Monster und Gruselgestalten haben mich schon als Kind fasziniert. Es begann mit Otfried Preusslers »Kleinem Gespenst« im Grundschulalter. Meine »Hui Buh«-Schallplattensammlung war lückenlos. Die Eltern wurden bekniet, länger aufbleiben zu dürfen, wenn Christopher Lee als Dracula in der Fernsehvorschau der »Hörzu« angekündigt war. Bücher über Vampire, Ghouls, Aliens und Harpyen füllten meine Teenagerbibliothek. Ich verschlang alles von Stephen King, las Gruselanthologien, schlich durch die ersten Videotheken Mitte der Achtziger Jahre und goutierte die Covertexte und -fotos der damals ganz ungeniert ausgestellten Splatter- und Zombiefilme. Dass mir dieselben Horrorwesen, die mich des Tages und in Gesellschaft Gleichgesinnter faszinierten, nachts oft den Schlaf raubten, nahm ich in Kauf. Mein Lieblingszitat dazu stammt ebenfalls von Stephen King:
»Das Ding, das unter dem Bett darauf lauert, meinen Fuß zu packen, ist nicht real. Ich weiß das, aber ich weiß auch, daß es mich nie erwischen wird, solange ich meinen Fuß gut unter der Decke halte.«
Und so war es auch nicht verwunderlich, dass ich aus dem farbenfrohen, reichhaltigen Bastelset mit ofenhärtbarer FIMO-Knete, das ich um mein sechzehntes Lebensjahr herum erhielt, keine Serviettenringe und Blumenbuketts knetete, sondern Monster. Monsterköpfe, genauer gesagt. Ich habe sie bis heute sorgsam aufgehoben, in einer kleinen Pappschachtel, die mit leuchtendrotem Flokatiplüsch ausgelegt ist.
Gerade habe ich sie geöffnet. Es ist schon spät und seit vielen Stunden dunkel. Der Wind pfeift ums Haus, so leise, dass man es erst hört, wenn alle Unterhaltungsgeräte ausgeknipst sind, und ja, selbst in einer Großstadt wie Hamburg kommt es mir so vor, als ob ab und zu das Licht flackerte, nachts, wenn die Monster durch die kleine Tür am oberen Ende unseres Rückenmarks in unsere Köpfe klettern. Einige, die ich persönlich kenne, möchte ich Euch jetzt gerne vorstellen.
Das Erstlingswerk, eine freie Studie zur Faszination der Asymmetrie, wie sie z.B. auch wunderbar im Gesicht des entstellten Forschers Prof. Deemer im Jack-Arnold-Film »Tarantula« (1955) zum Ausdruck kam. Die Haare sind aus schwarzem Nähgarn, das mit Uhu an den Monsterschädel geklebt ist.
Zombies und Untote dürfen natürlich in einer Monstergalerie nicht fehlen. Ein bisschen Frankenstein, ein paar klaffende Wunden (Revell Modellbaufarbe) und ein hübsch exponierter Augapfel. Voilà.
Das Monster ist datiert auf 1984, der Film »Critters« kam erst 1986 in die Kinos, dennoch ist eine gewisse Ähnlichkeit des maliziösen nadelzahnigen Grinsens beider Protagonisten nicht von der Hand zu weisen. Die grundlegende Anatomie weist Züge von »Star Trek«- und »Star Wars«-Aliens auf, eine Besonderheit sind die neongrünen aufgeklebten Papierpupillen (geklaute Fetzen eines Supermarktplakates).
Ganz klar eine Interpretation des Chefvampirs Kurt Barlow aus der fürs Fernsehen gedrehten Stephen-King-Verfilmung »Salem’s Lot« (1979), der sich seinerseits an den von Max Schreck gespielten Ur-Zelluloidvampir Graf Orlok aus dem Stummfilm »Nosferatu« (1922) anlehnt. Seit ich die Vampire in diesem TV-Film sah, wünschte ich mir lichtreflektierende Kontaktlinsen.
Einer meiner Lieblingshorrorfilme ist »Das Ding aus einer anderen Welt« von John Carpenter (1982). Viele wissen, dass der Film ein Remake des gleichnamigen Schwarzweißfilms aus dem Jahr 1951 ist. Weniger bekannt ist die Literaturvorlage beider Filme, die Science-Fiction-Kurzgeschichte »Who Goes There?« (1938) von John Wood Campbell Jr. In dieser Story wird das unheimlich wandelbare Wesen aus dem All so beschrieben:
»Das Ding, das an einen blauen Gummiball erinnerte, sprang hoch. Einer seiner vier tentakelartigen Arme zuckte ihnen entgegen wie eine zustoßende Schlange. (…) Die strichdünnen Lippen des Ungeheuers entblößten giftschlangenähnliche Fangzähne und verzogen sich zu einem widerlichen Grinsen. Die roten Augen blitzten vor Wut.«
Daraus und aus einer bizarren Metamorphose in einer Szene der Carpenter-Verfilmung wurde dieses kleine Scheusal geboren.
Eine zweite Zombie-Interpretation in fortgeschrittenem Verwesungszustand. Dem Fehlen einer intakten – offenbar vormals recht stattlichen – Nase insbesondere war wohl das Hauptaugenmerk dieser Knetstudie gewidmet. Wozu die insgesamt 8 Nasenkammern dienen, ist nicht überliefert. Die Frisur nutzt Stücke eines mottenkugelparfümierten Schwarzfuchskragens, der kurz zuvor aus Omas Kleiderschrank geflogen war.
Die gelben Reflektoren aus einer im Bordstein gefundenen Kunststoff-Baustellenmarkierung waren die Inspiration für dieses Reptilienwesen. »Tolle Augen« dachte ich mir und buk die herausgebrochenen Glaszylinder in den FIMO-Schädel ein. Und da Punk Mitte der Achtziger so lebendig war wie nie, lag auch die Anregung für die Haartracht bald nahe. Die Zunge mag eine unbewusste Reminiszenz an den KISS-Sänger Gene Simmons sein, obwohl mich die Musik dieser Band nie sonderlich interessierte.
Soweit der Ausflug in meine kleine FIMO-Monsterwelt, kreiert während der Jahre von 1984 bis etwa 1986. Ich wünsche eine gute Nacht – und deckt Euch gut zu …
Monsterdesign und Fotos: © formschub