Kategorie: Von der Tageskarte

Kaum passiert, schon gebloggt

Foyermeldung

Die Frau vor mir am Geldautomat braucht unglaublich lange, bis sie den Automaten für den nächsten Bargeldjunkie in der Schlange wieder freigibt. Aber nicht, weil der Bedienvorgang übermäßig Zeit bräuchte. Sondern, weil sie das entnommene Geld anschließend, noch am Automaten stehend, in ihrem grotesk riesigen Portemonnaie verstauen möchte, das sich in ihrer nicht minder gigantischen Handtasche befindet.

Und das dauert. Handtasche öffnen, reingehen, Lichtschalter suchen, Licht ist natürlich kaputt. Also im Dunkeln langsam hoch in den ersten Stock – kein Portemonnaie zu sehen. Treppe wieder runter, Erdgeschoss absuchen, Portemonnaie finden. Zu schwer, es alleine rauszutragen. Handy suchen, beste Freundin anrufen, Freundin nicht da. Runter in den Keller, Sackkarre suchen, endlich die Karre die Treppe zum Erdgeschoss hochwuchten, oben das Portemonnaie draufladen, mit der Sackkarre zurück in den Bankvorraum. Dort wartende Automatenkunden bitten, beim Abladen und Öffnen des Portemonnaies zu helfen, gezogenes Geld in die Börse sortieren. Und dann wieder retour: Portemonnaie mit Geld auf die Sackkarre, rein in die Handtasche, usw.

Männer sind da schneller. Anstehen, zack! vor den Automaten treten, Karte rein, PIN vergessen, dreimal auf Verdacht irgendwas eintippen, Karte weg, raus.

Geldautomat
Foto: © achimh | Some rights reserved

Update: Sehr schön wurde derselbe Gedanke filmisch umgesetzt von Martina Hill für ihre Comedysendung »Knallerfrauen«:

Nicht egal!

aktion-libero-button4

Dass mich Fußball als Sportart nun mal nicht die Bohne interessiert und ich das auch ab und zu erwähne, mag dem einen oder anderen meiner Blogleser nicht entgangen sein. Aber dass es jetzt eine Bloginitiative gegen Homophobie im Fußball gibt, finde ich gut und unterstützenswert. Mehr davon! Wo bleiben Formel Eins, Handball, Rugby, Boxen, Leichtathletik …? Ach, und überhaupt – wieso nur Sport! Am besten wäre doch, einfach alle Bereiche miteinzubeziehen, in denen Homophobie jeden Tag stattfindet. Gibt’s ja schließlich und leider immer noch zur Genüge. Also:

homophobie-button

Update: Hier noch ein paar Links rund um das Thema
(ich nehme gerne weitere entgegen):

  • Eine sehr lesenswerter und grandios geschriebener Beitrag zur Aktion Libero im Freitagsspiel Blog: Ich ist etwas Anderes.
  • Über Twitter kursiert aktuell ein »Casting Call« an junge (österreichische) Schauspieler, die in einem Kurzfilm der Non-Profit-Initiative »Project Homophobia« mitspielen möchten.
  • Seit Sommer 2007 kursiert ein originelles, aus Frankreich stammendes Poster, das sich gegen Homophobie beim (Rugby-)Sport aussprach, im Netz.
  • Die australische Inititiative This is Oz fordert auf Instagram und Facebook jeden dazu auf, ein fotografisches Statement gegen Homophobie abzugeben. Tolle Idee! (Noch toller wäre natürlich eine deutsche oder gar europäische Version.)
  • Don’t Stand for Homophobic Bullying – ein gelungener Spot im Rahmen der Anti-Homophobie-Kampagne Stand Up! des irischen LGBT-Jugendnetzwerks BeLonG To.

Getoverit
Photo: © kafka4prez | Some rights reserved

Für F̷Weinschmecker

Da sag noch einer, Sonntag morgens faul im Bett liegen und ins Internet gucken sei Zeitverschwendung. Denn ohne diese Matratzenexkursion wäre mir am vergangenen Sonntag eine höchst begrüßenswerte Schlemmerveranstaltung völlig entgangen:
Als Teil der Eventserie Besonders-Hamburg lud die Veranstalterin Johanna Pröbstl zum »Besonderslecker«-Markt in eine Halle auf dem Gelände des Museums für Arbeit ein. Hier präsentierten von 11:00 bis 19:00 Uhr rund drei Dutzend in Hamburg beheimatete Läden, Manufakturen und Unternehmer ihr Angebot rund um Küche, Kochen, Trinken und Essen. Die 4,– Euro Eintritt waren ein fairer Preis für den Einlass zu der kleinen, aber feinen Foodschau, zumal darin ein Gratisexemplar eines von mehreren ausliegenden Wohn- oder Kochmagazinen enthalten war.

Nach zwei gemächlichen Rundgängen durch die Location (einer zum Gucken und Probieren, einer zum Kaufen) waren unsere Taschen gut mit einer erlesenen Ausbeute gefüllt: Feine Karamell- und Schoko-Brotaufstriche und Tafelschokoladen von Schokovida und Kakao Kontor Hamburg, ein Williams-Christ Birnenbrand von Vergiss Berlin, ein Glas Zucchini-Chutney von »Muttis Streichobst« und je eins mit Rote-Bete-, Wildkräuter- und Kürbis-Pesto von »biowerk Feinkost« und »Die Feinen Wilden«. Lecker!

Eine der für mich interessantesten Ideen kam von der Gewürzmanufaktur 1001 Gewürze: ein Sortiment aus zehn fein durchkomponierten Gewürzmischungen, welche die Aromen bestimmter Weine »ergänzen und zitieren«. In Kooperation mit dem Hamburger Weinhändler Rindchen’s Weinkontor entstanden spezielle Aroma-Gewürzcuvées für Rot- und Weißweine: Cabernet-Sauvignon, Merlot, Pinot Noir, Shiraz (die »Roten«) und Chardonnay, Sauvignon Blanc, Riesling (die »Weißen«). Schon das Öffnen und Riechen der Weißblechdöschen bereitet Genuss – die gelungenen Assoziationen an die Weinaromen mischen sich mit spontanen Rezept- und Zutatenideen für Wild, Rotkohl, Salatdressings, Schmorgerichte, Gemüse, Risotti … wobei die runden Kompositionen ihre Tiefe auch ungewöhnlichen Ingredienzen wie Kakaobohnensplittern, Sumach, Paradieskörnern, Schwarzen Johannisbeeren, Akaziensamen oder Langpfeffer verdanken. Sehr inspirierend!

Lobenswert auch, dass diese schöne Veranstaltung mal abseits der »angesagten« Viertel wie Eppendorf, Ottensen oder Altona im vielfach unterschätzten Barmbek stattfand. Und das sage ich nicht nur, weil ich da um die Ecke wohne. Am 25. März 2012 findet sie zum nächsten Mal statt – am besten jetzt schon mal im Schlemmerkalender notieren.

Hier noch ein Link: Besonderslecker bei Facebook.

Weingewuerz
Foto: © formschub

Cowsourcing

Aus der Reihe »Twitterer fragen, Follower antworten«, heute: In Hamburg auf der Suche nach dem perfekten Rindersteak. Gerne Bio, vorzugsweise regional – so rief ich in meine Timeline hinein. Geantwortet haben @ottoerich, @frolleinanna, @meta_morfoss, @maekuz und @Sciarazz (mit einem nachgereichten zweiten Tipp).

Getestet habe ich nach dem Besuch aller verfügbaren Websites – aus dem Bauch heraus (hihi) – zunächst die Filiale der 1836 gegründeten Fleischerei Beisser am Klosterstern. Unten meine Beute: eins von zwei »dry aged Club Steaks« vom rotbunten Schleswig-Holsteiner Niederungsrind. Ambitioniert bepreist, aber erstens gönne ich mir sowas höchst selten und zweitens kriegt man dafür auch exzellente Qualität fürs Geld – beim fachmännischen Braten in der schweren schwedischen Gußeisenpfanne mit anschließender Medium-Ofengarung bei 80 °C spritzte nix, trat kaum Saft aus, schrumpfte nix zusammen und anschließend zerging das Fleisch geradezu auf der Zunge. Ein Genuss!

Allen Tippgebern noch einmal herzlichen Dank, ich habe alle Adressen gebookmarkt und setze die Tests bei nächster Gelegenheit fort.

Steak
Foto: © formschub

Relativitätstheorie

Gestern wanderte ein Link durchs Netz, dessen Content mich – gelinde gesagt – etwas befremdete. Ein Videoclip, in dem erwachsene Menschen Kindern erzählen, sie hätten sich deren komplette Ausbeute an gesammelten Halloweensüßigkeiten einverleibt, worauf nahezu alle der beraubten Opfer in Tränen ausbrechen. Witzig? Nicht im geringsten.

Erwachsene fies verarschen ist schon ächtenswert genug, aber bei Kindern wiegt eine solche Perfidie ungleich schwerer. Ich glaube nämlich, dass es so etwas wie relatives Erfahrungsempfinden gibt. Ob diese Theorie schon existiert, habe ich nicht gegoogelt, darauf gekommen bin ich durch den oft gehörten Satz Erwachsener »die Zeit vergeht im Alter auch immer schneller«. Tut sie natürlich, absolut betrachtet, keineswegs. Aber in Relation zum bereits gelebten Leben sehr wohl.

Für ein Kind im Alter von sieben Jahren sind sechs Wochen Sommerferien eine scheinbare Ewigkeit. Was auch einleuchtet, wenn man diesen Zeitraum in Relation setzt zur bereits gelebten Lebenszeit: sieben Jahre (minus drei Jahre, da sich Kinder nach heutigem Kenntnisstand erst ab etwa diesem Alter bewusst an Ereignisse erinnern können) sind 208 Wochen. Sechs Wochen von 208 Wochen sind fast drei Prozent, d.h. das Kind empfindet die Dauer der Ferien als einen Zeitraum, der drei Prozent seines bisher erinnerten Lebens ausmacht. Ein Erwachsener von 20 Jahren (wieder minus drei) müsste für dieselbe Empfindung rund 186 Tage = 26 Wochen Ferien machen. Und deshalb kämen ihm mit steigendem Alter die sechs Wochen zunehmend kürzer vor.

Wenn man diese Theorie auf die Erfahrungen überträgt, die Kinder mit anderen Menschen machen, dann nimmt eine einzelne (wirklich gemeine) Verarschung unter den ansonsten positiven sozialen Erlebnissen ebenfalls einen viel größeren Anteil der Erinnerung ein und prägt das Kind somit viel stärker als einen Erwachsenen. Sicher ist ein solches Erlebnis immer unangenehm, doch wenn es bei Einzelfällen bleibt, können die meisten »Großen« einigermaßen damit umgehen. Aber das Weltbild von Kindern für ein paar YouTube-Lacher zu deformieren (und ich werde den Teufel tun, das hier zu verlinken), das ist schon ziemlich arm. Auch dann, wenn meine Theorie falsch ist.

Traurig
Drawing: © Derek Mueller | Some rights reserved

Warte, bis es Dinkel wird …

Late Adopter – und trotzdem glücklich. Nachdem das halbe Internet 2011 über Topfbrot oder »No-Knead-Bread« geschrieben und fuderweise Rezepte und Erfahrungsberichte dazu gepostet hat, wagte ich mich vorgestern endlich auch mal an eins der Rezepte heran. Die ermunterndste Verfahrensanleitung für Teigbereitung und Backprozedur lieferte mir Isabel Bogdan, das Rezept hingegen (Dinkel-Vollkornbrot mit Walnüssen) mopste ich hier. Gestern abend purzelte dann das fertige Opus meum aus dem Backtopf und wurde heute zum Frühstück serviert – scheibenweise nochmal im Toaster leicht angeröstet. Famos! Das mach ich jetzt öfter.

Topfbrot
Foto: © formschub

Falsettbär

Dass mir Skandinavien nicht nur als Urlaubsregion am Herzen liegt, eröffnete mir schon die Musik von Ane Brun, Agnes Obel und Jonathan Johansson. Jetzt hatte mein persönlicher Mixassistent bei last.fm schon wieder einen Tipp, der mich mitten ins musikalische Herz traf – und mich gleichzeitig überraschte, denn das Bild in meinem Kopf zu dieser zarten Stimme wollte so gar nicht zu dem »Handsome Guy« passen, der im YouTube-Video dazu den Mund bewegt. Beides zusammen gehört tatsächlich zu ein und derselben Person, nennt sich Egil Olsen und kommt aus Norwegen.

Es lohnt sich, auf seiner liebevoll befüllten Website ein bisschen herumzustöbern, die poetisch-skurrilen Videos anzuschauen und einige weitere Songs anzuhören, seine Cover-Artworks zu beschmunzeln oder auch mal an anderer Stelle die famosen Songtexte zu lesen. Ein ganz eigener und, wie ich finde, sehr sympathischer Typ. Und was er macht, passt zufällig perfekt zu Herbstlaub, Sofa, Kaminfeuer und Wein.