Kategorie: Von der Tageskarte

Kaum passiert, schon gebloggt

Kiosk Empire #05

Wahnsinn – eigentlich war »Kiosk Empire« nur ein von mir ausgedachter Stellvertreter für meine unter dieser Überschrift gesammelten kuriosen deutsch-englischen Unternehmensnamen. Nun durfte ich mitten in Hamburg entdecken: das gibt’s ja wirklich! Und in Berlin habe ich neulich abends aus der Ferne auch noch was Schönes erspäht …


Gesehen in der Hamburger U-Bahn-Station »Stephansplatz«


(Gesehen in Berlin in der Nähe der S-Bahn-Station »Alt-Tegel«)

Fotos: © formschub

Fünfminutenzeiler

Frühling ist’s, die Zeit der Liebe
Grün knospt wieder an den Zweigen
Jeder fühlt die Säfte steigen
Neustart für pausierte Triebe
und der Himmel ist so blau.

Stoff wird dünner, Ärmel kürzer
die Natur, sie duftet wieder
Bärlauch, Krokus, Veilchen, Flieder …
Frühling, alter Lebenswürzer!
das Jahr wär ohne Dich so grau.


Photo: © former Flickr user Aldaryn Grayraven | Some rights reserved

Teilen

Teilen ist toll. Teilen ist die Hefe im Contentteig des Internets. Ohne Teilen wäre das Internet ein öder, statischer Ort. Aber immer? Alles?

Als ich neulich einen Facebook-Eintrag von Peter Breuer zum Teilen las (leider inzwischen nicht mehr verfügbar), hörte ich sofort die Stimme von Herbert Grönemeyer in meinem Kopf. Die Melodie war die seines Songs »Kaufen«, aber der Songtext war ein anderer …

Teilen

Ich klick auf alles, ich klick auf »share«
Breaking News, Witzchen, Filme und mehr

Ich könnt im Internet ertrinken
mailen, teilen und verlinken
jeden Schwachsinn weiterwinken
oh, wie ist das schön

Oh, ich teile das
Teilen macht so viel Spaß
Was ich seh, sollen alle sehn
Teilen ist wunderschön
Was ich seh, sollen alle sehn
Teilen ist wunderschön
Ich teil, ich teil
Was, ist egal

Scrollt die Timeline dann weiter nach unten
hab ich längst schon was Neues gefunden

Online sein verzückt mich
»Share« klicken beglückt mich
Weil ich so zeigen kann,
hey ich bin vorn

Oh, ich teile das
Teilen macht so viel Spaß
Was ich seh, sollen alle sehn
Teilen ist wunderschön
Was ich seh, sollen alle sehn
Teilen ist wunderschön
Ich teil, ich teil
Was, ist egal

Die totale Contentflut
ich teile alles resolut
und es tut so gut,
oh, wie es durch mich strömt

Oh, ich teile das
Teilen macht so viel Spaß
Was ich seh, sollen alle sehn
Teilen ist wunderschön
Was ich seh, sollen alle sehn
Teilen ist wunderschön
Ich teil, ich teil
Was, ist egal


Graphic: © jurvetson @ flickr | Some rights reserved

Haben Männer, die ein Problem damit haben, dass Männer Männer oder Frauen Frauen lieben, ein Problem mit Frauen?

In den jüngsten öffentlichen Debatten rund um das Coming Out von Thomas Hitzlsperger, Regenbogenlehrpläne, den Winterspielen in Sotschi bzw. den Diskriminierungen Homosexueller in Russland fallen mir – zum wiederholten Male – Dinge auf, die mich fast mehr beschäftigen als der eigentliche Gegenstand der Diskussion. Der Eindruck mag subjektiv sein, aber er stellt meine gesammelte Wahrnehmung dar:

  • Die Diskussion konzentriert sich vorwiegend auf Schwule, also Männer, ebenso die Ressentiments, welche die Diskussion prägen. Lesben tauchen bei der Thematisierung homosexueller Rechte lediglich am Rande auf und es kommt mir so vor, als würden sie auch weniger aggressiv abgelehnt, eher als exotische Randerscheinung gemieden oder – offen auftretend – zwar angestarrt, aber mehr oder weniger toleriert.
  • Oft erheben diejenigen am lautesten ihre Stimme, die am wenigsten Erfahrung oder Einfühlungskompetenz bezüglich der alltäglichen Lebenswelten Homosexueller haben. Altpolitiker (Blüm) oder sonstige Senioren in offiziellen Positionen und Ämtern, allen voran Geistliche. Je konservativer oder katholischer, desto lauter.
  • Frauen scheinen ein geringeres Problem im Umgang mit Homosexuellen beiderlei Geschlechts zu haben als Männer. Sie leiden auch anscheindend weniger unter der paranoiden Vorstellung, von jeder homosexuellen Frau als potenzielle Sexualpartnerin angesehen und »angebaggert« zu werden als die meisten Männer, die gegenüber Schwulen diese Befürchtung weitaus häufiger zeigen.
  • Männer sind in der Debatte generell präsenter, lauter und aggressiver. Es gibt offenbar weniger homophobe Frauen (die Statistik spricht in Deutschland von einem Frauen-/Männer-Verhältnis von etwa 1 zu 1,5) und sie äußern sich offenbar auch gemäßigter.
  • Je »emanzipierter« ein heterosexueller Mann vom patriarchisch-traditionellen Rollenverständnis der Geschlechter ist, desto offener und toleranter ist er gegenüber (männlichen) Homosexuellen eingestellt. Alle Hetero-Männer, die ich kenne, die in ihrer Beziehung, ihrem Beruf und ihrer Familie die Geschlechtergleichberechtigung aktiv leben und umsetzen, belegen dies.

Die plausibelste Begründung meiner Beobachtungen, die mir bisher begegnet ist, fasst ein allerorten im Netz kursierendes Zitat sehr treffend zusammen – das sich vornehmlich an heterosexuelle, homophobe Männer wendet:

»Homophobia: the fear that gay men will treat you the way you treat women.«, wobei ich »treat« lieber durch »look at« ersetzen würde, da vielleicht nicht jeder der angesprochenen Männer seine sexistische Weltsicht »tätlich« auslebt.

Anders gesagt, es scheint, dass eine sexistisch geprägte Einstellung gegenüber anderen Menschen (speziell von Männern gegenüber Frauen) mit einem homophoben Standpunkt korreliert. Unterstützt wird diese Wahrnehmung durch Erkenntnisse aus der Publikation »Homophobie in Nordrhein-Westfalen – Sonderauswertung der Studie ,Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘« des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in Nordhrein-Westfalen. Dort heißt es auf Seite 34:

Homophobie korreliert signifikant mit anderen Elementen der »Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit«. Das Muster gleicht dem von Gesamtdeutschland weitgehend. Wie auch im übrigen Deutschland korrelieren homophobe Einstellungen besonders eng mit sexistischen (r = .45). Wer homosexuelle Menschen abwertet und ihnen gleiche Rechte verweigert, tut dies signifikant auch eher gegenüber Frauen. Signifikante Verknüpfungen auf niedrigem Niveau finden sich (…) zwischen Homophobie und allen anderen in der GMF-Studie erfassten Vorurteilen (Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, die Befürwortung von Etabliertenvorrechten, der Abwertung von Obdachlosen, Langzeitarbeitslosen und Menschen mit Behinderung).

Homophobie ist also eigentlich gar keine Homosexuellenfeindlichkeit, sondern – mit einem gewissen Vorsprung der Frauenfeindlichkeit – allgemeine Menschenfeindlichkeit. Vielleicht hat sich das ja schon derjenige gedacht, der den Begriff »Homophobie« seinerzeit erfand, denn da steckt es im Wortsinne bereits drin.

Gerne würde ich wissen, ob die Leser dieses Blogbeitrags meine oben geschilderte Wahrnehmung der öffentlichen Diskussion teilen oder das ganz oder teilweise komplett anders sehen. Ich freue mich auf Eure Kommentare.


Photo: © peragro on Flickr | Some rights reserved

Video is killing the radio star
NSA is killing the conspiracy fun

Schon öfter hatte ich beim Lesen von Büchern oder dem Anschauen von Filmen den Gedanken, ob wohl einige famose Geschichten das Licht der Welt überhaupt erblickt hätten, wenn es zum Zeitpunkt ihrer Entstehung bereits die technischen Möglichkeiten der Jetztzeit gegeben hätte.

Bei der (zugegebenermaßen modernen) Verfilmung von »Romeo und Julia« durch Baz Luhrmann (1996) mit Leonardo di Caprio und Clare Danes z.B. dachte ich: hätte Julia eine SMS an Romeo geschickt, in der sie ihm von ihrem Plan mit der Schlafmitteleinnahme erzählt, hätte die Geschichte vermutlich ein Happy End gehabt. Gut, Happy Ends sind nicht immer die bestmöglichen Enden für eine Geschichte (ich liebe z.B. das grausige Ende der Stephen-King-Verfilmung »Der Nebel«), aber vermutlich hätten Romeo und Julia am Ende deutlich mehr Zeit füreinander gehabt, wenn es 1597 schon Mobiltelefone gegeben hätte. Wie viele fiktive Dramen und Romanzen mit Internet, Handy, SMS, Skype und WhatsApp niemals oder völlig anders stattgefunden hätten, steht in den Sternen.

Seit den Enthüllungen Edward Snowdens zur NSA-Überwachung beobachte ich an mir jedoch eine weitere Veränderung der Wahrnehmung verfilmter oder aufgeschriebener Geschichten.

Nehmen wir die famose Science-Fiction-Serie »Fringe«: in der fünften und letzten Staffel ist dort die Erde im Jahr 2036 von sogenannten »Beobachtern« unterjocht – gefühllosen, mächtigen Nachfahren der Menschheit aus der Zukunft – und eine kleine Gruppe Widerstandskämpfer versucht, die Welt von den Beobachtern und ihren Gefolgsleuten, den »Loyalisten« zu befreien. Dazu werden Pläne und Sabotageakte geschmiedet, der Widerstand muss sich organisieren, verabreden und benachrichtigen – natürlich alles via Handy und Internet. Und jedesmal seit Sommer 2013 dachte ich bei jeder Szene mit konspirativen Handygesprächen: »Jaja, toller Plan. Das glaubt ihr doch selber nicht, dass das in Wirklichkeit von der NSA unentdeckt bliebe, was ihr da ausheckt.« Und hatte mit diesem Gefühl deutlich weniger Spaß an der Serie als ohne diesen Gedanken.

Ein anderes Beispiel, aber mit ähnlicher Grundkonfiguration ist die ebenso geniale Serie »Breaking Bad«. Auch der heimliche Meth-Imperator Walter White führt fortwährend geheime oder konspirative Handytelefonate, um seine düsteren Machenschaften vor der DEA, seiner Familie oder anderen Mitwissern geheimzuhalten. Und auch hier mischt sich in meinen Seriengenuss das sandige, desillusionierte Gefühl, die Serie wäre in unseren Tagen bereits nach der zweiten Staffel beendet gewesen, da ein solch großer Fisch im Drogenbusiness durch die Handyüberwachung der NSA längst ins Netz gegangen wäre.

Nichts ist mehr privat. Nichts ist mehr konspirativ. Nichts vertraulich. Wir alle sind verdächtig. Auch die Helden und Bösewichte in unseren Geschichten. So gehen nicht nur Bürgerrechte und Vertrauen verloren, sondern auch die Phantasie.

Fuck you, Big Brother.

Screenshot: Breaking Bad | AMC Network Entertainment LLC

Nelson Mandela und Handtücher

Nelson Mandela ist tot. Es ist immer traurig, wenn ein Mensch, der mit Mut, Beharrlichkeit und Integrität die Welt zum Besseren verändert hat, stirbt. Ich habe kein besonderes Verhältnis zu diesem großen Mann, außer, dass mir sein Ziel der Abschaffung der Apartheid schon immer als etwas Selbstverständliches erschien. Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit in (Nord-/Äquatorial-)Afrika zugebracht, hatte schwarze Mitschüler in meiner Klasse und konnte nie nachvollziehen, warum die Hautfarbe einen Grund bieten sollte, Menschen anders zu behandeln.

Und: ich kann nicht an Nelson Mandela denken, ohne an Handtücher zu denken. Der Ursprung dieser hartnäckigen Assoziation war mein erster »eigener« Urlaub – ohne Eltern, nur mit zwei Freunden – Ende der Achtziger Jahre. Reiseziel war Großbritannien. Zwei Wochen Zelttour durch das ganze Land zwischen South East und Schottland. Nelson Mandela war noch in Haft und allerorten auf unserer Strecke sahen wir die berühmte Solidaritätsbekundung »FREE NELSON MANDELA!« – in Schlagzeilen, auf Bannern, Plakaten, Buttons und Transparenten. Zeitgleich jedoch warben fast alle britischen Tankstellen marktschreierisch mit einer Rabattpunkte-Aktion, deren Prämien aus kostenlosen Handtüchern bestand. »FREE TOWELS!« war neben fast jeder Zapfsäule in fetten Lettern plakatiert. Und so wunderten wir uns, wir waren jung und pubertär, dass offenbar nicht nur Herr Mandela, sondern auch zahlreiche Frotteewaren dringend ihrer Freilassung bedurften. Ich bin froh, dass zumindest Ersteres im Jahr 1990 gelang, mit allen zu begrüßenden politischen Folgen. Das Schicksal widerrechtlich inhaftierter Badtextilien hingegen habe ich in den letzten Jahrzehnten etwas aus den Augen verloren.


Banner: © topsmarkets.com


Photo: © Leo Reynolds on flickr | Some rights reserved

Nur mal so.

Ich muss hier mal was loswerden.

Im September 2008 richtete ich mir bei Twitter mein kleines Accountnestchen ein. Die ersten Menschen, denen ich mich zu folgen »traute«, waren zunächst Blogger, deren Texte ich gerne und regelmäßig las. Recht schnell entdeckte ich im Gefolge derselben und durch inspirierende Empfehlungen zum »Follow Friday« (der leider inzwischen etwas aus der Mode gekommen zu sein scheint), neue, interessante Twitterer, die meine Vorliebe für feine Formulierungen, Sprache, Texte und Wortspiele teilten.

Vielen folge ich nun fast so lange, wie mein Accout hier besteht. Und es freut, freut, freut mich, zu sehen, dass es vielen davon in dieser Zeit gelungen ist, zu »echten«, teils sehr erfolgreichen Buchautoren zu werden: @ankegroener, @isabo_, @Buddenbohm, @Anousch, @FrauZiefle, @silenttiffy, @Vergraemer, @litchi7, @kumullus, @sciarazz, @bangpowwww, @HappySchnitzel … und bestimmt habe ich noch eine ganze Reihe vergessen*.

Ich kann natürlich nicht wissen oder erahnen, welchen Anteil am Weg jedes Einzelnen zu seinem Buch die Präsenz oder der Austausch bei Twitter gehabt hat (interessieren würde es mich allerdings, feel free to comment!), doch das ist auch eher zweitrangig für mich. Im Vordergrund steht die Freude, Euren Weg mitverfolgt haben zu dürfen, Eure Zweifel, Eure Motivation, Eure Kreativität, Eure Beseeltheit, Euer Lampenfieber, Euren Erfolg und Eure Freude miterlebt zu haben, darüber, etwas ganz Eigenes aus Eurem Inneren auf den Weg zu anderen Menschen gebracht haben zu können. Mögt Ihr für diejenigen bei Twitter, die dasselbe Ziel haben, ein Ansporn sein und ein kleiner Teil des Erfolgs, wenn sie eines Tages ebenfalls ihr erstes eigenes Buch in Händen halten.
Für solche Dinge liebe ich das Internet.

* Ich habe die Bücher hier mal bewusst nicht verlinkt, damit alle zunächst den Umweg über die Menschen nehmen müssen, die sie geschrieben haben. Ihr findet das im Zweifel schon allein raus …


Illustration: © photojenni | Some rights reserved

20 Dinge über mich

Ein schönes Stöckchen, das da gerade umgeht, wird mal wieder Zeit, bei sowas mitzumachen, auch, wenn es mir niemand zuwarf.

  1. Ich mag es, wenn Dinge in meiner Umgebung auf Ablageflächen orthogonal zueinander liegen.
  2. Bis deutlich nach meinem 18. Geburtstag habe ich freiwillig so gut wie nie Kaffee getrunken.
  3. Körperliche Gewalt im »echten Leben« verabscheue ich, nur ein einziges Mal (in der Grundschule) hatte ich mit einem Mitschüler eine »Klopperei« – ich weiß nicht mal mehr, wieso.
  4. Es macht mich wahnsinnig, wenn Menschen sich nicht entscheiden können oder sich wiederholt kurzfristig umentscheiden, etwa bei der Sitzplatzwahl in einer Kneipe (»guck mal, da drüben sitzt man noch schöner!«). Krisch Plack.
  5. Mit das Anstrengendste an anderen Menschen ist für mich, wenn sie zuviel reden.
  6. Mein Vater starb, als ich 14 Jahre alt war. Mittlerweile ist mir klar, dass ich (unbewusst) daraufhin die rebellische Komponente meiner Pubertät quasi ausgesetzt habe, um meine verbliebene Mutter und Schwester nicht mit meinen Bedürfnissen zu belasten. Anpassen und Zurückstecken wurden zum obligatorischen Verhaltensmuster. Ein Idol meiner Jugend war Mr. Spock, der sich stets absolut unter Kontrolle hat. Diese Haltung währte, bis ich 40 war, dann hat mir meine Psyche sehr deutlich klar gemacht, dass ich laut werden muss und darf, wenn gehört werden soll, was ich will und was nicht.
  7. Meinen ersten Computer kaufte ich mir 1983, einen »Sinclair ZX Spectrum«. Auf diesem Gerät wagte ich mich vor bis in die uncompilierte Programmierung der CPU in Maschinensprache. Etwas, bei dem ich mir selbst heute rückblickend komplett fremd vorkomme, obwohl ich nach wie vor täglich intensiv Computer nutze.
  8. Schon als Kind war ich fasziniert von Gespenstern, Monstern und Vampiren. Ich nervte Eltern und Großeltern ständig, abends für »Gruselfilme« à la Dracula aufbleiben zu dürfen (meist vergebens), stromerte in den Videotheken der frühen Achtziger Jahre herum und bestaunte die Cassettencover in der – damals noch frei zugänglichen – Horrorfilm-Ecke, denn ausleihen durfte ich ja noch nichts, und stand oft vor den Schaukästen der lokalen Kinos, in denen damals noch Szenenfotos aus trashigen Italo-Zombiefilmen öffentlich ausgehängt werden durften. Nachts konnte ich dann im Schein des Steckdosen-Schlummerlichts nicht einschlafen, sah auf jedem Kellergang in dunklen Ecken, hinter mir und jeder Tür das Böse lauern und trug sogar eine Zeitlang als Elfjähriger nachts zum Schutz ein Kreuz an einem Gummiband um mein Handgelenk. Der Reiz des Horrors blieb dennoch bis heute ungebrochen.
  9. Eins meiner schönsten Weihnachtsgeschenke waren ein paar Äpfel.
  10. Ein anderes meiner schönsten Weihnachtsgeschenke war ein Elektronik-Experimentierkasten. Gleich nach dem Auspacken begann ich, mit meinem Vater mehrere Stunden lang das komplette beiliegende Handbuch »durchzuspielen«, sehr zum Missfallen meiner Mutter, die es gern etwas gemütlicher gehabt hätte. Es war das intensivste Spielerlebnis, das ich als Kind mit meinem Vater hatte.
  11. Ich hasse umziehen. Da ich als Kind mit der Familie bis zum Alter von 12 Jahren etwa zehn Mal unziehen musste, hatte ich irgendwann genug von ständigen Ortswechseln. Seit ich 1995 nach dem Studium der Arbeit wegen nach Hamburg zog, bin ich nur ein einziges Mal umgezogen. Der Gedanke an einen Umzug weckt in mir das Bild eines Aquariums, in das jemand einen elektrischen Rührmixer hält.
  12. Ich halte jegliche Zerstörung von Gegenständen aus Spaß, zur Unterhaltung oder aus Langeweile für eine Missachtung der Schaffenskraft jener Menschen, die an der Herstellung dieser Sachen beteiligt waren. Deswegen finde ich es schön, dass die meisten Dinge, die heutzutage in Filmen »in Dutt gehen«, aus dem Computer kommen.
  13. Meine ersten drei Schallplatten mit Musik (nach unzähligen EUROPA-Hörspielplatten) waren die Singles »Die Roboter« von Kraftwerk, »Fatima, heut ist Ramadan« von Dieter Hallervorden und »Never for Ever« von Kate Bush.
  14. Ich möchte gern einmal ohne Grabstätte und Stein in einem Park oder unter einem schönen Baum in einem Friedwald beerdigt werden.
  15. Ich war nie mit der ganzen Familie im Urlaub. Beide Male bekam ich kurz vor der Abreise (Dänemark bzw. Mallorca) eine Kinderkrankheit – einmal Masern, einmal Windpocken und musste bei der Oma zurückbleiben.
  16. Das Zusammensein mit vielen Menschen auf einmal raubt mir Energie. Inzwischen glaube ich auch, verstanden zu haben, warum das so ist.
  17. Ich mag meinen Beruf als Grafik-Designer und könnte mir nur schwer vorstellen, etwas anderes zu machen.
  18. Ich würde gern einen Bildband zusammen mit einem Fotografen gestalten und herausbringen, in dem Menschen die Geschichten zu bedeutsamen Narben an ihrem Körper erzählen.
  19. Beim Kauf neuer Möbel bin ich extrem zurückhaltend. Die ältesten Möbelstücke in meiner Wohnung sind annähernd 30 Jahre alt, zeitlos schön und optisch tadellos, deshalb wüsste ich nicht, wozu ich neue bräuchte.
  20. Ich würde gern einmal ohne jegliche technische Hilfsmittel, wie im Traum, durch einen uralten bizarren Canyon fliegen.

Ich läse gern noch viel mehr Beiträge zu diesem Stöckchen. Wer es fangen mag oder einen Link zu einem lesenswerten diesbezüglichen Blogpost hinterlassen mag, der möge dies tun.

Photo: © gabri_micha | Some rights reserved