Duftschutzbunker

In dem schwedischen Nahverkehrszug, mit dem wir vorgestern eine Städtetour nach Helsingborg unternahmen, gab es spezielle Abteile für feinfühlige Reisende sowie Liebhaber sensorischer Dezenz und einer Aversion gegen Körpergeruchsterrorismus, in denen Lärm, Handytelefonate, Rauchen und »Starke Düfte« unerwünscht sind. Hallo, HVV, BVG! – Wär das nicht was für Euch?

Starka Dofter

Zu Weihnachten

Dieses Gedicht von Rainer Maria Rilke hat eine sehr tiefe und persönliche Bedeutung für mich. Ich möchte es hiermit allen regelmäßigen und zufälligen Besuchern dieses Blogs ans Herz legen und wünsche allen ganz eigene, schöne und geruhsame Weihnachtstage.

Man muss nie verzweifeln,
wenn einem etwas verloren geht,
ein Mensch, oder eine Freude oder ein Glück;
es kommt alles noch herrlicher wieder.
Was abfallen muss, fällt ab;
was zu uns gehört,
bleibt bei uns,
denn es geht alles nach Gesetzen vor sich,
die größer als unsere Einsicht sind
und mit denen wir nur scheinbar
im Widerspruch stehen.
Man muss sich selber lieben
und an das ganze Leben denken,
an alle seine Millionen Möglichkeiten,
Weiten und Zukünfte,
dem gegenüber es nichts Vergangenes und Verlorenes gibt.

(Rainer Maria Rilke)

Cone Nebula
Photo: «Cone Nebula (NGC 2264) – Star-Forming Pillar of Gas and Dust«
Source: www.hubblesite.org | Copyright Notice
Credit: NASA, H. Ford (JHU), G. Illingworth (UCSC/LO), M.Clampin (STScI),
G. Hartig (STScI), the ACS Science Team, and ESA

… spring!

Wieder so ein Hype auf twitter. Nennt sich formspring und ist quasi so etwas wie Zuschauertelefon im Internet. Scharenweise eröffnen twitter-User derzeit Frageseiten und stellen sich willig der Neugier ihrer Follower und Fans. Die Idee: User stellen anonym oder namentlich den dort präsenten Nutzern beliebige Fragen. Antworten ist freiwillig und ohne Zeichenbegrenzung möglich. Und obwohl ich zunächst den Vorsatz habe, mich dem nicht anzuschließen* (brechen kann man ihn immer noch später), stockt mir der Atem, wenn ich dort so wunderbare Sätze wie diese hier lese, verfasst von @silenttiffy:

(…) Überall trifft man Menschen, mit denen man keine (zurückliegenden) gemeinsamen Erlebnisse hat. Es gibt keine gemeinsame Vergangenheit, keine gemeinsamen Gespräche, keine gemeinsam geheilten Wunden, nichts, keinen Boden, auf dem Freundschaft oder Liebe wachsen könnte, nichts was man miteinander teilen könnte außer dem Augenblick, in dieser nackten Situation der Unvertrautheit, in den Momenten des Argwohns, der blinde Zuneigung spielt, wo überhaupt keine sein kann. (…)

Das zeigt, was formspring sein kann – wenn die Antwort mehr ist als bloße Information, wenn die Frage nicht beantwortet, sondern entgegnet wird, wenn es jemand tut, der sich der Entgegnung widmet, schreiben kann und sich Zeit dafür gönnt. Solche Antworten machen die Frage fast irrelevant – weshalb ich sie dem Zitat auch nicht vorangestellt habe.
Kurz und lustig geht auch auf twitter.

Springform
* Genährt wird dieser Vorsatz – ich gebe es zu – auch ein wenig von der Tatsache, dass die ersten fünf Buchstaben von formspring auch die meinigen sind. Ich weiß jetzt, wie Frauen sich fühlen, wenn auf einer Party eine Andere mit demselben Kleid auftaucht.

Original Photo: © robbplusjessie on flickr | Licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Fotoblogstöckchen (II)

Auf der Suche nach weiteren Gegenständen, mit denen ich hier etappenweise das wundervolle Erinnerungsstöckchen von creezy auffangen möchte, stieß ich in einem Schmuckkästchen auf ein weiteres Souvenir meiner Kindheit. Für mich überraschend: nicht wenige der Erinnerungsstücke, die ich auf dieser Suche entdecke, haben etwas mit Tieren zu tun. Und das, obwohl ich nur sporadisch selbst welche besaß. Eines davon – mein erstes eigenes Tier – war Karlinchen.

Karlinchen war eine Schildkröte und ich war sechs Jahre alt. Mein Vater hatte sich etwa ein Jahr zuvor entschlossen, für zwei Jahre einen Job im nordafrikanischen Algerien anzutreten und die gesamte Familie mitzunehmen. Und so kam es, dass von 1973 bis 1975 ein kleiner Bungalow in einer kleinen deutschen »Gastarbeitersiedlung« nahe der algerischen Stadt Constantine mein Zuhause war. Ich wurde dort eingeschult, hatte bereits in der 1. Klasse Unterricht in der Landessprache Französisch (bis zu den späteren Gymnasialkursen allerdings das meiste wieder vergessen), lernte neue Freunde kennen – und bekam Karlinchen.

Sie wohnte in einer kleinen Holzkiste hinter dem Haus, ich fütterte sie mit Kopfsalatblättern, gab ihr Wasser und studierte fasziniert die seltsamen Züge dieses vorsintflutlichen Tieres: den glänzenden, braungeschuppten Kopf, der sich sofort ins Innere des Panzers zurückzog, wenn das Streicheln mit dem Finger etwas zu unsanft ausfiel, oder die kleine rosa Zunge, die bei jedem Biss ins bereitgelegte Grünfutter kurz zwischen den Schnappkiefern aufblitzte. Und die stoische Langsamkeit, mit der sie außerhalb ihrer Kiste den mauerbegrenzten kleinen Hinterhof durchwanderte. Ein bodentiefes eisernes Gatter bildete den Zugang, eine kleine Stufe führte vom Hof aus ins Wohnzimmer des ebenerdigen Hauses – der ideale Ort zur Unterbringung des kleinen Urviechs, denn selbst außerhalb ihrer Kiste konnte es von dort nicht ausreißen. Jedenfalls nicht ohne Hilfe.

Doch eines Tages sollte ausgerechnet ich selbst ihr genau diese Hilfe anbieten. Es war Wochenende, nachmittags, und ich war auf dem Hof mit Karlinchen beschäftigt, als plötzlich ein Auto vorfuhr und meine Eltern riefen, Familie B. sei zu Besuch angekommen. Dies weckte sofort mein aufgeregtes Interesse, denn die beiden Söhne dieses Arbeitskollegen meines Vaters zählten zu meinen Freunden und Spielkameraden. Ich sprang auf und rannte vom Hof, um die eingetroffenen Freunde zu begrüßen – und vergaß, das Gatter zu schließen. Plötzlich war anderes wichtiger.
Gegen Abend, nach Abreise der Gäste, fand ich hinter dem Haus nur noch die leere Holzkiste vor. Die aufgeregte gemeinsame Suche mit den Eltern auf dem Hof und in der näheren Umgebung des Hauses war vergebens. Karlinchen hatte genug Zeit gehabt, für immer zu verschwinden. Ich war traurig.

Ein paar Wochen später, vielleicht im Bauchladen eines Strandhändlers, vielleicht in der Auslage eines algerischen Basars, sah ich meine Schildkröte wieder. Viel kleiner, silbern, und mit einer ovalen Öse am Kopf. Es war ein Kettenanhänger. Ich bekniete meine Eltern, mir die metallene Reinkarnation meines geflohenen Schützlings zu kaufen. Und der Verkäufer ließ mit sich handeln. Eine Zeit lang trug ich sie an einer silbernen Kette um den Hals. Weglaufen ließ ich sie nicht noch einmal.

Karlinchen
Foto: © formschub | (to be continued)

Freitagstexter – Gewinner

Mit 58 »schlimmen« Beiträgen war dies der meistbetextete Freitagstexter, den ich bisher ausrichten durfte – Chapeau! Und es war nicht nur Masse, sondern auch Klasse. Etliche Male las ich mich durch die Liste und musste schließlich, um zu einer Entscheidung zu kommen, messbare, valide Kriterien hinzuziehen, anstatt auf mein Bauchgefühl zu hören. Die ermittelte Reihenfolge meiner Favoriten ergibt sich somit aus der Summe von »Gnihini-Faktor« und »Muaharhar-Quotient«:

4. Platz
sabbeljan: »Es ist 18:00 Uhr und hier kommt die Prognose von Infratest Dimap. Demnach entfallen auf die CDU…«

3. Platz
Jörn: »Das war ja mal eine beschissene Party. Sobald ich meine Hose gefunden habe, gehe ich nach Hause.«

2. Platz
MoniqueChantalHuber: Sally ohne Harry

1. Platz
r|ob: Sekundenkleber

Als Urheber dieses herrlich trockenen Kommentars darf ich damit Herrn r|ob zum Gastgeber der nächsten Textosteronausschüttung am kommenden Freitag, den 27. November, ernennen. Bis dann, allen Teilnehmern vielen Dank für die zahlreichen famosen Beiträge und Herzlichen Glückwunsch an den Gewinner!

Bei Bedarf gibt’s für die Folgerunden hier die original Freitagstexter-Banner zum Mitnehmen.

Freitagstexter Gewinner

Freitagstexter, 20.11.2009

Als Kind mochte ich keine rohen Tomaten. Ich fand sie hartschalig, glibberig, zu süß für Gemüse und zu unsüß für Obst. Es dauerte lange, bis ich mich geschmacklich mit ihnen anfreundete. Und nun verdanke ich einer ganz besonderen Tomate sogar den dieswöchigen Freitagstexterpokal. Herr Sabbeljan rief zum Gemüsebrainstorming auf – und in 50 Einträgen wurde fürwahr trefflich getextet. Vielen Dank für den Wanderpokal, ich werde mich mit der heutigen Ausrichtung seiner würdig zu erweisen versuchen.

Jeder, der mit einer Website oder einem Blog im Web präsent ist, kann mitmachen, viele taten es bereits. Die Abgabefrist für Verse, Bildunterschriften oder Kurzprosa zum untenstehenden Motiv endet am kommenden Dienstag, den 24. November um Mitternacht. Die Wahl des Gewinners und Nachfolgegastgebers erfolgt wie immer »aus dem Bauch heraus« und wird am Mittwoch bekanntgegeben.
Und jetzt wird es schlimm. Ganz, ganz schlimm. Seht selbst – und schreibt.

Freitagstexter 201109
Foto: © phillipsandwich | some rights reserved

Das trägt der Nerd am Herd

Wohl jeder Hobbykoch kommt früher oder später an den Punkt, wo er improvisieren will – oder muss: Bei spontanen Kochanfällen die heimischen Vorräte abzuscannen und überlegen, was daraus komponiert werden könnte, zum Beispiel. Oder aber angesichts nahender Gäste plötzlich siedendheiß feststellen zu müssen, dass eine der wichtigsten Zutaten für das zu kredenzende Dinnermenü fehlt. Dann wird aus Kochen Jazz. Dieser Gedanke gefiel mir so gut, dass ich ihn – eher für mich – in ein kleidsames T-Shirt-Design umgesetzt habe. Ich habe mir schon selbst eins bedrucken lassen, aber vielleicht gefällt es ja auch noch anderen Küchenkünstlern.

Kochen ist Jazz