Kategorie: Von der Tageskarte

Kaum passiert, schon gebloggt

Bücherfragebogen [♂] – 25


25 Ein Buch, bei dem die Hauptperson dich ziemlich gut beschreibt
Auch diese Frage habe ich nur deshalb so lange vor mir hergeschoben, weil ich so intensiv darüber nachgedacht habe.

Ergebnis: Keins. Ich habe noch kein Buch gelesen, in dem eine Hauptperson in mir den Gedanken hervorrief »Ach, schau mal, der/die ist ja wie du.« Eher schon passiert(e) es, dass ich in Büchern auf Protagonisten stieß, die Züge oder Eigenschaften hatten, die ich gerne hätte, aber nicht habe oder die in mir Ambitionen weck(t)en, ihm/ihr nachzueifern, sei es Selbstbewusstsein, Schlagfertigkeit, Mut, Abenteuerlust oder Furchtlosigkeit.

Am ehesten verspürte ich dieses Gefühl bei der Lektüre von Kinder- und Jugendbüchern, in einem Alter, in dem wohl die Meisten ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Unzulänglichkeiten viel stärker spüren und gewichten als die eigenen Stärken und Talente. Ein weiteres Lesegefühl daneben ist – Ihr kennt das – die Identifikation mit der Hauptfigur, das Gefühl, in sie hineinzuschlüpfen, mit ihr zu fiebern, zu lachen, zu leben – aber nahezu unabhängig von charakterlichen oder physischen Ähnlichkeiten zwischen ihm/ihr und mir als Leser.

Also lautet die Antwort auf Frage 25: Es gibt tolle Bücher mit famosen Charakteren, Helden, Vorbilder, vielleicht Idole – aber mich gibt’s nicht in Büchern. Nur in echt.
Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Foto: © formschub

Bücherfragebogen [♂] – 17

Bald zwei Jahre knabbere ich nun schon an der Beantwortung der 30 Fragen dieses Stöckchens. Fünf davon sind noch übrig. Wäre doch gelacht, wenn ich so kurz vor Schluss schlappmache! Darum heute

17. Augen zu und irgendein Buch aus dem Regal nehmen
Nicht sooo einfach, weil ich ziemlich genau weiß, welche Bücher wo in meinem Regal stehen, insofern wird der blinde Griff in die Bibliothek kein völliger Zufallstreffer sein, aber egal. Ich lange mal in die Gruselecke, das passt auch zur nahenden düsteren Jahreszeit …

… und greife nach dem Taschenbuch »Stadt ohne Namen« von H. P. Lovecraft, eine Sammlung unheimlicher Geschichten, deren morbide Sprachgewalt mich nach wie vor fesselt. Schon während meines Studiums nutzte ich Textauszüge aus diesen Geschichten als Vorlage für die Übungsblätter im Kalligraphiekurs und bemühte mich, mit Feder und Skriptol die grausigen Schilderungen – wie etwa diese – in möglichst schönen Lettern zu Papier zu bringen:

Aus der unvorstellbaren Schwärze hinter dem verderbten Leuchten dieser kalten Flamme, aus den Meilen des Tartarus, durch die jener ölige Fluß sich unheimlich wälzte, flatterten rhythmisch, unhörbar und unerwartet, bastardähnliche geflügelte Geschöpfe, die kein normales Auge ganz begreifen kann oder deren sich ein gesundes Gehirn jemals ganz erinnern könnte. Sie waren weder Krähen noch Maulwürfe, noch Bussarde, noch Ameisen, noch verweste Menschenleiber, sondern etwas, an das ich mich weder erinnern kann, noch darf. Sie flatterten müde hin, halb mit ihren Schwimmhautfüßen und halb mit ihren häutigen Schwingen, und als sie die Menge der Feiernden erreichten, wurden sie von den kapuzenverhüllten Gestalten ergriffen und bestiegen, dann flog eine nach der anderen in die Weiten des unbeleuchteten Flusses in Höhlen und Gänge der Panik, wo vergiftete Quellen schreckliche und unentdeckbare Wasserfälle speisen.

Das ist noch Grusel alter Schule, zu lesen bei Kerzenschein in stürmischen Gewitternächten, wenn der Wind ums Haus heult und die Dielen im Korridor knarren, obwohl man doch eigentlich allein in der Wohnung sein sollte – aber wer weiß …

Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Fotomontage: © formschub
Einmontiertes Bildmotiv »Fledermäuse«: © USFWS Headquarters | Some rights reserved

Under control(l)

Fast 4.000 Menschen haben in den letzten drei Tagen den Blogbeitrag zu meinem Bahnerlebnis gelesen, es gab zahlreiche Links, Retweets, Kommentare und »Likes«.

Ich begrüße dieses große Echo, nicht, weil mich Zugriffszahlen per se beglücken, sondern, weil ich es für gut halte, wenn Unternehmen generell bewusst(er) wird, dass ihre Fehler und die ihrer Mitarbeiter heutzutage online nahezu in Echtzeit öffentlich werden können. Das ist eine große Chance für die Unternehmen, schnell und effizient zu reagieren, auf Kritik einzugehen, ihr Image, ihren Service oder ihre Produkte zu verbessern und ihren Kunden gegenüber Wertschätzung zu zeigen.

Es geht nicht um Pauschalurteile, digitales Anprangern oder – wie so oft im Internet – wildes Rumpöbeln gegenüber den vermeintlich »bösen« Konzernen. Insofern bin ich recht froh, dass die Zahl derjenigen User, die in ihren Kommentaren aus meiner Sicht emotional etwas übers Ziel hinausgeschossen sind, (bis jetzt) erfreulich gering war. Vielleicht kriegt das Internet diesbezüglich irgendwann ja doch noch die Kurve. Ich würde das begrüßen.

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Mir fehlen die Worte

Auf der Bahnfahrt im IC von Hamburg Richtung Amsterdam. Der Zug auf dem ersten Streckenabschnitt bis Osnabrück ist ziemlich durchreserviert, deshalb nehme ich an einem leeren Tisch im nur leicht besetzten Bordbistro Platz. Kurze Zeit später kommt ein männlicher Schwarzer Mensch an den Tisch und nach seiner fragenden Geste und meinem Zunicken nimmt er Platz und beginnt, eine Mahlzeit einzunehmen.

Dann betritt der Kontrolleur den Bereich und prüft die Tickets der anwesenden Passagiere. Als er den Mann mir gegenüber nach der Fahrkarte fragt, deutet dieser in Richtung des Wagens hinter sich und sagt in leicht gebrochenem Deutsch »Meine Frau hat die Karten«. Daraufhin der Kontrolleur: »Sieht die auch so aus wie Sie? Ich meine, ist die auch so verbrannt im Gesicht? ’Tschuldigung, ist nicht so gemeint …« und lacht jovial. Ich bekomme vor Verblüffung nur »Na, das war ja jetzt richtig lustig.« heraus und verdrehe die Augen in Richtung meines Tischgenossen, der mich nur resigniert lächelnd ansieht und eine abwinkende Handbewegung macht.

Als der Bahnbedienstete den Wagen verlassen hat, komme ich mit meinem Gegenüber auf Englisch für eine runde halbe Stunde ins Plaudern und erfahre, dass er der Vorsitzende der Handelskammer Surinames ist und an den Tagen zuvor in Hamburg in offizieller Mission mit lokalen Politikern zusammentraf und unter anderem das Airbus-Werk besichtigte. Darüber hinaus ist er Inhaber einer Goldmine in Suriname und war nun auf dem Wege in die Niederlande, um dort Verwandte zu besuchen.

Ich hoffe, dort wird er respektvoller behandelt. Ich schäme mich.
(Der Vorfall wird von mir an zuständige Stellen berichtet werden.)

Update: Weder mein Befremden und meine Scham noch meine Initiative zur Weiterleitung dieses Vorkommnisses stehen in Bezug zu Status, Beruf oder Funktion dieses Fahrgastes, ich hätte ohne Kenntnis dieser Details genauso reagiert. Den Gesprächsinhalt habe ich lediglich wiedergegeben, um den Fortgang meiner Begegnung mit ihm zu schildern.

Das Leben macht mich abergläubisch.

Da musst du aufgrund verdächtiger Phänomene in deinem Körper zur Computertomographie, räumst am betreffenden Tag kurz vor dem mulmigen Arzttermin noch beiläufig ein Möbelstück im Büro zur Seite, da macht es plötzlich »Pling!« und quasi aus dem Nichts kullert dir von irgendwoher ein 1-Cent-Stück vor die Füße. Die Durchleuchtung kurz darauf: ohne Befund. Das muss dann wohl ein »Glückspfennig« sein … (oder sagt man tatsächlich jetzt »Glückscent«?)
Ich heb den jedenfalls vorsichtshalber mal auf. Man weiß ja nie …

Glueckscent
Photo: © formschub