Kategorie: Von der Tageskarte

Kaum passiert, schon gebloggt

Vergissmeinnicht

Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Speicherkapazität meines Gehirns scheint dafür reserviert zu sein, sich komplett unnütze Dinge zu merken. Oft haben diese Erinnerungen etwas mit Sprache zu tun. So kann ich mich noch heute, nach Jahrzehnten, an Werbeslogans erinnern, die selbst im Internet bisweilen nicht (mehr) auffindbar sind, aber ich weiß, dass es sie gab. So memoriere ich zum Beispiel einen Slogan für den Kinderjoghurt »Fruchtzwerge«, der entweder vor oder nach dem Klassiker »So wertvoll wie ein kleines Steak« kurz auf Sendung war und offensichtlich den besonders erwähnenswerten Calciumgehalt der Milchspeise thematisieren sollte: »Weil Müttern gefällt, was Kinderknochen kräftig hält«. Eine Brotfirma, ich weiß nicht mehr welche, warb für kurze Zeit im Fernsehen mit einem Spruch, der bei den einkaufenden Hausfrauen (Männer kauften damals anscheinend nur als Junggesellen Brot) eventuelle Frischezweifel am eingeschweißten Industriegebäck zerstreuen sollte: »Bevor ich’s kauf, drück’ ich drauf«. Möglicherweise war dieser Slogan auch nur deshalb so kurz in Gebrauch, weil die Wegwerfrate zerdrückter, aber ungekaufter Brotpackungen in den Supermärkten daraufhin sprunghaft anstieg. Ist aber nur eine Vermutung. Und natürlich erinnere ich mich an Dutzende uralter Werbesprüche, die bei meiner Generation quasi zum Allgemeinwissen gehören »Das ist schon einen Asbach Uralt wert«, »Da weiß man, was man hat«, »Wäscht nicht nur sauber, sondern rein«, »Darauf einen Dujardin«, »Alles, was ein Bier braucht«, »Come in and find out«, »Quadratisch. Praktisch. Gut.«, »Alles Müller – oder was?« und und und …

Manche Produkte gibt’s inzwischen gar nicht mehr auf dem Markt (»Hallo, Janine D.!«), bei vielen der beworbenen Artikel gehörte ich weder zur Zielgruppe noch habe ich sie jemals gekauft (»Wer wird denn gleich in die Luft gehen?«) und trotzdem haben die Werbebotschaften einen festen Platz in meinem Kopf. Ziemlich effizientes Marketing, würde ich sagen.

Ein anderer Teil des Sprachspeichers in meinem Gehirn hingegen ist belegt mit auswendigen Sprachsouvenirs aus Filmen, Serien, Hörspielen, Lesungen oder Sketchen von und mit Prominenten. Auch hier teilen sich die erinnerten Textschnipsel in solche, die fast jeder kennt, wie etwa »Palim, palim!« (Dieter Hallervorden), »Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein!« (Loriot), »Was? Nein! Doch! Oooh …!« (Louis de Funès) und solche, an die sich womöglich außer mir nur wenige erinnern, wie »Deklinieren lernt man nicht in Diskotheken!« (Max Goldt), »Haaalooo! Ist da die Irrenanstalt?« – »Hihihi, kann schon sein …!« (aus dem Film »Im Himmel ist die Hölle los«) oder »Wissen Sie, wohin Sie gähän? Und zu wäm Sie gähän? Bleibän Sie hiiier! Noch könnän Sie zurüück … ich flähä Sie aaan!« (aus dem EUROPA-Schallplattenhörspiel »Dracula«). Millionen Neuronen, blockiert mit irgendwann mal gehörtem Zeug. Es ist unfassbar.

Die dritte Kategorie, die einen nennenswerten Anteil meiner grauen Zellen blockiert, sind Sätze, Wörter oder Unterhaltungsfragmente aus Alltagssituationen. (Mir) fremde Menschen sagen irgendwas, auf der Straße, im Zug oder im Fernsehen und mein Hirn hat nichts Besseres zu tun als zu denken »Oh, das merke ich mir mal, ab in den Langzeitspeicher damit!«. Es folgen ein paar Beispiele – und gleich das erste davon ist übrigens der Impuls für diesen Blogartikel gewesen.

Kürzlich, im ICE von Hamburg nach Berlin

Auf den beiden Sitzplätzen vor mir reisen zwei junge Frauen, geschätzt gerade noch Teenager, eventuell schon in den frühen Zwanzigern. Perfekt geschminkt, frisiert, die fast schon obligatorischen braunerbärdichten falschen Wimpern über den Lidern. Sie unterhalten sich kaum, nach geraumer Zeit trifft offensichtlich ein Anruf auf dem Handy einer der beiden ein. Man muss sich das Gedächtnisprotokokoll des Wortlauts nun vorstellen mit einer sehr genervt klingenden Singsangstimme, das »tt« in »bitte« endet dabei leicht affektiert mit einem Zischlaut:

»Jahaaaa! Was ist deeenn? Ich habe geschlafeeen
»…«
»Ist es wichtiiig? Ich sag’ doch: ich hab’ grad’ geschlafeeen
»…«
»Orrrr! Könn’ wir das bitt-e nachher besprecheeen?«

Einst im Museum für Kunst und Gewerbe

In diesem Museum gibt es eine interessante Dauerausstellung mit historischen alten Musikinstrumenten. Man kann sich diese entweder still für sich selbst anschauen oder an den gelegentlich veranstalteten Führungen teilnehmen, bei denen man neben einigen interessanten Informationen und Anekdoten rund um die Exponate, die dazugehörigen (musikalischen) Epochen, Komponisten und Musiker auch live dargebotene Hörproben auf einigen der spielbaren Instrumente dargeboten bekommt. Als ich einmal an einer dieser Führungen teilnahm, war die moderierende Person eine Frau mit einer sehr zarten, leisen und »kultiviert« klingenden Stimme. Während ihrer ausgesprochen kundigen und interessanten Ausführungen brachte sie jedoch ab und zu etwas durcheinander oder versprach sich, und immer, wenn das geschah, unterbrach sie ihren melodisch intonierten Vortrag mit einem deutlich lauteren, explosiven »QUATSCH!«, um dann sofort wieder in leiseren Tonfall zurückzufallen, sich zu korrigieren und fortzufahren. Man kann sich das ungefähr so vorstellen (da ich nicht mehr genau weiß, was die Dame wörtlich sagte, habe ich einen sinnverwandten Text bei Wikipedia zugrundegelegt):

»… Die Sinfonie Nr. 38 in D-Dur KV 504 komponierte Wolfgang Amadeus Mozart im Jahr 1786. Das Werk, bei dessen Aufführungen durch zeitgenössische Orchester oft auch ein Cembalo als Generalbass-Instrument eingesetzt wurde, trägt den Beinamen ›Wiener Sinfonie‹ … QUATSCH! … ›Prager Sinfonie‹«.

Vor Jahren, am Berliner S-Bahnhof Treptower Park

Wieder treffe ich (Fernbeziehung) aus Hamburg an der Endstation meiner Reise nach Berlin ein. Ich steige aus der S-Bahn und gehe Richtung Treppenabgang und Ausgang. Am Kopf der Treppe passiere ich ein junges Paar (m/w), beide Punks. Es gab offenbar Streit. Der Typ hält die Frau an den Schultern, schüttelt sie energisch (es wirkt etwas verzweifelt, aber nicht gewalttätig) und schreit ihr ins Gesicht »DU BIST DIT LIEBSTE, WATT ICK HABE!!!«. Es war eine der denkwürdigsten Liebeserklärungen, derer ich jemals Zeuge werden durfte.

Damals in der finnischen Sauna

In der Hamburger Ditmar-Koel-Straße, nahe den Landungsbrücken an der Elbe, haben die vier skandinavischen Seemannskirchen aus Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark ihren Sitz. Die zwei Besonderheiten der finnischen Kirche sind erstens ein kleiner Lebensmittelshop mit finnischen Spezialitäten und zweitens eine Sauna (!) im Untergeschoss, die gegen Eintritt für jedermann/jederfrau zugänglich ist. Bei meinem ersten Besuch dort ist unter den Gästen auch ein »waschechter«, der deutschen Sprache mächtiger Finne, mit dem ich und meine Begleitung in Smalltalk kommen. Er erzählt, die deutsche Redewendung, die ihm am besten gefiele und für die es im Finnischen keine Entsprechung gäbe, sei »Malkukken«. Er spricht dieses Wort so original finnisch aus, dass ich es seither häufiger in gesprochener (und in der o.g. Schreibweise auch schriftlich) in meinen Wortschatz übernommen habe.

Irgendwann mal im Privatfernsehen

Bei mir zu Hause auf dem Sofa. Ich zappe durch die Kanäle und bleibe bei der Reality-Show eines Privatfernsehsenders hängen (RTL?), deren Konzept es entweder zu sein scheint, dass ein nach irgendwelchen Kriterien kombiniertes und sehr auf sein Äußeres bedachtes Paar (m/w) in eine Nobelunterkunft im »sonnigen Süden« verfrachtet wird und dort unter Kamerabeobachtung eine zeitlang lebt, oder die Sendung begleitet zu Unterhaltungszwecken wohlhabende oder neureiche Paare bei der Besichtigung luxuriöser Immobilien. Als Prominente sind (für mich) beide nicht zu erkennen. Sie betreten eine unfassbar geräumige, »lichtdurchflutete« und edel eingerichtete weiß getünchte »Finca« und besichtigen die Räumlichkeiten.

Frau (beim Reinkommen): »Boah. Voll groß!«
Mann: »…«
(Sie gehen weiter ins Wohnzimmer, vor der Fensterfront eine herrliche Aussicht auf eine sonnige Landschaft mit Meer und Palmen.)
Frau: »Boah. Voll hell!«
Mann: »…«
(Das Paar geht hinaus auf die Veranda, im Garten: ein riesiger Swimmingpool.)
Frau: »Boah. Voll schön!«
Mann: »…«

Ich zappe weiter. Aber diese Szene werde ich wohl nie wieder vergessen.

Dächte ich jetzt noch eine Weile nach, fielen mir bestimmt noch haufenweise weitere Filmszenen, Alltagsbelauschungen oder Werbesprüche ein, die sich fest in meine Hirnwindungen eingebrannt haben. Einerseits frage ich mich zwar, warum ich mir sowas merke. Aber andererseits denke ich dann, würde der ganze Kram plötzlich gelöscht und der damit belegte Speicher wieder für andere Sachen freigegeben – ich wüsste, ehrlich gesagt, auf Anhieb gar nicht, was ich da reintun sollte.

Zumindest solange, bis ich mal wieder vorm Geldautomaten stehe und versuche, mich an meine Geheimzahl zu erinnern.

Hallo Partner – danke schön

Diesen Spruch kennt vermutlich von den jüngeren Lesern kaum einer mehr, aber Opa formschub erinnert sich noch gut daran. Bei Wikipedia liest man dazu:

„Hallo Partner – danke schön“ war der Titel der ersten bundesweiten Kampagne des 1969 gegründeten Deutschen Verkehrssicherheitsrates. Sie wurde am 4. Oktober 1971 der Öffentlichkeit vorgestellt. Angesichts steigender Unfallzahlen und vieler Verkehrstoter sollte der „Hallo-Partner“-Slogan mit positiven Leitbildern die Rücksichtnahme und die Hilfsbereitschaft im Straßenverkehr fördern und einen „Klimawechsel im Verkehr“ – so das Motto der Kampagne – herbeiführen. Die Aktion lief von 1971 bis 1974.

Quelle: Wikipedia

Begleitend zur Kampagne wurde ein Aufkleber erstellt, der im Laufe der Kampagne 3,8 Millionen mal verteilt wurde. Zwischen 1970 und 1975 gab es etwa 14 bis 18 Millionen Pkw in Deutschland, so dass rein rechnerisch auf 20–25% dieser Fahrzeuge einer dieser Aufkleber hätte kleben können, wären sie alle genutzt worden.

Bildquelle: Wikipedia, © Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V., Bonn, Vektorisierung: Dr. Schorsch.
Lizenziert unter CC-by-sa 3.0/de

Ich wünschte mir auch heute mal wieder so eine Kampagne. Breit angelegt, multimedial, online, mit Informationsvideos, Dokumentationen und Diskussionen im TV oder auf Social Media. Denn das Klima auf (deutschen) Straßen und Verkehrswegen ist gefühlt für mich so rauh wie noch nie. Autofahrer behindern und attackieren Rettungskräfte, Radfahrer werden bedrängt, Fußgänger werden missachtet, es wird gehupt, beschimpft, gepöbelt, geschnitten und genötigt. Jeder fühlt sich im Recht, schuld an Behinderungen und Zwischenfällen sind immer die anderen – die Radfahrer, die Fußgänger, die Autofahrer. Anstatt Partnerschaftlichkeit und Verständnis sind Grabenkämpfe alltäglich. Dabei ist es insgeheim wohl jedem bewusst, wie subjektiv diese Standpunkte sind. Denn wenn wir als Verkehrsteilnehmer – ob mit oder ohne Fahrzeug – draußen unterwegs sind, beurteilen wir alles um uns herum unweigerlich aus der eigenen Verkehrsperspektive: Als Autofahrer nerven mich Radfahrer, Fußgänger und andere Autofahrer. Als Radfahrer nerven mich Autofahrer, Fußgänger und andere Radfahrer. Und als Fußgänger nerven mich Autofahrer, Radfahrer und andere Fußgänger. Ich selbst mache natürlich in all diesen Rollen nie etwas falsch, aber alle anderen sind unfähige Hornochsen mit Tomaten auf den Augen. Die Selbstwahrnehmung legt hier gerne einen milden Weichzeichner über die Wahrnehmung der persönlichen Verkehrskompetenz, die Beurteilung des eigenen Verhaltens und die Priorisierung von Rechten und Pflichten.

Deshalb habe ich mal ein Gedankenspiel gemacht. Ich war selbst von 1986 bis 2015 Autobesitzer, bis mir bewusst wurde, dass ich in Hamburg eigentlich keines mehr brauche und es mich mehr Geld und Nerven kostete als es mir Vorteile brachte. Trotzdem sitze ich nach wie vor gelegentlich am Steuer, wenn ich zumindest zeitweise mal ein Auto benötige. Ich gehe viel zu Fuß, habe über den Arbeitgeber ein Monatsabo für den ÖPNV, fahre öfter mal mit dem Rad und für längere Strecken nehme ich die Bahn. Ich bin also, wie wohl viele andere, in nahezu allen der drei obengenannten Verkehrsteilnehmer-Kategorien unterwegs. Und jetzt schaue ich mal ganz systematisch auf die jeweils anderen und – auf mich. Im Auto, auf dem Rad und als Fußgänger, mit jeweils fünf Perspektivwechseln pro Abschnitt:

Immer die Autofahrer!

Was mich als Autofahrer an anderen Autofahrern ärgert

  • Wenn sie sich unbedingt »vordrängeln« müssen, beim Reißverschlussverfahren, beim engen Einscheren nach dem Überholen, beim Ausfahren aus einer Einfahrt oder Querstraße
  • Wenn sie mich mit zu geringem Sicherheitsabstand bedrängen, obwohl ich mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahre
  • Wenn sie »nur mal eben« rechte Spuren, Radwege und Seitenstreifen zuparken und das Fahrzeug verlassen (am besten noch mit LMAA-Warnblinker), so dass alle anderen ausweichen müssen
  • Wenn sie hupen, obwohl dies die Verkehrssituation weder verbessert noch die Ursache beseitigt
  • Wenn sie bei Stau keine Rettungsgasse bilden
  • Wenn sie bei Schnee, Eisglätte, Starkregen oder Nebel halsbrecherisch schnell fahren und zudem womöglich noch alle gebotenen Abstandsregeln missachten
  • Wenn ich sehe, dass sie im Fahrzeug auf ihrem Handy rumtippen
  • Wenn sie auf der Autobahn wie die Karnickel über mehrere Fahrbahnen hinweg die Spur wechseln, gerne dabei auch mal links überholen, mal rechts
  • Wenn sie rumträumen und nicht anfahren, wenn’s an der Ampel oder im Stau längst weitergeht
  • Wenn sie ihr Fahrzeug als Aggressionsventil oder gar als Waffe nutzen, um andere einzuschüchtern oder zu bedrohen
  • Wenn sie nicht blinken, bevor sie abbiegen
  • Wenn sie unbedingt noch in den Kreuzungsbereich einfahren mussten, aber dadurch dann bei Ampelgrün die Weiterfahrt für den Querverkehr behindern

Was mich als Radfahrer an Autofahrern ärgert

  • Wenn sie mich zu eng passieren oder überholen
  • Wenn sie ohne zu Schauen ihre Tür aufreißen
  • Wenn sie mit Kavalierstart oder Gasgeben an Ausfahrten, aus Parklücken oder Seitenstraßen absichtlich vor mir noch herausspurten, statt kurz zu warten
  • Wenn sie ihr Fahrzeug als Aggressionsventil oder gar als Waffe nutzen, um mich einzuschüchtern oder zu bedrohen
  • Wenn sie auf Radwegen halten oder parken, die sie laut Beschilderung und/oder StVO nicht zu nutzen haben
  • Wenn sie rechts abbiegen ohne nach hinten zu schauen oder gar vorsätzlich ignorieren, dass ich hinter/neben ihnen fahre
  • Wenn sie mich in einer »Radfahrer frei«-Einbahnstraße anhupen oder anpampen, weil sie die Beschilderung nicht sehen/respektieren
  • Wenn sie nicht blinken, bevor sie abbiegen
  • Wenn sie beim vorfahrtbedingten Halten und Warten nicht stillstehen, während ich vorbeifahre, sondern schon ungeduldig vorwärtsrollen

Was mich als Fußgänger an Autofahrern ärgert

  • Wenn ich an einem Zebrastreifen warte und von ihnen vorbeifahrend ignoriert werde
  • Wenn ich eine Seitenstraße überqueren möchte und von ihnen durchfahrend ignoriert werde
  • Wenn sie hupen oder mich drängen, weil die Fußgängerampel schon wieder rot wird, während ich noch die Straße überquere
  • Wenn sie Fußwege und Parkstreifen so eng und rücksichtslos zuparken, dass man sogar ohne Kinderwagen, Rollstuhl oder Gepäck nicht vorbei- oder durchkommt
  • Wenn sie auf Flächen fahren, parken oder halten, die sie laut Beschilderung und/oder StVO nicht zu nutzen haben
  • Wenn sie am Straßenrand minutenlang mit laufendem Motor stehen
  • Wenn sie nicht blinken, bevor sie abbiegen
  • Wenn sie unbedingt noch in den Kreuzungsbereich einfahren mussten, aber dadurch dann bei Ampelgrün den Übergangsbereich für Fußgänger blockieren

Was mich als Autofahrer an mir selbst ärgert

  • Dass ich viele der anderen Autofahrer für unfähige Verkehrsdilettanten halte, nicht nur die, die es tatsächlich sind
  • Dass ich mich schneller als üblich aufrege und in dem Blechkäfig dann oft vor mich hin pöbele
  • Dass ich zu meinem eigenen Vorteil oder für ein besseres Vorankommen Verkehrsregeln übertrete (schnell noch bei Dunkelgelb über die Ampel fahren, bei entspannter Verkehrslage Höchstgeschwindigkeit überschreiten)

Was ich als Autofahrer an mir selbst ganz gut finde

  • Dass ich zunehmend gelassener bin, seit ich kein eigenes Auto mehr habe und zumeist nur gelegentlich am Wochenende oder im Urlaub am Steuer sitze
  • Dass ich gerne entspannt ankomme und dafür lieber ein paar Minuten länger unterwegs bin
  • Dass meine Lieblings-Reisegeschwindigkeit zwischen 110 und 140 km/h liegt
  • Dass ich gerne »smooth« fahre, d.h. ohne abrupte Beschleunigungs- oder Bremsvorgänge und ohne fliehkraftgebeutelte Gegenstände bzw. Insassen beim Durchfahren von Kurven
  • Dass ich in den über 35 Jahren seit ich den Führerschein habe, bislang selbstverschuldet nur zwei kleinere Unfälle mit Blechschaden hatte
  • Dass ich praktische, kleinere Autos viel lieber mag als protzige Poser- oder Raserschlitten
  • Dass ich anscheinend so gut fahre, dass viele Beifahrer schlafen können, während ich sie chauffiere

Typisch Radfahrer!

Was mich als Radfahrer an anderen Radfahrern ärgert

  • Wenn sie auf der »falschen Seite« der Fahrbahn oder in entgegengesetzter Richtung auf dem Radweg fahren
  • Wenn sie mich bedrängen oder aggressiv überholen
  • Wenn sie vor mir ohne Handzeichen plötzlich abbremsen oder abbiegen
  • Wenn sie rote Ampeln, Vorfahrtsregeln und strikte Einbahnstraßenbeschilderungen nur als »Serviervorschläge« ansehen
  • Wenn sie sich mit Kopfhörern vor Warngeräuschen abschotten
  • Wenn sie auf dem Rad bei der Fahrt auf dem Handy rumtippen
  • Wenn sie ihr Rad an engen Fahrradparkbereichen so ungünstig platzieren, dass der Zugang zu noch freien Stellplätzen erschwert oder verhindert wird
  • Wenn sie abends und bei schlechten Sichtverhältnissen ohne Licht unterwegs sind
  • Wenn sie zu mehreren auf einem leidlich breiten Radweg gleich schnell nebeneinander fahren, so dass andere nicht vorbeikommen

Was mich als Autofahrer an Radfahrern ärgert

  • Wenn sie rote Ampeln, Vorfahrtsregeln und strikte Einbahnstraßenbeschilderungen nur als »Serviervorschläge« ansehen
  • Wenn sie mich zu eng passieren oder überholen
  • Wenn sie abends und bei schlechten Sichtverhältnissen ohne Licht unterwegs sind
  • Wenn sie vor mir ohne Handzeichen plötzlich abbremsen oder abbiegen
  • Wenn sie sich mit Kopfhörern vor Warngeräuschen abschotten
  • Wenn sie auf dem Rad bei der Fahrt auf dem Handy rumtippen
  • Wenn sie auf Spuren fahren, die sie laut Beschilderung und/oder StVO nicht zu nutzen hätten, und das, obwohl gut ausgebaute eigene Radspuren vorhanden sind

Was mich als Fußgänger an Radfahrern ärgert

  • Wenn sie ohne Not auf dem Fußweg fahren, insbesondere mit forschem Tempo
  • Wenn sie mir aggressiv den Weg abschneiden
  • Wenn sie an einem Ampelübergang mit Rad- und Fußgängerspur nicht in ihrem zugewiesenen Bereich bleiben

Was mich als Radfahrer an mir selbst ärgert

  • Dass ich manchmal nicht sorgsam genug schaue, wer wo hinter mir fährt, ehe ich halte oder abbiege
  • Dass ich ab und zu mal die Handzeichen vergesse
  • Dass ich auch mal über rote Ampeln oder auf eigentlich nicht für mich gedachten Bereichen fahre, weil’s bequemer ist und/oder schneller geht
  • Wenn ich denke »ach, auf der kurzen Strecke lasse ich den Helm heute mal weg«

Was ich als Radfahrer an mir selbst ganz gut finde

  • Dass ich mich bemühe, das Verkehrsgeschehen um mich herum auch mit den Augen von Autofahrern und Fußgängern zu betrachten
  • Dass ich lieber ruhigere »grüne« oder »gemütliche« Routen und Nebenstraßen nutze als die schnellsten Strecken entlang der Hauptverkehrsadern
  • Dass ich noch nie einen Unfall mit dem Rad hatte

Mal wieder die Fußgänger!

Was mich als Fußgänger an anderen Fußgängern ärgert

  • Wenn sie an engen Stellen (z.B. vor Treppenaufgängen, auf schmalen Wegen, VOR ROLLTREPPEN!) mit mehreren in einer »Menschenkette« nebeneinander hergehen und für alle hinter ihnen eine Barriere bilden
  • Wenn sie desorientiert herumirren oder beim Gehen aufs Handy schauen und mir geistesabwesend in den Weg wanken
  • Wenn sie plötzlich direkt vor mir anhalten oder abrupt die Richtung wechseln
  • Wenn sie zu dicht neben mir stehen, obwohl genug Platz für mehr Abstand wäre

Was mich als Autofahrer an Fußgängern ärgert

  • Wenn sie vor mir plötzlich noch bei Rot über die Ampel spurten
  • Wenn sie eine unübersichtliche, sehr breite oder vielbefahrene Straße unbedingt abseits von Zebrastreifen oder Ampelübergängen überqueren müssen und sich und andere damit behindern oder gefährden

Was mich als Radfahrer an Fußgängern ärgert

  • Dass sie Radwege und deren Fahrbahnmarkierung übersehen oder bewusst ignorieren, sowohl auf den Fahrspuren als auch an Ampelübergängen
  • Dass sie ohne zu schauen über den Radweg oder die Radspur latschen
  • Dass sie beim Ein- und Aussteigen an Tram- oder Bushaltestellen nicht auf herannahende Radfahrer achten

Was mich als Fußgänger an mir selbst ärgert

Dazu fällt mir momentan eigentlich nichts ein.

Was ich als Fußgänger an mir selbst ganz gut finde

  • Dass ich mir in den letzten 2 Jahren den Automatismus angewöhnt habe, vor jedem Betreten oder Überqueren einer markierten Radspur kurz stehenzubleiben und nach links und rechts zu schauen, ehe ich weitergehe
  • Dass ich immer versuche, mich abseits an den Wegesrand zu begeben, wenn ich stehenbleiben muss, um mich z.B. zu orientieren, etwas ausführlicher aufs Handy zu schauen oder zu telefonieren
  • Dass ich grundsätzlich ein zügiges Gehtempo schätze (5–6 km/h)

Ich hätte natürlich auch noch je Abschnitt die Perspektive »Was ich als […] an Autofahrern / Radfahrern / Fußgängern gut finde« hinzufügen können. Aber erstens würde das wohl den Rahmen der akzeptablen Länge für einen Blogartikel sprengen und zweitens machen die anderen ja sowieso nichts richtig und benehmen sich im Verkehr samt und sonders wie die Arschgeigen.

Oder?

Gemischte Gefühle

Es gibt einen Film namens »Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss« und was mich betrifft, stimmte das in den letzten Jahren auch meistens. Ein schöner langer, ruhiger Fluss, muss ich sogar sagen, denn Ruhe muss ja nicht Langeweile bedeuten. Aber manchmal ändert sich das. Dann sinkt plötzlich der Wasserstand im Fluss, der Wasserlauf wird schmaler, gewundener, flacher und man spürt bisweilen, wie Steinbrocken im Flussbett unten am Bootsrumpf entlangkratzen.

Am Mittwoch Vormittag, ein für uns ungewöhnlicher Zeitpunkt, ruft mich der Mann an. Festnetz. Noch ungewöhnlicher. »Irgendwas ist«, denke ich noch beim Abheben. Er ruft von unterwegs an, auf dem Weg zum Bahnhof, sein Vater sei in der Nacht zum Mittwoch gestorben und er nun auf dem Weg zur Mutter, die jeden denkbaren Beistand gebrauchen könne. Es kommt nicht ganz überraschend, eine schwere Erkrankung und deren begleitende, sehr massive medikamentöse Therapie ließen mit ernsten gesundheitlichen Unwägbarkeiten rechnen, aber es ist dann doch noch mal etwas anderes, wenn diese sich manifestieren. Es war ein Tod im Schlaf, unter den gegebenen gesundheitlichen Umständen die denkbar friedlichste Art des Abschieds.

In unserem Bekanntenkreis sind viele etwa in unserem Alter (Mitte fünfzig) und während der letzten zwei, drei Jahre gab es häufiger Todesmeldungen des einen oder anderen Elternteils. Robust formuliert wird das durch den Spruch »Die Einschläge kommen näher«. Logisch formuliert: je länger man sich immer älterer Eltern erfreuen darf, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Glück in einem immer kürzer werdenden Zeitraum unweigerlich wird enden müssen. Einerseits ist es ein Segen, dass der menschliche Verstand innerhalb einer friedlichen Alltagsumgebung in der Lage ist, den Tod so effektiv zu verdrängen, andererseits führt diese Verdrängung zu um so größerer Disruption, wenn er sich dann plötzlich unverdrängbar ereignet. Dinge wie das eigene Testament, eine Patientenverfügung, wichtige Vollmachten oder gar die Zusammenstellung eines Dokumentenordners mit gesammelten Informationen und Schriftstücken für Hinterbliebene (so einer war in diesem Fall gottlob vorhanden) schiebe nicht nur ich leichtfertig vor mir her, ich bin doch noch fast jung, was soll schon passieren? Nachlassprokrastination. Das anzugehen, fühlt sich jetzt anders an. Ratsamer, vernünftiger, überfälliger. Der Mann berichtet am Telefon, wie viele Maßnahmen nach einem Todesfall mit extrem kurzen Fristen zu erledigen sind. Wohl niemand möchte als Hinterbliebener, schon genug befasst mit dem eigenen Schmerz, noch hilflos verstreute und unsortierte Unterlagen des Verstorbenen suchen und sichten. Und doch passiert das vermutlich jeden Tag hundertfach.

Ich bin erkältet, seit Mittwoch. Im Lichte der Ereignisse eine Lappalie, es ist immerhin kein Corona, sagen sowohl mein Selbsttest am Morgen als auch der Schnelltest in der Apotheke am Nachmittag. Noch bin ich optimistisch, am nächsten Tag fit genug für die FFP2-bemaskte Teilnahme an einem Kundenmeeting zu sein, aber noch am Abend sage ich ab und gebe der Anwesenheit per Videochat den Vorzug. Zu matt, zu »verrotzt«. Ich frage den Mann am Telefon, ob ich auch anreisen soll, helfen kann, aber wir einigen uns darauf, dass ich einfach jederzeit telefonisch oder per Messenger »da bin«, wann immer er mich braucht. In nächster Zeit werden absehbar auch bereits gebuchte Tickets, Zugreisen, Tischreservierungen, Konzertkarten entweder verfallen oder storniert werden müssen. Nebensachen. Nichtigkeiten.

Am Freitag, ich hatte ihr selbst überlassen, wann, spreche ich erstmals mit der Schwiegermutter. Ich mache mir Gedanken, was ich sagen soll. Floskeln wie »herzliches Beileid« oder »aufrichtige Teilnahme« liegen mir so fern wie nichts anderes. Ich sage einfach, dass ich sehr traurig bin, sie gern umarmen würde. Weinen am Telefon ist eigentlich gar nicht so schlimm. Man fühlt sich besser hinterher. Über sechzig Jahre waren beide verheiratet. Ich kann nur erahnen, welches Loch der Tod in ein so langes gemeinsames Leben reißt, vielleicht kann ich nicht einmal das. Aber auch hier lauert die Logik, der sich jede/r stellen muss, der/die eine Ehe oder eine andere lebenslange Partnerschaft eingeht. Wenn sich zwei Menschen dafür entscheiden, miteinander so alt wie möglich zu werden, kommt eine/r der beiden nicht umhin, den Tod des anderen überleben zu müssen. Ein grausamer, harter Tribut, aber entrichtet für etwas eigentlich Unbezahlbares. Der Tod macht so viele Dinge unermesslich. Das sind auch so Dinge, über die ich nachdenke, in diesen Tagen.

Ein guter Bestatter, noch so ein Thema. In der Hast des Unerwarteten geriet die Familie hier glücklicherweise durch einen Zufall sofort in die Hände der bestmöglichen Betreuung: der nächstgelegene Bestatter, eher intuitiv und praktisch gewählt, erwies sich als unglaublich empathisch, hilfreich, tröstend und sympathisch. Vielleicht auch etwas, das sich »vorher« schon mal zu sondieren lohnte, denke ich und in meinem Kopf ziehen Bilder unangenehmer Bestatter aus Filmen und Serien vorbei, quasi Gebrauchtwagenhändler im Sargbusiness, das würde ich für mich nicht wollen. Auf Twitter folge ich einigen Bestattern, manchmal sehe ich im ÖPNV Werbeaufkleber für Bestatter an den Fenstern, aber so richtig kundig, wer sich an meinem Wohnort in dieser Branche hervortut oder anbietet, bin ich nicht. Und damit wohl gleichsam nicht allein.

Im Supermarkt sehe ich ein Schild an der Kasse. Der Drahthalter, wo sonst die Rezeptzeitungen als Quengelware für Erwachsene lagern, ist leer. Auf der bedruckten Rückfläche steht sinngemäß »Kein Heft mehr da? Nicht wütend werden!« Ich denke, gibt es wirklich Leute, die an der Kasse wütend werden, weil eine Rezeptgazette ausverkauft ist? Ist das Schild schon ein Zugeständnis an die Wutbürger, die Pöbler, Zeterer, Geiferer, die im Netz schon unumgänglich sind, mit ihrer permanent zu kurzen Lunte, stets in Mentos-Cola-Laune? Sind die jetzt auch draußen schon so präsent, dass es vorbeugend solcher Schilder bedarf? Oder bewerte ich das nur über? Kurz darauf begegne ich im Feuilleton eines Mailportals der eher unverfänglichen Überschrift »Sechs Dinge, die Sie besser nicht mit dem Staubsauger aufsaugen sollten«, als erster Kommentar darunter erbost sich ein/e Kommentator*in sinngemäß, leider könne man die inkompetente, an ihren Sesseln klebende linksgrünversiffte Bande der Ampelregierung nicht mit einem Staubsauger einsaugen, ein halbes Dutzend Ausrufezeichen folgen. Mittlerweile sind die Kommentare zu dieser belanglosen Liste »aufgrund zahlreicher Verstöße gegen die Kommentar-Regeln« geschlossen. Es scheint Menschen zu geben, die ernste Probleme mit der Einschätzung der Bedeutsamkeit von Dingen und der eigenen Frustrationstoleranz haben. Es müsste auch ohne Todesfälle eine Möglichkeit geben, die Maßstäbe der Menschen ab und an wieder auf ein gesünderes Maß zurechtzurütteln, denke ich. Die neue Situation hat mir anscheinend eine Brille aufgesetzt, durch die ich vorübergehend fast alles aus einer davon durchdrungenen Perspektive betrachte. Aber vielleicht hat das ja ebenfalls was Gutes.

Ein Satz aus den Telefonaten mit dem Mann ist mir noch im Ohr hängengeblieben. Er ist so kurz, fast lapidar, und doch steckt darin sehr viel von dem, was der Tod mit denen macht, die weiterleben: »Den Aufbahrraum habe ich als ein anderer Mensch verlassen, als der ich hineingegangen bin.« Es ist schon eigenartig – wir möchten uns an Verstorbene erinnern als die Personen, die sie immer waren. Und sie hinterlassen uns durch ihren Tod gleichzeitig so verändert, wie wir zu ihren Lebzeiten nie gewesen sind.

Dass wir erschraken,
da du starbst, nein,
dass dein starker Tod
uns dunkel unterbrach,
das Bisdahin
abreißend vom Seither:
das geht uns an;
das einzuordnen wird
die Arbeit sein,
die wir mit allem tun.

(Rainer Maria Rilke) | Auszug aus »Requiem –
Für eine Freundin (Paula Modersohn-Becker)« [1908]«

Reklamationsarchäologie

Zu Beginn eines neuen Jahres schaue ich bevorzugt einmal meine laufenden kostenpflichtigen Verträge durch und erwäge hier und da, nach Möglichkeit etwas zu optimieren. Günstigere Tarife, neue Konfigurationen, bessere Kündigungsbegingungen, andere Anbieter, Versicherungen, Internet, Mobilfunk, Festnetz und so weiter. So frage ich mich zum Beispiel, wozu ich eigentlich noch einen Festnetzanschluss brauche. Früher™ zu Zeiten analoger Telefonanschlüsse hatten Telefone noch eine separate Stromversorgung, die gegebenenfalls noch funktionierte, wenn das Haushaltsstromnetz ausgefallen war. Dieser (zudem kleine) Vorteil hat sich inzwischen erübrigt. Strom weg heißt: Router aus = Telefon aus. Die einzigen Gespräche, die ich über das angeschlossene Heimtelefon noch führe, sind bisweilen welche mit dem Mann oder engeren Familienmitgliedern, aber auch das lässt allmählich nach. Mailbox aka »Anrufbeantworter« ist auch im Mobiltelefon drin, ebenso ein Nummernverzeichnis. Fazit: doppelt gemoppelt, kann weg. Nun muss ich mal schauen, ob es überhaupt Anbieter gibt, die einen Vertrag mit »Nur schnelles Internet für zu Hause, aber ohne Festnetztelefonie« anbieten. Tipps dazu nehme ich gerne auch hier entgegen.

Bei der Durchsicht meiner Vertragsordner auf der hiesigen Festplatte entdeckte ich ein altes Beschwerdeschreiben an die damals noch T-Mobile genannte Telekom, dessen Datum im März diesen Jahres tatsächlich seinen 20jährigen Jahrestag hätte. Mein erstes Handy, ein Siemens C25, erwarb ich 1999, zusammen mit dem ersten Mobilfunkvertrag beim Anbieter e-plus. Vier Jahre später wollte ich dann zu T-Mobile wechseln und meine bisherige Rufnummer mitnehmen. Ein günstiges Angebot dazu gab es auch. Und damit nahm das Service-Elend seinen Lauf …

(Namen und andere personenbezogene Daten habe ich aus dem Schreiben entfernt.)

Betr.:
Kundennummern: █████ oder ████ oder █████
Auftragsnummern: ████ oder █████ oder █████
Kundenkonten: █████ oder █████
(verwirrend, nicht wahr?)

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich stehe kurz davor, mein seit ca. zwei Wochen bestehendes Vertragsverhältnis mit T-Mobile bereits jetzt schon wieder zu kündigen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich seit fünf Tagen auf keinen der vertraglich zugesicherten Mobilfunkdienste Zugriff habe. Aber das ist noch nicht alles. Bitte machen Sie sich anhand der nachfolgenden chronologischen Schilderung der Ereignisse ein eigenes Bild – ich erwarte dazu anschließend eine möglichst umgehende Rückmeldung:

Anfang März 2003:
Noch bin ich e-plus Kunde, mein dortiger Vertrag wird Mitte April auslaufen. Ich erwäge aufgrund meiner Unzufriedenheit mit der Netzabdeckung bei e-plus einen Wechsel des Mobilfunk-Providers. Nach eingehender Meinungsforschung in meinem Freundeskreis beschließe ich einen Wechsel zu T-Mobile, jedoch unter Mitnahme meiner bisherigen e-plus- Rufnummer. Ich formuliere und versende fristgerecht ein Kündigungsschreiben an e-plus.

12.03.2003:
Erster Anruf im Service-Callcenter von T-Mobile. Eine freundliche Dame informiert mich, dass das neue Handy meiner Wahl (NOKIA 6310 i) aktuell, jedoch nur für begrenzte Zeit, zum Aktionspreis von EUR 1,– angeboten werde. Da mir noch keine Kündigungsbestätigung von e-plus vorliege, so die nette Dame, könne ich den Auftrag zwar noch nicht erteilen, wohl aber vormerken – und so trotzdem den Aktionspreis wahrnehmen. Dies geschieht.

15.03.2003:
Ich erhalte einen Brief von T-Mobile. Man könne leider meinen Auftrag nicht ausführen, da mein bisheriger Mobilfunkvertrag noch nicht verbindlich gekündigt sei. Ich möge meinen Auftrag nach Erfüllung dieser Voraussetzung bitte erneut erteilen.

20.03.2003:
Ich erhalte einen weiteren Brief von T-Mobile. Man habe meine Vormerkung erhalten und freue sich über den Auftrag.

Ich denke zum ersten Mal „Hä?“

Einige Tage später:
Die Kündigungsbestätigung von e-plus trifft ein.

ca. 25.03.2003
Zweiter Anruf im Service-Callcenter von T-Mobile. Eine freundliche Dame nimmt meinen verbindlichen Auftrag entgegen und verkündet heiter, das neue Handy inklusive T-Mobile SIM Karte mit alter e-plus Nummer werde umgehend verpackt und mir „zugeschickt“. Nähere Angaben zur Versandart macht sie nicht.

ca. 30.03.2003:
Ich finde in meinem Briefkasten eine Benachrichtigungskarte der Deutschen Post Express vor. Eine Sendung sei abzuholen.

ca. 31.03.2003:
Auf meiner zuständigen Paket-/Postfiliale teilt man mir nach Vorlage der Benachrichtigung mit, für diese spezielle Art von Sendungen befände sich die Abholstelle rund 10 km entfernt am Stadtrand Hamburgs. Eine telefonische Rückfrage dort ergibt, dass weder eine Abholung vor Ort noch eine erneute Zustellung an meine Wohnadresse zeitlich mit meinen Arbeitszeiten vereinbar ist. Und eine Umleitung der Sendung an meine Arbeitsstelle sei nur über T-Mobile direkt möglich.

Dritter Anruf im Service-Callcenter von T-Mobile.
Von einer munter gestimmten Dame erhalte ich nach Schilderung meines Problems die Auskunft, das sei „überhaupt kein Problem“. Sie empfehle allerdings statt der langwierigen Umleitung, die Sendung „zurück­ zuordern“ und erneut an mich zu versenden, diesmal an meine Arbeitsstelle. Ich gebe ihr die entsprechende Postanschrift an.

14.04.2003:
Endlich! Nach weiteren zwei Wochen – einen Tag vor Ablauf meines alten e-plus Mobilfunkvertrages – trifft das neue Handy an meiner Arbeitsstelle ein und wird von mir in Empfang genommen. Es ist unversehrt und funktionstüchtig. Allerdings liegt der Lieferung eine Rechnung über EUR 49,95 bei – nicht über EUR 1,– wie bei Auftragsvormerkung in Aussicht gestellt.

Ich denke zum zweiten Mal „Hä?“

15.04.2003:
Ich erhalte einen Brief von T-Mobile. Eine Gutschrift über einen Betrag von EUR 49,95 für ein NOKIA 6310 i Handy inklusive SIM-Karte. Der Betrag werde meinem Kundenkonto gutgeschrieben.

Ich denke zum dritten Mal „Hä?“

Da aber minus und plus zusammen Null ergibt, lasse ich die Angelegenheit zunächst auf sich beruhen und fahre gelassen mit dem neuen Handy in Osterurlaub.

16.–22.04.2003:
Im Urlaub telefoniere und SMSe ich problemlos mit meinem neuen Handy. Schließlich werde ich von einem SMS-Empfänger darauf aufmerksam gemacht, dass meine SMS-Nachrichten über eine ungewohnte neue Rufnummer zugestellt werden (0160-████) – und nicht über meine eigentlich mitgenommene „alte“ e­plus­Nummer (0177-████).

Ich denke zum vierten Mal „Hä?“

23.04.2003:
Aus dem Urlaub zurück, wähle ich vom Festnetz aus probehalber beide obengenannten Rufnummern an. Unter der „alten“ e­plus­Nummer begrüßt mich eine Mailbox, auf die ich jedoch weder mit meiner alten noch mit meiner neuen PIN Zugriff erhalte. Unter der „neuen“ Nummer klingelt mein neues Handy.

Ich denke zum fünften Mal „Hä?“

24.04.2003:
Ich erhalte zwei getrennte Briefe von T-Mobile. Beide Brieftexte heißen mich „willkommen bei T­-Mobile“. Jeder der beiden Briefe nennt in der Kopfzeile eine andere Mobilnummer. Welche? Erraten! Es sind die „alte“ mitgenommene e­plus­ Nummer und die „neue“ 0160-­Nummer.

Ich denke zum sechsten Mal „Hä?“

Vierter Anruf im Service-Callcenter von T-Mobile.
Eine frohgemute Dame nimmt meinen Anruf und meine ausführliche Problemschilderung entgegen. Ihre Analyse lässt vermuten, dass das ursprüngliche, nicht zustellbare Handy-Paket die richtige SIM-Karte samt mitgenommener „alter“ e­plus­Rufnummer enthielt. Im Rahmen der Rückorderung und erneuten Zustellung wurde anscheinend nicht dasselbe Paket, sondern ein komplett neu verpacktes Paket versandt und dabei mit einer neuen SIM-Karte versehen.

Die Service-Mitarbeiterin verspricht Abhilfe. Innerhalb von zwei Tagen, also bis Samstag, den 26.04., bekäme ich eine neue SIM- Karte mit der richtigen, „alten“, mitgenommenen e­plus­-Rufnummer auf dem ganz normalen Postwege in einem Briefumschlag zugestellt.

Wenige Stunden später verkündet mein eingeschaltetes neues Handy, dass die eingelegte SIM-Karte (Rufnummer 0160-████) gesperrt wurde. Darauf hatte mich die Service-Mitarbeiterin nicht vorbereitet. Ich kann von nun an keinerlei Mobilfunkdienste mehr in Anspruch nehmen.

26.04.2003:
Samstag. Es trifft keine neue SIM-Karte bei mir ein.

29.04.2003:
Ich erhalte einen Brief von T-Mobile, unterschrieben vom Leiter T-Mobile ServiceCenter. Man entschuldige sich für die versehentliche Freischaltung der T-Mobile-Karte. Es trifft weiterhin keine neue SIM-Karte bei mir ein.

Ich habe nach all dem nun wirklich keine Lust mehr. Keine Lust, dauernd widersprüchliche Post von T-Mobile in meinem Briefkasten vorzufinden. Keine Lust mehr auf heitere Damen im Call-Center, die zwar glaubhaft Kompetenz suggerieren, aber dann nur bedingt Abhilfe schaffen. Keine Lust auf mehrfache Ruf-, Auftrags- und Kundennummern für ein­ und denselben Vorgang. Keine Lust mehr, dauernd „Hä?“ sagen zu müssen. Und vor allem keine Lust mehr, schon fast eine Woche mein Handy nicht nutzen zu können. Was seit dem 15.04. auf meiner „alten“ Rufnummer an Anrufen und SMS-Nachrichten liegen mag, kann ich nicht einmal erahnen – da ich keinen Zugriff darauf habe. Und eigentlich habe ich auch keine Lust, T-Mobile womöglich für diese „Totzeiten“ noch Gebühren zu zahlen.

Ich fordere Sie hiermit ultimativ auf, diesem Tohuwabohu nun endgültig Abhilfe zu schaffen*. Wie Sie dies tun, überlasse ich Ihnen. Die moderate Formulierung dieses Briefes soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich inzwischen ziemlich genervt und sauer bin und meinen Entschluß zu T-Mobile zu wechseln nach knapp vier Wochen schon wieder geneigt bin, zu bereuen.

Mit entnervten Grüßen

Witzigerweise wurde mir fast zeitgleich der Link zu einem aktuellen Erfahrungsbericht im Blog Draußen nur Kännchen zugespielt, in dem ganz ähnliche Verwicklungen mit einem Anbieter von Glasfaseranschlüssen im Jahr 2022/23 geschildert werden. Genauso absurd, genauso kafkaesk.

Und das beweist doch eigentlich sehr eindrücklich: Chaotischer, ineffizienter Kundenservice ist zeitlos.

* Es gab dann übrigens ein Happy End. Und meine allererste Handynummer habe ich bis heute.

Say hello, wave goodbye

Gestern ist mir zum dritten Mal innerhalb eines Monats am Wegesrand eine ausgesetzte Mikrowelle aufgefallen. Die erste, gesehen in Berlin, hatte ich noch fotografiert, sie hatte im Rahmen ihrer verschmähten Existenz zumindest vorübergehend noch eine sinnvolle Aufgabe gefunden. Bei der zweiten wunderte ich mich zunächst nicht, denn sie lag 300 km von der ersten entfernt, am Straßenrand in Hamburg. Doch gestern, bei der dritten, stutzte ich und begann mir Sorgen zu machen. Für solcherart ausgesetzte Kochgeräte sollten unbedingt mehr Bewusstsein und Aufmerksamkeit geschaffen werden.

Vielleicht liegt es nach wie vor an Corona. Die Menschen, unter ihnen auch zahlreiche berufstätige Singles, bleiben vermehrt zu Hause, was naturgemäß den Konsum an Mahlzeiten und kleinen Snacks zwischendurch erhöht. Die sozialen Kontakte sind immer noch reduziert, und wer will schon ständig nur eiskalte Portionen aus dem Kühlschrank oder bestenfalls zimmerwarme Zwischenmahlzeiten verzehren? Was liegt da näher, als sich das heimische Darben mit einer Mikrowelle erträglicher zu machen? Sie ist online flugs bestellt, wird innerhalb weniger Tage per Post geliefert und bereitet kaum Mühe beim Auspacken und Anschließen. Die Geräte werden zudem leicht bedienbar und stubenrein geliefert, so dass der neue Hausgenosse sofort den Alltag bereichern kann. Bei Familien ist es ähnlich. Die Eltern sind im Homeoffice beschäftigt oder ein, manchmal beide Elternteile sind tagsüber außer Haus. Die Kinder jedoch langweilen sich nach der Schule und es fehlt ihnen an warmen, schnellen Mahlzeiten. »Papa! Mama! Ich wünsche mir soooo doll eine Mikrowelle! Mit vielen Knöpfen! Und so eine, mit der man Marshmallows schmelzen kann! Kauft ihr eine für uns? Och, bitteeeee …«

Welche liebende Mutter, welcher sorgende Vater könnte da nein sagen? Die kleinen elektrischen Gesellen sind oft schon für wenig mehr als hundert Euro zu haben, No-Name-Promenadenmischungen aus China sogar noch billiger. Wer mehr ausgeben möchte, entscheidet sich für ein reinrassiges Markengerät guter Abstammung aus klangvollem Hause wie Siemens, Miele, Bauknecht, Samsung, Neff, Sharp oder AEG. Zusatzfunktionen wie Heißluft oder Grill schlagen zwar gerne noch einmal gesondert zu Buche, aber auch hier steht der sehnsüchtig herbeigesehnte Küchenbegleiter binnen weniger Tage an seinem Platz.

Nun beginnt die Phase, wo fast den ganzen Tag alle Mitglieder des Haushalts um den neuen Erhitzungsgehilfen versammelt sind. Alle möchten mit ihm spielen, Knöpfe drücken, Zeiten wählen, Programme starten. Drehteller und Licht werden bewundert und wenn das Glöckchen klingt, der Timer piept und die leckeren warmen Köstlichkeiten im Innenraum duften, herrscht ein großes Hallo, ein genüssliches Schmecken und Schmatzen und das Familienleben schien noch nie zuvor so gesellig und heiter wie jetzt.

Doch nach einigen Wochen zeigen sich erste Anzeichen von Ermüdung, Desinteresse und Verwahrlosung. Der Garraum müsste mal wieder gereinigt werden, aber die Kinder sind mit Spielkameraden draußen unterwegs. Das Bedienfeld ist matt von fettigen Fingerabdrücken, aber niemand hat Zeit, mit einem Lappen diese elementare Pflege zu leisten. Der Drehteller ist verklebt, das Gehäuse verstaubt, das Rezeptbuch liegt zerknittert unter der Eckbank. Traurig, allein und ungenutzt steht das einst so umhegte Küchengerät in seiner Ecke und schweigt.

Doch statt sich um einen neuen Besitzer zu bemühen, sowie den Eigentümern klar wird, dass sie dem Herd nicht (mehr) gerecht werden können, wählen dann viele – beherrscht von einer Mischung aus Hilflosigkeit, Egoismus, Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit – den Weg, die Mikrowelle irgendwo an einer Straße auszusetzen. Schnell ist sie abgekabelt und ins Auto geladen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Nur wenige machen sich die Mühe, das arme Gerät wenigstens in der Nähe von Kleingerätecontainern oder Wertstoffhöfen abzuladen, wo man einer fachgerechten weiteren Betreuung wenigstens einigermaßen sicher sein könnte. Nein – die ausgesetzten Kochassistenten landen in Parks, an Straßenkreuzungen, in der Gosse öder Gewerbegebiete. Verbeult, verdreckt, verstoßen. Ohne Bedienungsanleitung und Umkarton sind sie plötzlich ungeschützt den Elementen ausgesetzt, sie, die sie noch gestern in der warmen, hell beleuchteten Stube für ihre Familie und deren Freunde Tassencupcakes gebacken haben. So abgenabelt, ohne Netzanschluss, können sie nicht einmal mehr piepen. Auf ihrem Platz im Heim der ehemaligen Besitzer brutzelt derweil, umringt von hungrig und begeistert blickenden Essern, der neue Sandwichtoaster mit Antihaftbeschichtung und austauschbarem Waffeleinsatz leckere, fett-saftige Paninikreationen.

Wir sollten uns schämen, Mikrowellenherde wie Dinge zu betrachten und sie ohne Bedacht anzuschaffen und lieblos wieder auszusetzen, wenn sie uns zu viel geworden sind. Die Mikrowellenheime in vielen Gegenden, wohin etliche der ausgesetzten und eingesammelten Waisengeräte verbracht werden, sind mehr als überfüllt. Viele fast ladenneue Geräte sehen daher bereits nach einem kurzen, dienstbaren Leben dort ihrer baldigen Verschrottung entgegen.

Schauen Sie nicht weg, wenn Sie Zeuge einer herzlosen Aussetzung werden. Und überlegen Sie gut, ehe Sie sich selbst ein Gerät für zu Hause anschaffen. Vielen Dank.

Photo: © Ambernectar 13 on Flickr | Licensed under CC BY-ND 2.0

Freitagstexter – Gewinner

Tja. Ungeachtet des Jubels, Boostens, Favens und Retweetens anlässlich der neuen Runde zum (Weihnachts-)Freitagstexter und trotz Öffnung in Richtung Mastodon und Twitter blieb der »Ansturm« an Beiträgen leider ziemlich überschaubar, wahrte jedoch die gewohnt hohe Qualität der Einreichungen. Ob nun fehlende Aufmerksamkeit und Muße durch die Festivitäten an Weihnachten und Silvester schuld waren oder der durch »Melon Dusk« hervorgerufene Twitter-Exodus, ob es eine generelle Social-Media-Müdigkeit gibt, es an meiner Bildauswahl lag, am Blogsterben, am Klimawandel, der Inflation oder an der Aura unseres aktuellen Bundesministers für Digitales (und Verkehr), die wie ein Millefeuille aus Phlegma, Blei, Asphalt und Unwille über diesem Land liegt – ich vermag es nicht zu sagen. Vielleicht war auch mein ausgeknobeltes System mit neuerdings drei Teilnahmekanälen inklusive modularem Hashtag zu kompliziert. Wer andere Mutmaßungen oder eine Meinung dazu hat: ich würde mich sehr freuen, diese in den Kommentaren zu erfahren.

However – wir haben einen Gewinner. Ich werde es wie letztes Mal machen und nur den ersten Platz verkünden. Es gab vier Beiträge direkt hier im Blog in der Kommentarspalte und unter dem Hashtag #ftx5122 einen weiteren bei Mastodon. Die zielführende Handhabung der Hashtagsuche bei Mastodon erwies sich als nicht allzu vertrauenerweckend, ich hoffe, ich habe trotz mehrfacher Suche mit verschiedenen Apps und Endgeräten keine Einreichung auf Twitter und Mastodon übersehen und bitte um Nachricht, falls doch.

Mein Siegerbeitrag kommt diesmal von derherrgott:
„Es rentiert sich einfach nicht mehr“, sagte sich der etwas in die Jahre gekommene Dienstleister und entschied sich für einen finalen, technologiekritischen Treppenwitz.

Ich gratuliere herzlich, übergebe den Staffelstab jedoch mit einem gewissen Gefühl der Ratlosigkeit darüber, ob und wie der Freitagstexter weiter an Fahrt gewinnen kann. Sollte es eine weitere Runde geben, werde ich jedoch selbstverständlich mein Bestes geben, den Aufruf möglichst weiträumig zu teilen. Malkukken.


    Update: Im Spam-Kommentarordner zu diesem Freitagstexter habe ich noch einen Beitrag außer Konkurrenz gefunden, den euch nicht vorenthalten möchte, da er ebenfalls erstaunlich gut zum Wettbewerbsbild passt:
    Ihr Geld funktioniert auch, wenn Sie schlafen.

    Freitagstexter, 23.12.2022 – Christmas Edition

    Herzlichen Dank an Mathias Piecha (@Lassitudor@troet.cafe) für den Pokal beim letzten Freitagstexter-Wettbewerb! Der im November von mir wiederbelebte, einst überaus populäre Spaßtextwettbewerb krankt leider noch etwas an sehr mäßiger Teilnahme. Bevor ich das nun aber als Zeichen überinterpretiere, den Freitagstexter wieder einzustellen, möchte ich ihn gerne auf neue Kanäle ausweiten und schauen, ob das wieder zu regeren Einreichungen führt.

    Doch zunächst in Kürze noch mal die Regeln:

    1. Der Freitagstexter ist ein traditionsreicher humorvoller Contest für alle, die gerne mit Worten spielen, texten oder schreiben – egal, ob aus Spaß und/oder beruflich und hatte seine bisherige Glanzzeit in den frühen 2000er Jahren. Es geht im Wesentlichen darum, für ein online gepostetes Foto eine möglichst witzige, originelle, passende oder abwegige Bildunterschrift zu finden (auf englisch: »caption this!«).
    2. Der Wettbewerb startet immer im Laufe eines Freitags, bislang fast ausschließlich im Blog des jeweiligen Gastgebers und endet am nachfolgenden Dienstag Abend um Mitternacht. Aber da Blogs mittlerweile etwas aus der Mode gekommen zu sein scheinen bzw. neue Portale, Medien und Kanäle hinzukamen, die beliebter und einfacher zu nutzen sind, möchte ich das gerne ausweiten (s.u.)
    3. Zu gewinnen gibt es nichts Materielles. Der Gewinner, der die »beste« Bildunterschrift verfasst hat, wird komplett nach eigenem Ermessen und ohne Begründung durch den aktuellen Gastgeber erkoren (der auch das Bildmotiv ausgewählt und veröffentlicht hatte). Die Bekanntgabe des Gewinners durch den Host erfolgt online im Laufe des Mittwochs nach Teilnahmeschluss. Der »Preis« ist, dass der Gewinner zum neuen Gastgeber wird und – auf mindestens einer Onlineplattform seiner Wahl – am darauffolgenden Freitag seinerseits ein ausgewähltes Bild postet und zur Teilnahme aufruft. Dann beginnt das Ganze von vorn.
      (Ergänzende Anmerkung: idealerweise sollte der Gastgeber entweder eigene Veröffentlichungsrechte oder die Genehmigung des Urhebers für das gepostete Foto besitzen oder ein Foto nutzen, dessen Nutzung z.B. im Rahmen einer Creative-Commons-Lizenz gestattet ist.)

    Ich werde diesmal zwei Dinge ändern: Zum einen möchte ich aufgrund der bevorstehenden Feiertage (an denen die meisten anderes vorhaben als im Internet Quatsch zu posten, oder? ODER???) die Laufzeit diesmal ausnahmsweise von einer auf zwei Wochen erhöhen. Zum anderen werde ich auch die Kanäle Twitter und Mastodon bei der Teilnahme hinzuziehen. Damit ich Beiträge am Ende der Teilnahmefrist leichter finden und sie zudem von Kommentaren unterscheiden kann, die zwar Replys, aber keine Wettbewerbsbeiträge sind, möchte ich ein Hashtag einführen. Dieses setzt sich zusammen aus

    #ftx (für Freitagstexter) + zweistellige Angabe der Kalenderwoche + zwei Schlussziffern des Jahres

    Das Hashtag für die aktuelle Spielrunde hier bei mir lautet also #ftx5122
    Hier im Blog müsst Ihr in Kommentaren das Hashtag natürlich nicht benutzen, nur auf Mastodon oder Twitter.

    Und hier nun das aktuelle Foto. Lasst die Tasten qualmen – und teilt gerne diesen Artikel oder den Teilnahmeaufruf auf Euren bevorzugten Plattformen.
    Teilnahmeschluss ist der Dienstag nach Silvester, also der 03. Januar 2023 um 24:00 Uhr.

    Caption this!

    Foto: © Jan Ingemansen on Flickr | Licensed under CC BY-NC 2.0

    Ein Schlager für die Liebenden von heute

    Als ich heute Altpapierkartons zerkleinerte, Überreste der jüngsten Paketzustellungen online bestellter Weihnachtsgeschenke, fiel aus einem der Kartons ein kleines Kärtchen zu Boden. »Folge mir auf Instagram«, stand darauf. Nicht gewöhnt, von solchen Zetteln geduzt zu werden, ergänzte mein Hirn ein »…, Baby!« am Ende und ich fand, das klingt ein bisschen wie ein Anmachspruch, den jemand meiner Generation »jungen Leuten« zuschreiben würde. Ich fragte mich, ob es inzwischen wohl schon Schlager gibt, deren typische, liebesseichte Texte auch das heute selbstverständliche, permanente Online-Sein, Social Media und andere digitale Errungenschaften aufgreifen. In meinem Kopf begann eine Melodie im Stil eines Songs von Andreas Dorau zu spielen, andere Hirnzellen steuerten stilistisch passende Textfragmente bei und voilà – so in der Art könnte ich mir dergleichen vorstellen:

    Ich hab Dich zuerst auf TikTok gesehn,
    (oh Baby Baby)
    Du performtest mega und warst wunderschön.
    Ich ging auf Insta, um mich abzulenken,
    doch dauernd musste ich an Dich denken.

    Ich traute mich nicht, Dir ein Like zu geben,
    (oh Baby Baby)
    dies Gefühl hatte ich noch nie im Leben.
    App auf, App zu, was ist nur gescheh’n?
    Wie konntest Du mir nur so den Kopf verdreh’n?

    Folge mir auf Facebook, Baby!
    Teile meine Story, Sugar!
    Gib mir einen Comment, Honey!
    Klick mich an, das ist kein Scherz,
    setz’ ein Bookmark für mein Herz.

    Ich bin sonst nicht schüchtern, doch Du haust mich um,
    (oh Baby Baby)
    seh’ ich Dein Profilbild, macht mein Herz Boom-Boom.
    Vorhin hab ich endlich auf »Follow« geklickt,
    Du hast akzeptiert, das macht mich verrückt!

    Ich hab Dir geschrieben: Willst Du ein Date?
    (oh Baby Baby)
    Ich schau’ voll nervös auf mein Endgerät.
    Wo bleibt Deine Antwort, willst Du mich nicht seh’n?
    Der Traum meines Lebens wär, mit Dir zu gehn.

    Schreib mir eine Message, Baby!
    Fave meine Postings, Sugar!
    Verlinke mich auf Twitter, Honey!
    Klick mich an, das ist kein Scherz,
    setz’ ein Bookmark für mein Herz.

    Die Tage vergehen, ohne dass Du mir schreibst,
    (oh Baby Baby)
    Du postest auch nichts, ich frag’ mich, wo Du nur bleibst.
    Heut steht auf Deiner Page: Du warst gar nicht echt,
    bist nur ein Deep-Fake-Girl – und mein Herz zerbricht.

    Ich verlasse Facebook, Baby,
    lösche mich auf Insta, Sugar,
    gehe nie mehr online, Honey.
    Mein Traum war nur ein Cyber-Scherz,
    ich lösch’ mein Bookmark für Dein Herz.