Kategorie: Ins Netz gegangen

Linktipps und Seltsamkeiten aus dem Internet

Trois jours à Paris

A Ohne zu wissen, worauf man sich da genau einlässt, zum Abendessen Andouillettes probieren (eigentlich ganz lecker).
B Beim Glacier Berthillon die Eis-Saison eröffnen (Caramel au Beurre Salé, Vanille, Pistache).
C Von der Metrostation Place de Clichy aus die Ausflüge in die Stadt beginnen.
D Sich mal wieder von einem »Top Ten«-Kurzreiseführer von Dorling Kindersley kundig durch die Stadt leiten lassen.
E Den Eiffelturm diesmal nur aus der Ferne betrachten.
F Im Pub Le Frog and Rosbif bei einem Nachmittagsimbiss neue Energie tanken.
G Der französischen Kultur trotzen und zwischendurch auch mal ein Guinness trinken.
H Nach all dem köstlichen Essen zur besseren Verdauung an einem edlen Himbeergeist (»Eau de Vie de Framboise sauvage«), gekauft im lokalen Supermarkt, nippen.
I Einen ausgedehnten Frühlingsspaziergang über die Îles Parisiennes unternehmen.
J Im Konservatorium der Cité de la Musique in der Avenue Jean-Jaurès in den Genuss einiger schöner Clavichordkonzerte kommen.
K Überraschenderweise trotz hochgradig eingerosteter Französischkenntnisse keine Probleme mit der Kommunikation (en Français!) haben.
L Sich fragen, wie viele Millionen Stunden Arbeit in den unzähligen steinernen Skulpturen und Reliefs der Fassade des Louvre stecken.
M Gleich um die Ecke im Restaurant Mont Liban zum Dinner die Verlockungen der libanesischen Küche genießen.
N Zum Nachtisch im Restaurant Bistro les Batignolles natürlich Crème Brûlée wählen.
O Als passendes abendliches Unterhaltungsprogramm die charmante Komödie »Odette Toulemonde« auf DVD im Gepäck dabeihaben.
P Rund um den Place de la Madeleine einen Schaufensterbummel entlang der luxuriösesten Pariser Delikatessengeschäfte machen (Chateau Mouton Rothschild im Angebot: statt über 600 jetzt nur noch 480 EUR).
Q Quoi de plus beau que Paris en printemps?
R Mit der Regionalbahn RER B vom und zum Flughafen Paris Charles de Gaulle fahren.
S In der Senfboutique der Renommiermarke Maille ein Vier-Sorten-Probierset für die kommende Grillsaison erwerben (Olive-Zitronengras, Mandarine-Pistazie, Parmesan-Basilikum, Nuss).
T Spontan dem Impuls nachgeben, ein Stück der zentimeterdick mit safrangelbem Pudding bedeckten Tarte au Flan in der Auslage eines Konditors zu kaufen.
U Mal ganz bewusst nicht auf die Uhr gucken.
V Sich den Gepflogenheiten im Pariser Verkehr fügen und wie alle anderen Fußgänger über die Straße gehen, wann immer sie frei ist – egal welche Farbe die Ampel zeigt.
W Die erlebnisreichen Tage in der gemütlichen Appartementwohnung abends mit einem Glas Wein (rot) ausklingen lassen.
X Mit einem X im Stadtplan die lohnenswerten Locations fürs nächste Mal ankreuzen.
Y Nous y reviendrons.
Z Mit einer Zehnerpackung Metrobillets im Portemonnaie komfortable Bewegungsfreiheit genießen.

Paris Chichi

Schmeiß weg, das Ding!

Vergesst Photoshop. Coole abstrakte Bilder mühsam mit Brushes und Filtern zu erzeugen, ist out. Es funktioniert – mit etwas Übung – wortwörtlich im Handumdrehen. Das Stichwort heißt Camera Tossing, auf deutsch: wirf Deine Kamera in die Luft, während sie belichtet. Natürlich sollte man gut fangen können, sonst wird’s schnell ein ziemlich kostspieliges Hobby, aber die Ergebnisse sind der Hammer.

Ein virtuoser Anhänger dieser ungewöhnlichen Kunstform ist der Programmierer Jens Ludwig aus Radolfzell-Güttingen. Beim Betrachten seines abstrakten flickr-Fotostreams kommt man völlig drogenfrei auf einen visuellen Trip der besonderen Art. Gerade neulich dachte ich noch: »Meine alte Digicam könnte ich auch langsam mal wegschmeißen.« Aber wieder auffangen ist natürlich umweltfreundlicher.

Camera Tossing
Thumbnails: © Jens Ludwig

Das Große im Kleinen

Fragmente von Schmetterlingsflügeln? Digital gefilterte Satellitenfotos? Mysteriöse Stoffetzen? Alles falsch. Die wunderschöne Fotoserie Cell Images* des Projekts Digital Dendrology der Künstlerin Jordyn Meredith zeigt hauchdünne mikroskopische Querschnitte von – Zweigen. In hundertfacher Vergrößerung enthüllen die eingefärbten, auf schlichtem Weiß fotografierten dendrologischen Präparate faszinierend-filigrane Zellstrukturen von Holz und Rinde. Natur als Kunst. Nur scheinbar unscheinbar – bis man genauer hinsieht.

*(Leider führen die Thumbnail-Links zu den Full-Size-Bildern ins Leere. Manueller Zugriff ist möglich, wenn man im Verzeichnispfad der .jpg-Thumbnails jeweils das Verzeichnis /thumbnails/ durch /images/ ersetzt. Beispiel: Thumbnail / Full-Size-Bild)

Digital Dendrology
Images: © PhyreDesigns | Jordyn Meredith

Kitchen-Kitsch

So aufgeschlossen ich gegenüber allen Verlockungen der modernen Küche bin, so entzückt bin ich immer wieder beim Blättern in Kochbüchern aus den späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahren, von denen ich einige gut erhaltene Exemplare auf Flohmärkten erstöbert habe: etwa das »Dr. Oetker Schulkochbuch« – das Standardwerk der Generation meiner Mutter – oder »Kalte Platten« aus der famos betitelten Reihe »Hans Buzengeiger plaudert aus seinen Garnierkursen, Band 2«. Wobei die darin verzeichneten Rezepte eigentlich Nebensache sind.

Viel faszinierender sind die Bebilderung und die Typographie: Schwungvolle handgezeichnete Schreibschriften, stilvolle Illustrationen auf Frontispiz oder Kapiteltrennseiten und fantastisch-bonbonbunte Foodfotos. Ziel der »Foodstylisten« jener Zeit (falls es dieses Berufsbild schon gab) schien es zu sein, Essen jenseits der Grenze des Essbaren zu inszenieren, entweder kitschig überdekoriert oder mit fast geometrischer Strenge.

Freunde dieser kulinarisch-fotografischen Opulenz werden auch bei flickr fündig: der komplette Bilderpool »Vintage Cookbooks« widmet sich dem (foto)grafischen Andenken der Kochbücher unserer Mütter und Großmütter. Einige der ergiebigsten und besten Galerien finden sich in den Fotosets der Mitglieder Charm and Poise, amy_b und Be the HBIC. Die Flickr-Seite drmvm widmet sich dem Spezialthema »Partybuffets« und weitere Retro-Küchenfotos außerhalb dieses Bilderpools findet man auch bei Pinterest. Ich glaube, ich muss auf jeden Fall bald mal wieder zum Flohmarkt.

Eieruhr
Foto: Kalte Platte »Eieruhr« aus dem o.g. Kochbuch von Hans Buzengeiger

Tiny Music Makers

Fast jeder ist wohl schon einmal zusammengezuckt, wenn zur Unzeit aus dem eigenen oder fremden Handy der allseits bekannte »Nokia-Tune«-Klingelton düdelt. Weniger bekannt ist, dass die Melodie keine Kreation aus dem Nokia Klingeltonstudio ist, sondern ein Auszug aus dem 1902 geschriebenen Solo-Gitarrenstück »Gran Vals« des spanischen Komponisten Francisco Tárrega.

Hört man genau hin, ist der Alltag voll von Klängen, Soundbits und Melodien, die jeder kennt – ihre zeitgenössischen oder klassischen Urheber jedoch bleiben oft anonym. Das im Januar 2009 leider eingestellte Blog Music Thing des Briten Tom Whitwell hat in einer Miniserie über bekannte zeitgenössische Markensounds die Stories einiger »Tiny Music Makers« recherchiert und aufbereitet.

Eine ähnlich informative Quelle zur Herkunft populärer Soundschnipsel, die sich Werber und Firmen – wie z.B. Nokia – bei der klassischen Musik »borgen«, wäre auch mal interessant.

Intel Chime
(Wellenform-Darstellung des »Intel inside« Sounds)

Booting Baroque

Das ist doch mal Avantgarde: der Startup-Sound des Apple Macintosh [macstartup.mp3] scheint über 270 Jahre alt zu sein. Offiziell gilt zwar der Apple-Mitarbeiter Jim Reekes als Urheber des Tons, doch seit ich den einleitenden Akkord der 1738 vollendeten barocken Tanzsinfonie »Les Éléments« des Komponisten Jean-Féry Rebel gestern zum ersten Mal hörte, glaube ich, es war alles ganz anders.

Vielleicht gab es ja damals schon Notebooks. Vielleicht komponierten schon Mozart und Haydn ihre Meisterwerke am Computer, den sie zuvor mit einem goldenen Schlüssel sorgsam aufgezogen hatten. Vielleicht ist das auf dem Foto aber auch nur ein abgefahrenes Steampunk-Modding des Künstlers Richard Nagy. Wer weiß?

Anktik-Notebook
Photo: © Richard Nagy (Datamancer) | noncommercial use permitted

Ein feiner Zug

Ist doch immer wieder schön, wenn Netzrecherchen viel mehr Interessantes erschließen, als ursprünglich gesucht. So geschehen beim »googeln« nach Name und Herkunft der Headlineschrift im Corporate Design des Hamburger Verkehrsverbundes HVV.

Der kursive, leicht techno-artige Font hatte auf Plakaten und Aushängen meine Aufmerksamkeit geweckt, so dass ich neugierig war, ob sich der HVV – wie die Deutsche Bahn – eine exklusive Hausschrift hatte gestalten lassen. Die Antwort: mitnichten. Der Font heißt »Faktos«, ist kostenlos für nichtkommerzielle Verwendung erhältlich und wird in den Werbemitteln des HVV lediglich* mit 115% Zeichenbreite und 14° Neigung zur Kursive verformt.

Vater und Urheber der Schrift ist der gelernte Schriftsetzer Dieter Steffmann aus Kreuztal/Westfalen, der seit mehr als 18 Jahren dem typographischen Hobby frönt, Schriften (insbesondere Fraktur) zu digitalisieren, vorhandene Public-Domain-Fonts nachzubearbeiten (z.B. um deutsche Sonderzeichen zu erweitern) und auf seiner Download-Seite zu veröffentlichen. Dort stehen neben »Faktos« rund 340 weitere Schriften zum Herunterladen bereit.

* Update: Nicht ohne eine gewisse Arroganz im Ton mokiert sich in einem Typografie-Forum ein Kommentator über das Wörtchen »lediglich«, das ich hier nutze. Die intendierte Lesart meiner Argumentation ist: »Hat der HVV eine exklusive Hausschrift? Nein, hat er nicht, sein vermeintlich eigenes Erscheinungsbild beruht lediglich darauf, dass ein Freefont verzerrt wurde.«

Mir ist als Grafik-Designer sehr wohl bewusst, dass es bei den meisten Schriften zu grauenhaften Ergebnissen führt, wenn man sie durch horizontales Skalieren oder Neigen deformiert und entsprechend vermeide ich dies konsequent. Ich bin jedoch der Meinung, dass eher geometrisch konstruierte Fonts mit rechteckigen Formen, wie z.B. Handel Gothic, Bank Gothic oder eben Faktos, dies »besser wegstecken« können, wenn es ihnen doch einmal widerfährt. Weitere Rückschlüsse aus dieser Formulierung zu ziehen, halte ich allerdings für unangemessen.

HVV Faktos
Foto: © HamburgerJung | Bestimmte Rechte vorbehalten