Kategorie: Von der Tageskarte

Kaum passiert, schon gebloggt

Freitagstexter – Gewinner

Mit 58 »schlimmen« Beiträgen war dies der meistbetextete Freitagstexter, den ich bisher ausrichten durfte – Chapeau! Und es war nicht nur Masse, sondern auch Klasse. Etliche Male las ich mich durch die Liste und musste schließlich, um zu einer Entscheidung zu kommen, messbare, valide Kriterien hinzuziehen, anstatt auf mein Bauchgefühl zu hören. Die ermittelte Reihenfolge meiner Favoriten ergibt sich somit aus der Summe von »Gnihini-Faktor« und »Muaharhar-Quotient«:

4. Platz
sabbeljan: »Es ist 18:00 Uhr und hier kommt die Prognose von Infratest Dimap. Demnach entfallen auf die CDU…«

3. Platz
Jörn: »Das war ja mal eine beschissene Party. Sobald ich meine Hose gefunden habe, gehe ich nach Hause.«

2. Platz
MoniqueChantalHuber: Sally ohne Harry

1. Platz
r|ob: Sekundenkleber

Als Urheber dieses herrlich trockenen Kommentars darf ich damit Herrn r|ob zum Gastgeber der nächsten Textosteronausschüttung am kommenden Freitag, den 27. November, ernennen. Bis dann, allen Teilnehmern vielen Dank für die zahlreichen famosen Beiträge und Herzlichen Glückwunsch an den Gewinner!

Bei Bedarf gibt’s für die Folgerunden hier die original Freitagstexter-Banner zum Mitnehmen.

Freitagstexter Gewinner

Freitagstexter, 20.11.2009

Als Kind mochte ich keine rohen Tomaten. Ich fand sie hartschalig, glibberig, zu süß für Gemüse und zu unsüß für Obst. Es dauerte lange, bis ich mich geschmacklich mit ihnen anfreundete. Und nun verdanke ich einer ganz besonderen Tomate sogar den dieswöchigen Freitagstexterpokal. Herr Sabbeljan rief zum Gemüsebrainstorming auf – und in 50 Einträgen wurde fürwahr trefflich getextet. Vielen Dank für den Wanderpokal, ich werde mich mit der heutigen Ausrichtung seiner würdig zu erweisen versuchen.

Jeder, der mit einer Website oder einem Blog im Web präsent ist, kann mitmachen, viele taten es bereits. Die Abgabefrist für Verse, Bildunterschriften oder Kurzprosa zum untenstehenden Motiv endet am kommenden Dienstag, den 24. November um Mitternacht. Die Wahl des Gewinners und Nachfolgegastgebers erfolgt wie immer »aus dem Bauch heraus« und wird am Mittwoch bekanntgegeben.
Und jetzt wird es schlimm. Ganz, ganz schlimm. Seht selbst – und schreibt.

Freitagstexter 201109
Foto: © phillipsandwich | some rights reserved

Das trägt der Nerd am Herd

Wohl jeder Hobbykoch kommt früher oder später an den Punkt, wo er improvisieren will – oder muss: Bei spontanen Kochanfällen die heimischen Vorräte abzuscannen und überlegen, was daraus komponiert werden könnte, zum Beispiel. Oder aber angesichts nahender Gäste plötzlich siedendheiß feststellen zu müssen, dass eine der wichtigsten Zutaten für das zu kredenzende Dinnermenü fehlt. Dann wird aus Kochen Jazz. Dieser Gedanke gefiel mir so gut, dass ich ihn – eher für mich – in ein kleidsames T-Shirt-Design umgesetzt habe. Ich habe mir schon selbst eins bedrucken lassen, aber vielleicht gefällt es ja auch noch anderen Küchenkünstlern.

Kochen ist Jazz

Fotoblogstöckchen (I)

Meiner reizenden Blognachbarin creezy ist es zu verdanken, dass der schon fast totgeglaubte Brauch des Blogstöckchens eine wunderbar nostalgische Frischzellenkur erfuhr. Sie rief dazu auf, Gegenstände aus dem eigenen Haushalt zu fotografieren, die mit einprägsamen Kindheitserinnerungen verbunden sind – und deren Geschichte(n) zu erzählen. Ein Stöckchen, das ich gerne fange, weil es mich sofort auf eine Kopfreise durch Schrankfächer und Schubladen schickte. Aus Zeitgründen möchte ich meine Beiträge dazu auf mehrere Blogeinträge verteilen. Hier kommt der erste:

Ich war eben auf meinem Dachboden und habe ein Stückchen Vergangenheit heruntergeholt. Es ist ein kleiner Zettel, etwa so groß wie eine Postkarte. Ich wusste, dass er dort oben liegt. Ich habe ihn mit anderen kleinformatigen Papiersouvenirs in einem braunen Briefumschlag aufbewahrt. Es stehen acht handgeschriebene Zeilen darauf, in einer wunderschönen, doch für viele Menschen nahezu unleserlichen Schrift: Sütterlin. Und verfasst hat ihn meine Oma Margarethe, genannt »Oma Gretchen« – irgendwann im Sommer 1978. Da war ich elf.

Oma Gretchen lebt schon lange nicht mehr, sie starb 1983 in dem kleinen Ort mitten im Harz, wo sie den größten Teil ihres Lebens verbrachte, der Gegend, aus der meine Familie stammt. Oma Gretchen lebte, seit sie verwitwet war, in einer kleinen Etagenwohnung im Haus meiner Tante. Dort oben besuchte ich sie oft als Kind, an Wochenenden oder auch während der Schulferien, wenn ich abwechselnd ein, zwei Wochen bei meinen Harzer Omas verbrachte.

Die Wohnung von Oma Gretchen war sehr braun, schön warm und irgendwie weich. Dunkle Holzschränke, ein federkerngepolstertes Sofa, ein riesiges, unendlich nachgiebiges Bett, Spiegel, Vitrinen, Fußschemel und Deckchen. Es roch nach Holz, Latschenkiefer, Stoff und ein bisschen nach Vanille. Eine Omawohnung wie die korpulente und gemütliche Oma, die darin wohnte.

Auf dem großen Vitrinenschrank im Wohnzimmer, ganz oben, neben der hölzernen Kaminuhr, die mit einem gemütlichen Gongschlag die Stunden in Omas Wohnung durchnummerierte, stand ein Hund aus Porzellan. Ich musste diesen Hund gemocht haben damals, denn ich erinnere mich, dass ihn Oma oft vom Schrank holen musste. Vermutlich habe ich ihn nur angesehen, bewundert, berührt, denn Porzellan ist empfindlich und kein Spielzeug für Kinder. Ich fand ihn nie kitschig, denn er ist nicht bunt bemalt, nur ein paar graue und schwarze Farbflecken akzentuieren das Fell und die Augen. Er trägt kein Halsband und keine Leine, er ist nicht »niedlich«, sondern schlank und, wie ich finde, von einer vornehmen Wildheit. Er sitzt nicht brav bei Fuß, sondern ist draußen unterwegs, streift durchs Gras, apportiert vielleicht einem Jäger. Ich gab ihm nie einen Namen, er war einfach »der Hund«.

Nach dem Tod Oma Gretchens bekam ich nicht mit, was mit dem Nachlass in ihrer Wohnung geschah. Die Zimmer wurden renoviert, neu eingerichtet, ein Nähzimmer für die Tante, ich war selten wieder dort oben. Mit 16 macht man keine Ferien mehr bei Tanten und Omas. Sie war nicht mehr da, ebensowenig wie der vertraute Geruch, wie die Farben und Möbel, die alte Kaminuhr und das federnde Sofa. Oma war weg.
Dann wurde mir plötzlich der Porzellanhund gegeben, meine Tante oder meine Mutter überreichten ihn mir, ich erinnere mich nicht mehr genau. Beim Herunterholen vom Schrank hatte sich im hohlen Sockel des Hundes der handgeschriebene Zettel gefunden, den ich eben vom Dachboden holte. Ich kann ihn entziffern, denn meine Oma schrieb mir auch zum Geburtstag oft Karten von Hand:

Sommer 1978
Ich, der schöne Porzellan-Hund gehöre meinem Frauchen-Gretchen. (Auch Omchen, Omi oder Omichen)
Sollte mein Frauchen mich einmal verlassen, so möchte mich der Thomas (…) gerne haben.
Er freut sich.

Ich habe ihn gern aufgenommen. Er hat es gut bei mir, oben auf dem Schrank.

Hund
Zettel
Fotos: © formschub | (to be continued)