Kategorie: Selbstgebrautes

Kreativmaterial und Rezepte aus eigener Produktion

Smultronställe

»Smultronställe« ist ein schwedischer Begriff für einen Ort, der ein unterschätztes Kleinod ist. Wörtlich übersetzt bedeutet er »Walderdbeerstelle« und bezeichnet einen Platz, an dem man sich wohl fühlt, den man zur Entspannung und Erholung aufsucht und der für andere nicht leicht zu finden ist. Oft hat man zu dieser Umgebung auch einen persönlichen emotionalen Bezug.

Letzter Urlaubstag an der Havel. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr.

(Ich selbst beherrsche leider keine Aquarellmalerei, aber ich konnte der iOS-App Waterlogue zumindest die Fotovorlagen liefern …)

Und selbst? – Muss ja.

Endlich habe nun auch ich mir mal die hochgelobte Serie »The Handmaid’s Tale« nach dem Roman von Margaret Atwood zur Ansicht vorgenommen. Vor einigen Monaten hatte ich bereits die Verfilmung »Die Geschichte der Dienerin« von Volker Schlöndorff aus dem Jahr 1990 gesehen, aber die Serie hat natürlich ungleich mehr Zeit zum Erzählen der Handlung und für die Zeichnung der Charaktere zur Verfügung – und sehr wahrscheinlich auch ein größeres Produktionsbudget.


Was der Darstellung der düsteren Geschichte aus meiner Sicht sehr zugute kommt, sind die zahlreichen Rückblenden – Alltagsszenen aus einer Zeit, die von der unseren (von Corona mal abgesehen) eigentlich kaum zu unterscheiden ist. Die rasend schnelle Transformation dieser »ganz normalen Demokratie« in eine christlich-fundamentalistische, patriarchalische Diktatur erscheint um so gruseliger im Lichte tendenziell nicht unähnlicher brandaktueller Situationen rund um den Globus, sei es in den USA unter Trump, in Brasilien mit Bolsonaro, in Polen (wo den aktuellen heutigen Wahlergebnissen zufolge die dortige PIS-Regierung vier weitere Jahre lang die Uhren zurückdrehen darf) oder in der Türkei, die sich ebenfalls immer weiter von einer Demokratie hin zu einer Autokratie bewegt.

Ich bin nun mitten in der ersten Staffel der Serie, die laut Episodenguide ähnlich enden wird wie die Literaturvorlage. Die bereits erschienene zweite und dritte Staffel wird wohl somit die Geschichte abseits des Buches fortsetzen. Ich bin gespannt, wie dies geschehen wird und ob es auf einem ähnlich hohen Niveau gelingt und funktioniert. Immerhin, so liest man, hat Margaret Atwood die erste Serienstaffel sowie deren Fortsetzungen als »Consulting Producer« begleitet, hat einen sekundenkurzen Cameo-Auftritt in der Pilotfolge und im Herbst 2019 erschien ihre eigene Fortsetzung der Geschichte (»Die Zeuginnen«) in Buchform. Diese wiederum spielt fünfzehn Jahre nach der Handlung des ersten Romans und somit auch nach Abschluss der bisherigen Handlung der Serie.

Trotz aller Düsternis jedoch findet sich auch in dystopischen Geschichten manchmal Platz für etwas Humor. Sei es, dass dieser vom Schöpfer selbst bereits so vorgesehen ist, wie etwa in Terry Gilliams großartigem Meisterwerk »Brazil«, oder er durch eigene Assoziationen beim Zuschauer bzw. Leser entsteht. Ich zum Beispiel musste im Verlauf der Serie zunehmend schmunzeln, und zwar jedesmal, wenn sich die Serienfiguren bei ihren Begegnungen die immer gleichen leergeleierten, staatlich verordneten Begrüßungsfloskeln zuwerfen. Ich hätte da längst schon den Drang nach etwas Abwechslung verspürt, geeignete andere Floskeln gibt es ja genug und einige davon habe ich mal zu einer kleinen Cartoonserie aufbereitet (die ersten beiden sind die Original-Begrüßungsformeln).

Viel Spaß – und mögen wir immer gut auf unsere schöne Demokratie aufpassen.

Pfirsich-Thunfisch-Salat

Oft entstehen meine »eigenen« Rezeptideen, indem ich mehrere existierende Rezepte miteinander kombiniere oder aus einem vorhandenen Rezept heraus improvisiere. Dieser Salat ist eine komplett eigene Kreation. Klingt im ersten Moment etwas seltsam, Obst und Fisch miteinander zu kombinieren, aber ich bin vom Ergebnis ziemlich überzeugt und deshalb gebe ich es gerne weiter.

Zutaten
für 2–3 Personen

ca. 6 Plattpfirsiche (auch Berg-, Wild- oder Weinbergpfirsiche genannt)
2 Dosen Thunfisch in Wasser
8–10 EL Olivenöl
Saft einer halben Zitrone, evtl. etwas mehr
1 TL getrocknete italienische Kräutermischung (Thymian, Rosmarin, Oregano, Basilikum, Majoran, z.B. diese hier)
Salz
Orangenpfeffer aus der Mühle (ersatzweise schwarzer Pfeffer)
alter (eher süßlicher) Balsamico
grob geriebener Parmesan

Pfirsiche entkernen und in ca. 1 x 1 cm große Stücke würfeln, Thunfisch sehr gut abtropfen und mit einer Gabel zerzupfen. In einer Schüssel vermischen und mit einem angerührten Dressing aus Olivenöl, Kräutern, Salz, Pfeffer und Zitronensaft vermischen. Gut durchmengen und abschmecken – die Säure der Zitrone sollte spürbar sein, sie betont die Frische der Pfirsiche.

Auf Tellern anrichten und mit altem Balsamico und geriebenem Parmesan bestreuen.

Foto: © formschub

Sauerteig, mon amour

Die Finnen sind schuld. Schuld daran, dass ich zum Sauerteigbrotselbstbackfan wurde. Die Geschichte dazu ist etwas länger und ihr Beginn liegt schon eine Weile zurück. Aber sie ist ein schönes Beispiel dafür, was Konfuzius meinte, als er sagte »Der Weg ist das Ziel«.

Vor zweieinhalb Jahren besuchte ich, wie schon öfter zuvor, den sehens- und vor allem schmeckenswerten Weihnachtsmarkt der Skandinavischen Seemannskirchen in Hamburg. In allen vier Kirchen wird an zwei Wochenenden – meist im November – bei liebevoll vorbereiteten Kunsthandwerks- und Lebensmittelbasaren allerhand Schönes und Köstliches aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland angeboten. Bei den Schweden gibt es z.B. Kanelbullar (mit einer Prise Kardamom!) und herrliche Smörrebröd-Schnittchen mit Köttbullar und Rödbetssallad. Die Dänen bieten natürlich Hot Dogs mit Røde Pølser an, bei den Norwegern lohnen sich die köstliche Lachssuppe oder ein Rentier-Burger, und die Finnen erweitern zusätzlich zu den angebotenen Snack-Ständen – an denen man auf jeden Fall mindestens die Lachsrollen (Lohipiirakka) probieren sollte – ihren ganzjährig geöffneten kleinen Lebensmittel-»Finn-Shop« zu einem prallgefüllten Mini-Supermarkt, u.a. mit Salzlakritz, Vodka, Senf, Marmeladen, Konserven – und Brot. Zwar nicht frisch gebacken, sondern abgepackt, aber auf jeden Fall original aus Finnland importiert und hierzulande anderswo schwer zu bekommen.

Eine Sorte dieses Brotes hatte es mir besonders angetan: finnische Roggenringe (Ruisreikäleipä), eine ungewöhnliche Brotsorte in Form flacher Ringe mit einem Loch in der Mitte. Die Form hat einen ganz praktischen Ursprung: die Ringe wurden in der dunklen kühlen und trockenen Vorratskammer früher auf Holzstangen aufgefädelt und dort so bis zum Verzehr gelagert. Die auf dem Weihnachtsmarkt angebotene Brotmarke »Ruthin Revitty« weckte, pur oder leicht angetoastet und nur mit Salzbutter bestrichen, beim Gaumenkontakt sofort Kindheitserinnerungen – dunkel, getreidig, mit einer unterschwelligen Säure … ich wusste sofort: so ein Brot, das den ganzen Mund ausfüllt mit seinem wunderbaren Brotgeschmack, das möchte ich auch einmal backen.

Auf der Packung des Brotes stand eine Zutatenliste – natürlich auf Finnisch: »Ruisjauho ja -rouhe (41%), vesi, vehnäjauho, ruismallasjauho, vehnägluteeni, suola (1,2 %), hiiva. Leivän viljasta ruista 66 %«. Google übersetzt das nicht sonderlich präzise, aber inzwischen weiß ich dank finnischer Unterstützung aus einer Facebook-Rezeptgruppe, es bedeutet »Roggenmehl und Roggenschrot, Wasser, Weizenmehl, Roggenmalzmehl, Weizengluten, Salz, Hefe. Der Roggenanteil des Brotes beträgt 66%.«. Doch Zutaten allein sind noch kein Rezept. Ich googelte also weiter, zunehmend auf Finnisch, denn deutsche und englische Quellen brachten mich nicht weiter. Ich lernte, dass der dafür genutzte Brotteig beim »Homebaking« selten, wie beim industriell abgepackten Brot, mit Hefe, sondern vielmehr mit Sauerteig angesetzt wird.

Sauerteig. Hm. Hatte ich schon mal gehört, aber noch nie beim Backen benutzt. Aber ich erinnerte mich, dass ich in Supermärkten und Reformhäusern schon Folienbeutel mit der Aufschrift »Sauerteig« gesehen hatte, unterließ zunächst weiteres Googeln, besorgte mir die entsprechende Menge dieses Produkts sowie die restlichen Zutaten des ersten ergoogelten Rezepts und machte mich ans Werk. Das Resultat war unterwältigend. Der Brotteig ging nicht auf, die Brote kamen hart und trocken aus dem Ofen. Geschmacklich und optisch gingen sie ungefähr in die richtige Richtung, aber irgendwas hatte ich falsch gemacht. Vielleicht lag es es am gekauften Sauerteig? Ich reaktivierte die Suchmaschine.

Und bald wusste ich: Dieser Sauerteig ist keiner mehr, er ist sozusagen ein Gewester. Die ewigen Jagdgründe haben ihn als Mitglied aufgenommen. Dies ist ein hingeschiedenes Triebmittel. (*) Alle Mikroorganismen, die darin einmal lebten, sind tot. Gekaufter abgepackter Sauerteig ist eine reine Aromazutat, der säuerliche Geschmack ist das Einzige, was er zum Brotteig beiträgt. Soll ein solcher Teig aber aufgehen, braucht er immer zusätzlich Hefe. Die jedoch hatte in meinem ersten Roggenringteig gefehlt – oder alternativ ein lebender Sauerteig. Doch woher kriegt man den?

Natürlich gibt es auch dafür im Netz Tutorials ohne Ende. Eine sehr schöne bebilderte Schritt-für-Schritt-Anleitung fand ich schließlich im Foodblog der »Küchenchaotin«, zusammen mit weiteren spannenden Rezepten für Sauerteigbrote. Meine Neugier war geweckt und ich machte mich ans Werk. Drei Tage später blubberte er in einem Weckglas vor sich hin: mein erster selbstgemachter Roggensauerteig.

Steriles Vorgehen bei der Zubereitung und Aufbewahrung von Sauerteig. So wichtig.

In der Zwischenzeit habe ich Dutzende Brote damit gebacken (kurioserweise allerdings dabei die anfänglich anvisierten finnischen Roggenringe etwas aus den Augen verloren, dazu später mehr). »Gefüttert« wird er etwa einmal die Woche mit 50 g Roggenmehl 1150 und 50 g lauwarmem Wasser. 24 Stunden später kommt er wieder mit lose aufliegendem Glasdeckel in den Kühlschrank und damit in den Kälteschlaf. Ich weiß inzwischen, wie er riechen darf und soll, wenn es ihm gut geht (nach Essig, Hefe, Brotteig oder leicht obstig), wie er riecht und aussieht, wenn er »hungrig« ist (nach Nagellackentferner) und was untrügliche Anzeichen dafür wären, dass er verdorben ist (wahlweise Schimmel, eine dunkle oder anderweitig auffällige Farbveränderung oder ein anderer als die zuvor genannten Gerüche). Von Zeit zu Zeit bette ich ihn wechselnd in ein zweites steriles Glas um. Er war sogar schon einmal mit in Dänemark im Urlaub. In dunkler Erinnerung an den vor Jahrzehnten zur Schulzeit umgehenden Wanderteig »Hermann« hatte ich sogar schon mal überlegt, ihm einen Namen zu geben, etwa »Gärhard« oder »Gärtrud« (hat Sauerteig überhaupt ein Geschlecht?), aber dann beließ ich ihn namenlos. Er ist ein pflegeleichtes, ruhiges, nützliches, nicht haarendes, gassifreies, kleines Haustier. Und bei regelmäßiger Fütterung und Zuwendung prinzipiell unsterblich.

Natürlich gibt es zu dem Thema ohne Ende Informationen, Tipps, Foren, Facebookgruppen, Blogs und Rezepte im Netz. Und als Neuling stößt man von Anfang an auf etliche Fachbegriffe, die zuerst nerdig anmuten, sich aber nach und nach als durchaus sinnvoll erschließen. Da ist von »Gare« und »Führung« des rohen Teiges die Rede, von »Autolyse«, vom »Quellstück« und »Kochstück«, vom »Einschießen« und »Schwaden« während des Backvorgangs und von etlichem mehr. Auch dafür gibt es natürlich Seiten mit Erklärungen, etwa die Seite »Bäckerlatein«, aufgesetzt und gepflegt vom Blogger und »Brotpapst« Lutz Geißler, der zudem ein unglaublich umfangreiches Rezept- und Backblog betreibt und von dem ich inzwischen auch ein empfehlenswertes Sauerteig-Brotbackbuch besitze.

Die Liste meiner seither ausprobierten, leidlich bis famos gelungenen, aber nie wirklich missratenen Sauerteigbrote nach Rezepten aus Büchern und von Websites ist lang. Grundsätzlich lassen sie sich grob in zwei Kategorien einteilen:

  • Brote mit mehrstufiger Zubereitung und einer größeren Menge Sauerteig als »Triebstarter«, d.h. der Teig wird in mehreren Phasen angesetzt, die von längeren Ruhe- und Reifezeiten unterbrochen sind. Entweder geschieht dies, indem mit einer kleinen Menge Sauerteig (10–30 g) ein »Vorteig« angesetzt wird, dessen Mehlanteil sich innerhalb von 8 bis 24 Stunden ebenfalls zu Sauerteig wandelt, welcher dann wiederum mit weiteren Zutaten fertig verarbeitet wird. Oder man gibt gleich von Anfang an aus dem Vorratsglas eine größere Menge Sauerteig (100–200 g) mit weiteren Zutaten in den Teig, aber auch hier folgt nach einer (kürzeren) Ruhezeitspanne erst noch die Zugabe der restlichen Teigzutaten, dann meist eine weitere, kurze Reifezeit und schließlich das Backen.
  • Brote mit einstufiger Zubereitung und einer kleinen Menge Sauerteig, die mit allen restlichen Zutaten zum Brotteig vermengt wird und dann 18–24 Stunden lang mit wenig weiterer Intervention zum backbereiten Brot heranreift und dabei aufgeht. Wie Sauerteig als Triebmittel im Teig genau »funktioniert« und was er tut, damit das Brot aufgeht, wird z.B. auf dieser Seite detailliert erklärt.

Was darüber hinaus noch variiert, sind die Form und der Backvorgang. Man bäckt Brote mit weicherem Teig vorzugsweise in einer Brotbackform (meistens eine Kastenform). Der Vorteil: die Scheiben eines derart gebackenen Brotes sind alle annähernd gleich groß.
Formbare, festere Teige können zu einem runden oder länglichen Laib »gewirkt« werden, der in einem passenden Gefäß (Schüssel oder Gärkorb) bis zum backfertigen Zustand reift (»Gare«), dann auf einen bemehlten Brotschieber gestürzt und als frei liegender Laib auf das Backblech oder, noch besser, auf einen Backstein (»Pizzastein«) aus Schamott o.ä. in den Ofen geschoben wird. Oft wird ein solcher Laib mit »Schwaden« gebacken, das bedeutet, dass nach dem Einschieben des Brotes in den heißen Ofen ein kleines Glas Wasser in den heißen Innenraum gegossen wird und der Brotlaib quasi einen »Sauna-Aufguss« erhält. Durch den heißen Dampf wird die Außenhaut des Brotlaibes »schockgedämpft«, sie wird augenblicklich fester, hält den Laib beim Backen besser in Form und verhindert ein Auseinanderlaufen. Manche modernen Elektroherde haben eine solche Dampffunktion bereits eingebaut.
Die dritte Option ist das Backen in einem runden/ovalen gusseisernen hitzefesten Topf oder einer rechteckigen gusseisernen Pastetenform. Die Form wird im Ofen mit vorgeheizt (meist auf 230–250 °C) und der gereifte Laib dann vorsichtig in die heiße Form gestürzt, anschließend wird die Ofentemperatur sofort auf etwa 200 °C reduziert. Das Backen geschieht oft eine Zeitlang mit Deckel, später wird der Deckel für den Rest der Backzeit entfernt, was zu einer besonders knusprigen Brotkruste führt.

Nach dem Backen lässt man das Brot am besten für 3–6 Stunden auf einem Gitterrost auskühlen. Vorsicht: Brote, die in einer Kastenform gebacken wurden, sollten nicht zu früh gestürzt werden! Oft ist das Brot durch Hitze und Feuchtigkeit noch sehr weich und kann bei zu frühen Sturzversuchen zerfallen. Ich empfehle, etwa eine halbe Stunde zu warten und ein Kastenbrot erst dann vorsichtig aus der Form zu nehmen. Bleibt es zu lange in der Form, sammelt sich kondensierte Feuchtigkeit innen an der Form und die Brotkruste beginnt zu durchweichen.
Ist das ausgekühlte Brot handwarm ausgekühlt, kann die erste »Testscheibe« abgeschnitten werden. Mit Salzbutter bestrichen, ist sie der beste Beleg dafür, ob das Brot gelungen ist oder nicht. Je nach Brotteig und den verwendeten Mehlsorten kann ein sehr frisches Brot an der Messerklinge kleben. Dies ist kein Indiz dafür, dass das Brot misslungen ist oder nicht lange genug gebacken wurde. Meist verbessert sich das Schnittverhalten nach 1–2 Tagen deutlich, manchmal erlebte ich diesen Effekt ebenso bei gekauften Broten aus guten Bäckereien.

Zwei wichtige Besonderheiten bei Sauerteigbroten möchte ich noch erwähnen: zum einen sind sie generell deutlich länger haltbar als Brote aus Hefeteig, industriell hergestellte (konservierungsmittelfreie) Brote und auch meist haltbarer als in Bäckerketten hergestellte Brote. In frisches Küchenpapier gewickelt und an einem kühlen Ort oder im Kühlschrank in einer Plastiktüte aufbewahrt, hielten sich meine selbstgebackenen Sauerteigbrote problemlos auch angeschnitten 10 Tage und länger.

Zum zweiten sind sie durch die langen Ruhezeiten von 18–24 Stunden (oder länger) auch ausgesprochen gut verträglich. Selbst Menschen, die meinen, sie hätten eine Gluten-Unverträglichkeit oder die nach dem Verzehr industriell hergestellten Brotes unter Reizdarm-Symptomen leiden, können mit lange gereiftem Brot (sogar solchem mit Weizenmehl) ihre Beschwerden loswerden. Der Grund: durch die lange Reife werden von den Mikroorganismen im Sauerteig sogenannte »FODMAPs« (schwer verdauliche, im Mehl enthaltene Zuckermoleküle) nahezu komplett abgebaut, die in Industriebroten meist noch vorhanden sind.


Inzwischen habe ich auch ein eigenes Teigrezept für die anfangs erwähnten finnischen Roggenringe entwickelt. Ich habe mit diesem Teig zunächst nur ein Kastenbrot gebacken, das schon mal recht gut gelang. Aber wie bei vielen anderen Hobbys ist der Weg eigentlich niemals zuende. Man kann immer Neues ausprobieren, variieren, erfinden, besser werden. Und der Lohn der Mühe ist beim Brotbacken sogar essbar. 🙂


Meine derzeitigen Lieblingsrezepte

Roggensauerteig »nach finnischer Art«

(für einen 1-kg-Laib Kastenbrot oder handgeformte Ringe, eigenes Rezept, in Weiterentwicklung)

Zutaten für den Vorteig
175 g mittelgrober Roggenschrot
195 g Roggenmehl 1150
110 g lebender Roggensauerteig
325 ml Wasser

Zubereitung Vorteig
Alles in einer großen Schüssel gut miteinander verrühren und abgedeckt bei Zimmertemperatur für 12–14 Stunden reifen lassen.

Zutaten für den Hauptteig
der fertige Vorteig von oben
9 g Salz
215 g Weizenmehl 550
9 g dunkles Roggenmalz
4 g frische Hefe
125 ml lauwarmes Wasser

Zubereitung Hauptteig
Die Hefe im Wasser auflösen und mit den restlichen Zutaten per Handrührgerät zu einem homogenen Teig verrühren. Den Teig in eine gebutterte Kastenform füllen und – je nach Hefeaktivität – 1,5–2 Stunden gehen lassen, bis der Teig leicht über die Kante der Form aufgestiegen ist. Die Oberfläche mit etwas Mehl bestäuben und der Länge nach anritzen.

Den Ofen derweil auf 250 °C vorheizen. Die Form mit dem Teig einstellen und die Temperatur sofort auf 175–180 °C reduzieren. Das Brot 50–55 Minuten backen, dann aus dem Ofen nehmen, nach ca. 30 Minuten vorsichtig aus der Form lösen und auf einem Gitter weiter auskühlen lassen.


Mørkt Rugbrød med Kerner
(Dunkles Roggenbrot mit Saaten)

Ein Rezept von einer dänischen Website (Louises Madblog), das ich ins Deutsche übertragen und in den Mengenangaben angepasst habe. Besonderheit: auch die festen Zutaten werden hier per Volumen (Messbecher) abgemessen. Es gelingt immer und ist auch für »Anfänger« geeignet.

Zutaten für den Vorteig
100 ml mittelgrober Roggenschrot
100 ml mittelgrober Weizenschrot
100 ml Leinsamen
100 ml Sonnenblumenkerne
200 ml lebender Roggensauerteig
400 ml zimmerwarmes Wasser

Zutaten für den Hauptteig
der fertige Vorteig von oben
200 ml Weizenmehl 550
200 ml Roggenmehl 1150
1 EL Salz
1 EL dunkles Roggenmalzmehl (gibt’s z.B. im Reformhaus)
1 EL Ahornsirup

Zubereitung Vorteig
In eine große Schüssel Roggenschrot, Weizenschrot, Leinsamen und Sonnenblumenkerne, zusammen mit Wasser und Sauerteig geben. Mindestens 8 Stunden ruhen lassen. Gegebenenfalls abends einweichen.

Zubereitung Hauptteig
Am nächsten Tag die restlichen Zutaten in die Schüssel geben und alles zu einem homogenen Teig verrühren. 1–2 Stunden in der Schüssel gehen lassen.

Den Teig in eine eingebutterte Kastenbrotform füllen. Mit etwas Frischhaltefolie oder einer Topfhaube so abdecken, dass die Folie auch den aufgegangenen Teig später möglichst nicht berührt und das Brot 1–2 Stunden lang gehen lassen, bis der Teig die Oberkante der Form erreicht. Die Abdeckung dann entfernen.

Die Form in den auf 180 °C vorgeheizten Ofen stellen und 1 Stunde lang backen.

Das Brot nach 20–30 Minuten aus der Form nehmen und auf einem Rost abkühlen lassen. Zur Lagerung wird es mit Küchenpapier umhüllt und in eine Plastiktüte verpackt, damit die Kruste nicht zu hart wird. Man kann es auch im Kühlschrank aufbewahren.


Roggenmischbrot mit Walnüssen

Auch dieses Rezept stammt von einer Website (zartbitter & zuckersüß), ich notiere es hier nur deshalb separat, da es im Original relativ viel Teig ergab und ich die Mengen so weit nach unten angepasst habe, dass der fertige Brotlaib etwa 1 kg wiegt, daher die etwas krummen Zahlenangaben. Das Rezept ist ebenfalls ziemlich gelingsicher.

Zutaten
15–20 g lebender Roggensauerteig
433 g Weizenmehl 550
133 g Roggenvollkornmehl
200 ml Apfelsaft
200 ml Wasser
(wer mehr Süße möchte, kann bei gleicher Gesamtmenge von 400 ml Flüssigkeit auch den Apfelsaftanteil erhöhen und entsprechend weniger Wasser nehmen)
133 g Walnüsse
1 knapper gestrichener EL Salz

Alle Zutaten in eine Rührschüssel geben und zu einem homogenen Teig verrühren. Zum Schluss kommen die grob zerbrochenen Walnusskerne dazu. Die Schüssel mit Folie oder einer Topfhaube abdecken und 24 Stunden bei Zimmertemperatur ruhen lassen. Wer mag, kann den Teig in dieser Zeit etwa 4-5 mal dehnen und falten, das verbessert die Teigstruktur.

Nach Ende der Ruhezeit den Teig vorsichtig auf eine leicht bemehlte Arbeitsfläche geben, so dass möglichst wenig von dem enthaltenen Gas entweicht und den Teig zu einem Laib formen. Anschließend den geformten Teig in einen bemehlten Gärkorb oder in eine ausreichend große Schüssel legen, die mit einem gut bemehlten, sauberen Geschirrtuch (idealerweise aus Leinen) ausgelegt ist. Dann das Gärgefäß mit einem weiteren sauberen Tuch abdecken und erneut für eine Stunde gehen lassen.

Den Ofen (vorzugsweise mit einem Backstein) auf 250 °C vorheizen. Anschließend den Teig aus dem Gärkorb auf ein leicht bemehltes Backpapier auf einem Brotschieber oder einem hinreichend großen, stabilen Stück Wellpappe stürzen, die Oberseite mit einem scharfen Messer oder einer Rasierklinge mehrmals einritzen und auf den Backstein oder das Backblech im Ofen schieben. Das alles sollte relativ schnell gehen.

Ist das Brot im Ofen, ca. 50–100 ml Wasser auf den heißen Ofenboden gießen und die Ofenklappe sofort schließen. Dann sofort die Backtemperatur auf 200 °C reduzieren. Nach 30 Minuten die Ofentür öffnen und den Dampf ablassen, dann noch ca. 25 Minuten weiterbacken. Das Brot ist fertig gebacken, wenn die Kruste schön dunkelbraun ist und sich ein Klopfen auf den Boden des Laibs hohl anhört.


Weitere Links zu einigen der abgebildeten Brote und mehr

Sonstige Rezepte für die abgebildeten Brote stammen aus dem im Text genannten Sauerteig-Backbuch und/oder wurden von mir aus gedruckten oder online veröffentlichten Rezepten abgewandelt.

Die Links in diesem Artikel führen nach Möglichkeit auf die Websites der Hersteller, um keinen Online-Shop zu bevorzugen. Ich nenne Produkte nur, weil ich diese erfolgreich und gerne beim Backen verwende, nicht weil ich damit Geld verdiene.

In einem solchen Weckglas mit Deckel lässt sich Sauerteig im Kühlschrank gut aufbewahren.

Alle Fotos auf dieser Seite: © formschub

Auszeit mit Farbfasten

Immer noch: Corona, Masken, Händewaschen, Desinfektionsmittel, Abstand. Endlich wieder: Urlaub, Meeresrauschen, Waldluft, Radfahren, Draußensein. Fünf wundervolle Tage in einer traumhaften Gegend: in und um Stralsund und auf Rügen. Angeregt durch eine Facebook-Challenge (»Zehn Tage. Zehn Bilder meines Alltags in Schwarzweiß«) habe ich diesmal fast ausschließlich monochrom fotografiert. Denn die erlebten, gesehenen Farben kann ohnehin kein Film, kein CMOS-Chip wirklich einfangen. Die nehme ich allein in meinem Kopf mit nach Hause.

Vers-uchsweise

Ich bin kein Literaturübersetzer und es heißt ja, Gedichte zu übersetzen, sei eine der schwierigsten Disziplinen dieser Zunft, aber ich möchte es zumindest einmal versuchen – für eines meiner Lieblingsgedichte. Das Werk stammt von der amerikanischen Schriftstellerin Mary Oliver und trägt im Original den Titel »The Sun«.

Die Sonne

Erblicktest du jemals
im Leben
etwas Schöneres

als die Sonne,
die allabendlich
ruhig und stetig
gen Horizont sinkt

in die Wolken, auf die Hügel,
in das wogende Meer,
wie sie verschwindet –
und wieder aufsteigt

aus dem Dunkel
jeden Morgen,
auf der anderen Seite der Welt,
so blütenrot,

sich aufschwingend zu ihrer himmlischen Bahn,
eines Morgens etwa, im frühen Sommer,
in strahlender Ferne, so nah –
und empfandest du jemals für etwas
so tiefe Liebe –
glaubst du, weit und breit, in den Sprachen der Welt,
umfasste ein Wort gänzlich
die Freude

die dich durchströmt
wenn die Sonne
dich berührt
und dich wärmt,

wenn du dastehst
mit leeren Händen,
oder wandtest auch du dich
ab von der Welt –

oder ließest auch du
dich blenden
von Macht,
von Besitz?

(Mary Oliver)


Foto: © formschub

Sign oder nicht sign

»No«
Foto: © sboneham on flickr | Licensed under CC BY

Als kleine Hommage an das schöne Gedicht »Senf drauf« von Max Goldt und inspiriert vom täglichen, ach was, stündlichen Aufschäumen des Internets zu aktuellen Themen und Diskursen kredenze ich heute mal wieder ein paar selbstgetextete Verse:

Der Briefkasten voll Werbemist?
Das Wetter dauernd nass und trist?
Start ’ne Petition!

Benzin kostet schon wieder mehr?
Der Kühlschrank ist andauernd leer?
Start ’ne Petition!

Im Radio nur Schlagerdreck?
Merkel nervt, die soll bloß weg?
Start ’ne Petition!

Das geht schnell und kostet nix.
Schau, schon fünfzigtausend Klicks!
Jetzt müssen »die da oben« sehn:
so kann es nicht weitergehn!

Klaus Kleber trägt ne Scheiß-Krawatte?
Zu wenig Schaum im Caffe Latte?
Start ’ne Petition!

Penner stör’n das Straßenbild?
Zu wenig Titten in der BILD?
Start ’ne Petition!

Kinderlärm von nebenan?
Verspätung mit der Deutschen Bahn?
Start ’ne Petition!

Das macht Druck und geht ganz fix.
Geil, schon hunderttausend Klicks!
Jetzt zeigen wir es den Eliten,
das lassen wir uns nicht mehr bieten!

Du denkst, dies ist ein Scheißgedicht?
Was ich schreib’, gefällt dir nicht?
Start ’ne Petition!