszellen zerlegten Bildes, findet sich schon deutlich früher, nämlich 1927 in einem Artikel des Magazins »Wireless World« von Alfred Dinsdale (PDF) anlässlich der ersten Präsentation eines fernsehähnlichen Displays mit 50 × 50 Bildelementen. Und die deutschen Begriffe »Bildpunkt« und »Flächenelement« im Kontext der Zerlegung und Übertragung von Bildinformationen finden sich sogar noch früher: 1884 und 1904.

Doch da Dinge nicht erst dann existieren, wenn es einen Namen dafür gibt, suchte ich noch ein bisschen weiter. Waren vielleicht auch Künstler beim Experimentieren mit Pinsel und Farbe auf die Idee gekommen, ein Bild aus farbigen Quadraten zusammenzusetzen? Und siehe da, ein wunderschönes Werk meines Lieblingskünstlers Paul Klee aus dem Jahre 1925 mit dem tiefsinnigen Titel »Alter Klang« greift genau diesen Gedanken auf. Ich habe es hier einmal vom ölgemalten Original in eine digital gepixelte Version übertragen. Waren das die ersten künstlerischen Pixel?

Alter_Klang

Painting: Everywhere on the internet, no evident copyright notice detectable.
Natürlich nicht! Denn etwas komplett Offensichtliches hatte ich gar nicht beachtet. Erst ein Tweet von @plastikstuhl lenkte meinen Blick darauf – und damit weitere 1.500 Jahre zurück in die Vergangenheit: Mosaike. Die ältesten erhaltenen Wand- und Bodenmosaike sind mehrere tausend Jahre alt, und obwohl die kleinen Steinchen und Kacheln oft unregelmäßig geformt und – ganz monitorfremd – auch schräg gedreht eingesetzt wurden, finden sich genug Beispiele mit Bildbereichen in »klassischer« Pixelanordnung, wie z.B. das nachfolgende byzantinische Fußbodenmosaik in Olbia (Libyen), das eines der Sieben Weltwunder, den Leuchtturm Pharos von Alexandria, darstellt und etwa 500 n. Chr. entstand.

Mosaik_Alexandria
Photo: Wikipedia (Public Domain)

Seit heute weiß ich: Pixel sind fast so alt wie die Menschheit, es gibt sie aus Stein, Farbe und Licht, sie sind alles andere als langweilige kleine Quadrate und schon ziemlich interessant, lange bevor man das ganze Bild sehen kann.

* Im Webarchiv des Computer History Museum ist zum gleichen Thema das Video einer Vorlesung von und mit Richard F. Lyon unter dem schönen Titel »Pixels and Me« als .wmv-Datei abrufbar.

Bücherfragebogen [♂] – 05

05 Ein Buch, das du immer und immer wieder lesen könntest
Alle Kolumnen-Sammelbände von Max Goldt.
Ich »folge« Max Goldt seit etwa 1981, als mein älterer Cousin, der aus einer etwas ländlicheren Gegend stammt, mich bat, für ihn in den Plattenläden meiner damaligen Wohnstadt zunächst die Foyer-des-Arts-Single »Eine Königin mit Rädern untendran« und später das Album »Von Bullerbü nach Babylon« zu besorgen. Beide Vinyltonträger habe ich mir vor Übergabe auf Cassette überspielt (ja, Kinder, so war das damals!) und war durch die ebenso absonderlichen wie wohlformulierten Verse (z. B. »Wissenswertes über Erlangen«), die Goldt als textender und singender Frontmann zu diesem ganz eigenen NDW-Duo beitrug, im Nu entflammt.

Seine ersten beiden Bücher »Mein äußerst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz« und »Ungeduscht, geduzt und ausgebuht« sind noch kolumnenlos, nichtsdestotrotz bergen die enthaltenen Gedichte, Kurz- und Liedtexte sowie hörspielähnlichen Dialoge schon typisch goldt’sche Textgenüsse. Aber in den vier »Titanic«-Kolumnenbänden »Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau«, »Die Kugeln in unseren Köpfen«, »Ä« und »,Mind-boggling‘ – Evening Post« übertrifft er sich eins ums andere Mal auf Neue. Ich liebe die Sprache, das Wortspielen, Wortschöpfen und Formulieren, und diese Texte Max Goldts sind für mich ein Lesewhirlpool, in dem ich immer wieder gern ein labendes Sprudelbad nehme.

Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Foto: Aus meinem Plattenregal – LP-Cover der Wiederauflage des Max-Goldt-Albums »Die majestätische Ruhe des Anorganischen« aus dem Jahr 1990 (Ausschnitt)

Bücherfragebogen [♂] – 31

31 Das Buch, das du am häufigsten verschenkt hast
Jörg Metes und Tex Rubinowitz: »Die sexuellen Fantasien der Kohlmeisen«.
Ja, ich gestehe: das von mir meistverschenkte Buch ist kein Bestseller, wurde von keinem Literaturpreisträger verfasst, ja, erzählt nicht einmal eine richtige Geschichte. Aber es ist herrlich absurd. Der Inhalt? Listen. Und zwar »Listen, die die Welt erklären«. Seitenweise frei erfundene Nonsens-Rankings, die genau den Lesern gefallen werden, die Hitlisten aller Art hassen. Die Autoren haben zwar beim Verfassen vermutlich die eine oder andere bewusstseinsverändernde Substanz eingenommen, aber wichtig ist, was hinten rauskommt, und das ist famos. Ein Auszug:

Die sieben Bestellungen, bei denen ein Kellner garantiert
nachfragt, ob er das richtig verstanden hat

1. »Für mich bitte den Sauerbraten und zum Trinken einen Martini«
2. »Wirsing und Perrier«
3. »Die Austern und dazu einen Eierlikör«
4. »Gemischten Salat und Möbelpolitur«
5. »Antimaterie und Fanta«
6. »Spaghetti-Eis und 83er Mouton-Rothschild«
7. »Ein Glas Mehl und einen Teller Stroh«
Warum der Krill wieder nicht »Tier des Jahres« geworden ist
1. Zu klein
2. Keine Lobby
3. Seine Rolle als Verbündeter der Achsenmächte im 2.Weltkrieg
4. Kein Fell
5. Die Wale sind dagegen

Also, ich find’s komisch. Und auch von den Beschenkten habe ich bisher nichts Gegenteiliges gehört.

Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Foto: © formschub